Im Zimmer vom Swen Profendiener im dritten Stock des Heidenheimer Rathauses steht ein kleines, separates Regal. Darin befinden sich acht Aktenordner und fünf dicke braune Papiermappen mit Unterlagen. In allen Papieren, die sich in diesem Regal befinden, geht es nur um ein Thema: das Eugen-Loderer-Zentrum und die Beendigung des Erbbaurechts, das am 16. April auslief und den Leiter des Geschäftsbereichs Liegenschaften nachhaltig beschäftigt hat. Mittlerweile kennt er alle Besitzer von Wohnungseigentum, Läden oder Stellplätzen auf dem knapp 6000 Quadratmeter großen Grundstück. Profendiener hat viele persönliche Geschichten gehört, Einblicke in Erbangelegenheiten und Vermögensverhältnisse bekommen und viele Verhandlungen geführt.
„Ich habe immer die Menschen gesehen, die im Eugen-Loderer-Zentrum wohnen. Das hat mich angetrieben“, sagt er. Was jetzt fast abgeschlossen ist, schien vor zwei Jahren noch beinahe unmöglich: Die Erbbaurechte am Grundstück, die sich auf 52 Parteien verteilten, mit dem Besitz, den diese anteilsmäßig an der Immobilie hatten, zu vereinen.
Eine jahrzehntealte Geschichte
Um das komplizierte Konstrukt und seine Auflösung zu erklären, muss man etwas weiter ausholen: Dort, wo heute das Eugen-Loderer-Zentrum steht, zwischen Stadtbibliothek und Rathaus in der Mitte der Innenstadt, befand sich die Brauerei Neff. Diese stellte schon 1983 den Betrieb ein. Danach waren die Gebäude noch eine Weile an eine überregionale Brauerei verpachtet, bis sie schließlich ganz leer standen. Eigentümer waren die Brüder Heiner und Georg Neff, die zwar ihr Grundstück nicht verkaufen wollten, aber einen Erbaurechtsvertrag mit der Stadt Heidenheim abschlossen. Damit blieb das Grundstück im Besitz der Neff GmbH, konnte aber neu bebaut werden.
Die Stadt veräußerte das Erbbaurecht an die Grundstücks- und Baugesellschaft Heidenheim (GBH), die das Eugen-Loderer-Zentrum erbaute und – zumindest teilweise – das Erbbaurecht mitsamt dem anteiligen Besitz an der Immobilie weiterverkaufte. In dem Gebäude befindet sich ein Pflegeheim der Arbeiterwohlfahrt (Awo), es gibt im Erdgeschoss Läden und eine Gaststätte, aber auch mehrere Wohnungen und Stellplätze in der Tiefgarage. Ein Teil der Wohnungen und Gewerbeeinheiten blieb im Besitz der GBH, die wiederum selbst verkauft wurde und mittlerweile dem Wohnungsunternehmen Vonovia gehört.
Keine Verlängerung des Vertrags
Der Erbbaurechtsvertrag wurde 1992 abgeschlossen und lief am 16. April 2025 aus. Hätte die Neff GmbH den Vertrag verlängert, wäre alles beim Alten geblieben. Dies lehnt die GmbH jedoch ab, denn ein Nachtrag zum Erbpachtvertrag hätte mit 100-prozentiger Zustimmung aller Erbpachtnehmer und dies vor Ablauf des bestehenden Vertrags passieren müssen. Ulrich und Jörg Neff, die beiden Geschäftsführer des Neff GmbH, hielten dies nicht für umsetzbar.
Wäre der Erbpachtvertrag nicht verlängert worden, hätten alle Besitzer einer Immobilie ihre Erbbaurechte verloren und ihre Anteile an der Immobilie wären an den Eigentümer des Grundstücks zurückgefallen. Dieser wäre vertraglich verpflichtet gewesen, sie dafür mit 66,6 Prozent des Verkehrswerts der Immobilie zu entschädigen. Am Ende schwebte also über allen Bewohnern die Gefahr, ihr Zuhause zu verlieren. Die Inhaber der Neff GmbH zogen es in Betracht, das Gesamtgrundstück an einen Investor zu verkaufen.
Beschluss für das Vorkaufsrecht
Die Möglichkeit zu handeln hatte am Ende nur noch die Stadt, die ein Vorkaufsrecht für das Grundstück besaß. Im Oktober 2023 beschloss der Gemeinderat, dass die Stadt dieses ausüben solle. Damit begann für Swen Profendiener eine ausgesprochen kleinteilige und rechtlich komplexe Aufgabe. Es ging zunächst darum, die Besitzer der Immobilien ausfindig zu machen, teilweise auch im Ausland. Manche Wohnungen waren weiterverkauft worden, andere befanden sich mittlerweile im Besitz von Erbengemeinschaften. Alle mussten dem Grundstückskauf gemäß ihren Anteilen am Teilerbbaurecht zustimmen und eine entsprechende Erklärung unterschreiben, die vor dem 16. April 2025 vorliegen musste.

Danach schloss die Stadt die erforderlichen Kaufverträge ab, was bis auf zwei Fälle auch gelungen ist. In diesen beiden Fällen habe man keinen anderen Ausweg gesehen, als die Wohnungen ins Eigentum der Stadt zu überführen und die Besitzer mit 66 Prozent des Verkehrswerts zu entschädigen. „Hätten wir uns nicht mit allen einigen können, wäre das ganze Projekt gescheitert“, sagt Swen Profendiener. In einem Fall konnte sich eine Erbengemeinschaft nicht darauf einigen, wie man mit dem Grunderwerb umgeht, im anderen Fall handelte es sich um einen hochbetagten Erben einer Wohnung, dem der gesamte Prozess nicht mehr zuzumuten war.
„Die meisten Wohnungsbesitzer waren sehr froh darüber, die Stadt als Partner zu haben“, erzählt Liegenschaftsexperte Profendiener. Innerhalb von vier Wochen sei es der Stadt gelungen, Kaufverträge mit allen 49 involvierten Parteien abzuschließen. Auch die Vonovia habe sich an die Vereinbarung mit der GBH gehalten und alle Anteile erworben. Nun steht noch die Umsetzung im Grundbuch aus, für die das Grundbuchamt Schwäbisch Gmünd zuständig ist. Bis wann damit die bisherigen Erbbauberechtigten endlich zu Wohnungsteileigentümern gemacht werden, lässt sich derzeit noch nicht sagen.
Stadt übernahm Erbpachtzins für die Awo
Der Grundstückspreis, den die Stadt Heidenheim an die Neff GmbH bezahlt hat, ist nicht bekannt. Er wurde von der Stadt an die Erbbauberechtigten anteilsmäßig weitergeben, darüber hinaus mussten diese noch eine Bearbeitungsgebühr bezahlen. Die Ausnahme von dieser Regelung ist die Awo: Da es früher üblich war, dass die Betreiber von Pflegeheimen von der Stadt ein Grundstück zur Verfügung gestellt bekamen, hat die Stadt Heidenheim den Erbpachtzins für die Awo übernommen und nun auch den Grundstückskauf getätigt.