Linsen, Lupinen, Soja – und das auf der Ostalb? Was früher als undenkbar galt, könnte künftig Alltag werden. Der erste „Alb-Eiweißpflanzentag“ zeigt, wie sich Landwirte auf neue Klimabedingungen einstellen. Denn März-Temperaturen über 20 Grad-Celsius und wochenlang kein Regen waren zwar in diesem Frühjahr außergewöhnlich, könnten aber künftig keine Extremwetterereignisse mehr sein, sondern die Regel. Diese Wetterkapriolen machen den Landwirten auch auf der rauen Ostalb nicht nur im Frühling schaffen. Zwar ist man als Landwirt schon immer direkter der Natur ausgeliefert gewesen als in den meisten anderen Berufen. Aber es gab auch einen über Jahrhunderte erworbenen Erfahrungsschatz bezüglich Aussaat und Anbau vertrauter Pflanzen.
Das ändert sich gerade, was Risiken birgt, aber auch Chancen eröffnet. Denn der Klimawandel ermöglicht den Anbau von Pflanzen, die auf der Ostalb bisher nie gediehen. „Gerade die Kichererbse, die Sojabohne und die Lupine eignen sich sehr für warmes und trockenes Wetter“, erläutert Erhard Gapp, Landwirtschaftsberater bei Demeter aus Laupheim. Auch Winterlinsen und Winterbohnen profitieren von milderen Wintern oder trockenen, warmen Frühjahren.

Und dank des Wandels bei den Ernährungsgewohnheiten eröffnet sich den Landwirten im Landkreis zudem die Möglichkeit, ökologisch bewussten Verbrauchern passende Produkte anzubieten: nicht-tierische Eiweiße aus regionalem Anbau. Hochwertige Proteine jenseits der berühmten Alblinse. Das Interesse der Landwirte steigt jedenfalls, „weil man so seinen Betrieb auf ein zusätzliches Standbein stellen und sich diversifizieren kann“, erläutert Gapp.
Zu beobachten war das vor kurzem auf einem Acker zwischen Dettingen und Ballendorf beim ersten „Alb-Eiweißpflanzentag“. Biolandwirt Dieter Leibing aus Ballendorf präsentierte auf 16 Feldern Landwirten aus den umliegenden Landkreisen seine Versuche und berichtete über die dabei gesammelten Erfahrungen. „Die Linse bauen wir seit 2015 an. Aber wir haben auch Ackerbohnen und Wintererbsen“, so Leibing. Mittlerweile wächst auch Soja auf seinen Feldern.

Der 59-Jährige ist ein Vorreiter, was den Eiweißpflanzenanbau auf der Ostalb angeht. Leibing spürt das steigende Interesse der Verbraucher an diesen regionalen, pflanzlichen Eiweißen deutlich. „Vor allem bei der Linse, die ist so etwas von beliebt. Wer die einmal bei uns gekauft hat, der kommt immer wieder“. Auch Ehrhard Gapp sieht ein großes Potenzial für solche Pflanzen, „gerade jetzt, wo es diesen Trend weg vom tierischem und hin zu pflanzlichen Eiweiß gibt“.
Organisiert hat den ersten Alb-Eiweißpflanzentag Antonia Kotschi, Regionalmanagerin bei der Bio-Musterregion Heidenheim plus beim Landratsamt Heidenheim. Sie bestätigt das steigende Interesse der Verbraucher. „Es gibt eine starke Vegetarier- und Veganerbewegung, die natürlich auf Leguminosen angewiesen ist, um ihren Eiweißbedarf decken zu können. Und wenn man das sogar regional tun kann, ist das natürlich umso besser“, so Kotschi.
Manchmal muss man eben einfach das richtige Gespür haben.
Dieter Leibing, Landwirt
Der Anbau von Eiweißpflanzen ist allerdings auch ein bisschen eine Lotterie. „Die große Kunst ist es, die richtige Leguminose zu wählen. Wenn man in eine Kristallkugel schauen könnte und wüsste, dass ein sehr heißer und trockener Sommer kommt, dann baut man Soja oder Kichererbsen an. Und wenn es eher nass wird und die Temperaturen nicht so hochgehen, dann würde man wohl die Ackerbohne wählen“, sagt Leibing.
Unternehmerisches Risiko ist er allerdings gewohnt, „und manchmal muss man eben einfach das richtige Gespür haben“. Wenn das aber der Fall ist und der Landwirt obendrein den höheren Pflegeaufwand nicht scheut, dann ist das Ganze auch unternehmerisch eine einträgliche Sache, gerade bei der Sojabohne: „Sie belohnt das mit einem hohen monetären Ertrag“, so Ehrhard Gapp.
Bessere Böden dank Hülsenfrucht-Pflanzen
Der Anbau von Hülsenfrüchten (auch genannt Leguminosen) hat noch einen weiteren Vorteil: Man kann mit ihm auf ökologische Weise den Boden düngen. „Das ist einfach essenziell für den Biolandwirt: Er braucht die Leguminosen zur Humusbildung und zur Fruchtbarkeitserhaltung des Bodenlebens“, erläutert Dieter Leibing. Die Pflanzen leben in Symbiose mit Knöllchenbakterien und reichern im Boden Stickstoff an. „Weizen oder Dinkel gedeihen besser, wenn die Vorfrucht eine Körner-Leguminose war“.