Als geneigter Leser der HZ hat man zuweilen das Gefühl, dass es in Heidenheim gerade kein anderes Lokalthema als die Betongleitwände in der Innenstadt gibt. Neben den Artikeln finden sich Leserbriefe in einer Anzahl, wie sie sonst nur das Rommel-Denkmal oder Straßenschäden in Schnaitheim hervorbringen. Alles mit tendenziösem Unterton, nach dem Motto: Wie kann eine dämliche Stadtverwaltung nur solche Scheußlichkeiten aufstellen? Kein Wort finde ich in der Berichterstattung zu den Gründen, die zur Aufstellung der Hindernisse geführt haben. Warum wird eigentlich nicht thematisiert, dass es im Falle eines Attentats ein gewaltiges haftungsrechtliches Problem für die Stadtverwaltung gäbe? Unter diesem Aspekt sind Betonpoller aus juristischen Sachzwängen eine verständliche, wenn auch keine sehr mutige Entscheidung. Gottlob ist die Gefahr, in Deutschland Opfer eines Attentats zu werden, 500-mal geringer als die Gefahr, im Straßenverkehr zu sterben. Aber leider gibt es in vielen Bereichen eine immer größer werdende Differenz zwischen gefühlter Bedrohung und realer Gefahr.
Wie schäbig, dass die realistische Einschätzung von Gefahren dann auch noch von der AfD und Konsorten bewusst verwischt wird. Für wie hoch also halten wir alle die tatsächliche Gefahr eines Terroranschlags in der Heidenheimer Innenstadt? Ich persönlich halte sie für extrem gering und würde dafür plädieren, dieses minimale Risiko einzugehen und auf Schutzmaßnahmen zugunsten von Bewegungsfreiheit und einem schöneren Stadtbild zu verzichten. Wenn die breite politische Mehrheit in der Stadt, von der DKP bis zu den Freien Wählern, auch zu dieser Ansicht käme, wäre es die Zeit für mutige Entscheidungen, die den politischen Institutionen, vor allem Stadtverwaltung und Gemeinderat, dann aber auch Handlungsspielräume ohne persönliche juristische Konsequenzen eröffnen müssten.
Und so, wie die Stadtgesellschaft als ganze einen Grundkonsens suchen sollte, haben erst recht deren politische Abgeordnete die Verpflichtung, sich zu informieren und zunächst grundsätzlich zu positionieren. Wie kommt es in diesem Zusammenhang, dass Stadtrat Weichert die Frage „Warum machen wir es dann überhaupt?“ erst stellt, wenn die Betonwände schon stehen? Wie kommt es, dass erst in der jüngsten Sitzung des Gemeinderates die Frage erörtert wird, ob die Wände dauerhaft stehen? Wie kommt es, dass von Stadtrat Dr. Brosinger die Rücknahme des Gemeinderats-Beschlusses ins Spiel gebracht wird, kaum, dass die Hindernisse aufgestellt sind? War denn die optische Wirkung von Betongleitwänden wirklich so unvorhersehbar?
Ja, die Stadtgesellschaft muss sich positionieren. Ja, unsere politischen Vertretungen sollten mutige Grundsatzentscheidungen treffen, auch gegen den Zeitgeist gefühlter Wahrheiten. Aber bitte vor der Umsetzung von daraus folgenden Einzelmaßnahmen. Und nach einer Umsetzung ist Standfestigkeit gefragt, weil niemals alles allen gefällt.
Dr. Axel Bürger, Zang