Nein, eine Liebeserklärung klingt anders: „Mein Gott, wie hass' ich dich – Schwäbisch Gmünd!“. So lautet der Refrain des jüngsten Songs der Punkband „Normahl“ aus Winnenden. Der Text gipfelt in dem Ausruf „Nix isch minder wie a Gmünder!“. Offenbar liegt also einiges im Argen zwischen der Remstalmetropole und der Ende der 1970er-Jahre gegründeten Band. Oder?
„Normahl“-Sänger Lars Besa, der mit seiner Familie seit langer Zeit in Heidenheim lebt, lacht am Telefon geradezu treuherzig: „Wir haben gar nix gegen Schwäbisch Gmünd!“ Allerdings habe man als Band einmal rekapituliert, wo man überall schon aufgetreten ist, und dabei festgestellt: In Gmünd wurden die Instrumente noch nie ausgepackt.
In mehr als 40 Jahren kein Gig in Schwäbisch Gmünd
„Das wollten wir der Stadt einfach mal zurufen“, sagt Besa. Das ist auch recht lautstark gelungen. Der Song mit dem folgerichtigen Titel „Schwäbisch Gmünd“ kommt beschwingt rock’n’rollig daher, was die textliche Schärfe ein wenig abmildert. In den Strophen zählt Besa einige der Städte auf, wo sich Fans schon über „Normahl“ freuen konnten. Das führt, gewissermaßen als Streifschuss, auch dazu, dass Aalen und Heidenheim lyrisch beehrt werden, wenngleich auf der Seite der Positivbeispiele.
Schwäbisch Gmünd kann sich dagegen nun rühmen, in die durchaus illustre Runde jener Städte aufgenommen zu sein, deren Name einen Songtitel ziert: „Berlin“ von „Ideal“ sei hier genannt, natürlich Herbert Grönemeyers „Bochum“ oder „Delmenhorst“ von „Element of Crime“, während der verstorbene Frontmann von „No Use For A Name“, Tony Sly, die bayerische Landeshauptstadt in „Via Munich“ zumindest streifte. Stuttgart ist zudem Inhaber einer winzigen Genrenische: Die Stuttgarter Band „Empowerment“ nennt ihren Stil „Stu-York-Hardcore“, angelehnt an den New-York-Hardcore von Bands wie „Agnostic Front“ oder „Madball“.
Offene Türen im gescholtenen Schwäbisch Gmünd
Wie aber nahm Gmünd die Schmach auf? „Die haben sich schon fast bedankt“, sagt Besa. Das örtliche Tourismusbüro habe die Band quasi auf ein Kennenlernen eingeladen. Der Gmünder Oberbürgermeister Richard Arnold (CDU) wird in der „Stuttgarter Zeitung“ ähnlich entgegenkommend zitiert: „Wir würden uns extrem freuen, wenn es dann doch noch mit einem Auftritt in Gmünd klappt.“ Die Tür nach Gmünd ist für „Normahl“ also mindestens so weit offen wie die Portale des Einhorn-Tunnels.
„Normahl“ hat der neue Song jedenfalls ordentlich Aufmerksamkeit gebracht. Auf dem eigenen Youtube-Kanal wurde das zum Teil an und auf der B29 aufgenommene Video binnen weniger Tage mehr als 6000 Mal aufgerufen, auf dem Kanal der Promo-Agentur lagen die Aufrufe im fünfstelligen Bereich. Das zeigt Wirkung: Beim Konzert in Donaueschingen Anfang Mai wurde der Refrain bereits eifrig mitgesungen. Ohnehin ist Besa zufolge die Nachfrage in den vergangenen drei, vier Jahren wieder spürbar angestiegen.
Spaßlieder haben im Punkrock zwar eine lange Tradition, für „Normahl“ bedeute das aber nicht die Abkehr von politischen Inhalten, betont Besa. „Wir sind politisch natürlich weiterhin wach“, sagt der Sänger, wohl wissend, dass ein mehr als 30 Jahre altes Stück gegen Rechtsradikalismus wie „Keine Überdosis Deutschland“ immer noch aktuell ist.
Das letzte "Normahl"-Konzert in Heidenheim war 2006
Dennoch veröffentlicht die Band heute nicht mehr in derselben Frequenz neue Musik wie in den frühen Jahren. Besa ist sich auch unsicher, ob es heute noch sinnvoll ist, ganze Alben auf den Markt zu bringen. Sie hätten zwar Songs in der Hinterhand, aber vielleicht sei es zielführender, mit Stücken wie „Schwäbisch Gmünd“ auf sich aufmerksam zu machen und dann zu touren.
In Heidenheim war „Normahl“ übrigens zuletzt 2006 für ein ganzes Konzert zu Gast. 2018 trat das Quartett zudem für einige wenige Songs bei einer Kundgebung gegen die in Teilen als gesichert rechtsextrem geltende AfD vor dem Heidenheimer Congress Centrum auf. Es wäre also wieder einmal Zeit, oder? „Ja, der Song ist durchaus auch eine Warnung an Heidenheim“, sagt Besa und legt lachend auf.
"Normahl": seit 1978 aktiv
„Normahl“ wurde 1978 in Winnenden gegründet und debütierte 1981 mit dem Album „Verarschung total“. Nach einer zwischenzeitlichen Auflösung ist die Band seit 2002 wieder aktiv. Neben Sänger Lars Besa gehören heute Gitarrist Mick Scheuerle, Bassist Christian Polzer und Schlagzeuger Raimund Skobowsky dazu.