Forderungen an die Politik

Diese vier Probleme brennen den Handwerkern in Heidenheim unter den Nägeln

Wenn sie wollten, könnten sie wie die Bauern ganz Heidenheim lahmlegen. Doch statt Demo auf der Straße traten Vertreter des Heidenheimer Handwerks in den Dialog mit Politikern. Vier Hauptanliegen kristallisierten sich dabei heraus.

Die Stimmung ist angespannt, die von der Politik gemachten Problemlagen vielfältig und der Redebedarf groß. Das zeigte sich am Dienstagabend, als rund 50 Vertreterinnen und Vertreter von Handwerksbetrieben im Landkreis Heidenheim in eine angeregte Diskussion mit vier Entscheidungsträgern aus der Politik eintraten. Eingeladen hatte die Handwerkskammer mit Kreishandwerksmeister Robert Smejkal an der Spitze, gekommen um zuzuhören und auch zu antworten waren Landtagsabgeordneter Martin Grath, handwerkspolitischer Sprecher der Grünen, SPD-Landesvorsitzender und Landtagsabgeordneter Andreas Stoch, CDU-Kreisverbandsvorsitzender Michael Kolb sowie Heidenheims Landrat Peter Polta. Mehr als zweieinhalb Stunden wurde diskutiert darüber, warum sich die Handwerker ausgebremst fühlen und warum sie ein Betriebssterben fürchten, wenn sich die politischen Rahmenbedingungen nicht schnell ändern. Herauskristallisiert hatten sich am Ende vier Problemlagen:

1. Energie, Klima, Heizungsgesetz:

Stefan Mickley, Obermeister der Heizungs- und Sanitär-Innung, nannte als jüngstes Beispiel das Gebäudeenergiegesetz (GEG). „Dem ist an Bürokratie nichts mehr draufzusetzen“, so sein Urteil. Seine Kritik: Die Förderanträge seien zu kompliziert, die Kunden warteten zu lange auf das Fördergeld. „Ich wünsche mir von der Politik Verlässlichkeit, damit wir uns nicht ständig auf neue Situationen einstellen müssen.“ Sowohl Grath als auch Stoch räumten Fehler auf politischer Seite ein. Stoch zum GEG: „Eine solche Gesetzesentscheidung geht nur, wenn man das vorher mit denen klärt, die das auf der Praxisseite umsetzen müssen.“ Stoch sagte aber auch, dass man hinsichtlich des Ziels der Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 gerade in Sachen Gebäudeenergie viel zu lange nichts getan habe.

„Die Leute draußen sind alle aufgewühlt, wenn sie eine neue Heizung brauchen“, berichtete Gerd Kascha von der Heizungs- und Sanitär-Innung. Wenn die Heizung noch laufe, rate er den Leuten, erst einmal abzuwarten, da man nie weiß, was in zwei Jahren neu gelte. Ihm fehle ein Plan, wie die Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 umgesetzt werden solle.

Hilfe bei komplizierten Sachverhalten in Energie- und Klimaschutzfragen könnte von der neu eingerichteten Energieagentur des Landkreises kommen, auf die Landrat Polta verwies. Gemeinsam mit der Verbraucherzentrale könnten sich dort Häuslebauer, Kommunen und auch Handwerksbetriebe eine kostenlose Erstberatung einholen.  

2. Bürokratieabbau:

Einen schnellen Abbau der mittlerweile schon erdrückenden Bürokratie im Handwerk forderte David Thieringer, Obermeister der Maler- und Lackiererinnung. Er kritisierte die aufwändigen Ausschreibungsverfahren und die lange Dauer von Genehmigungen und Entscheidungen. „Ich streiche schneller die Fassade als bis das Gerüst steht“, sprach er zu lange Genehmigungszeiten an. „Wir Handwerker wollen mit unserer Arbeit Deutschland voranbringen und nicht immer ausgebremst werden.“ Deshalb wären auch selbsterklärende Gesetze notwendig, für deren Verständnis man nicht Rechtsanwalt oder Steuerberater sein müsse.

Wie es besser funktionieren kann, habe das Konjunkturprogramm 2008 gezeigt, wo freie Vergaben möglich gewesen seien. Damals sei ganz schnell viel gebaut worden. Dass selbst die Behörden an Vergabeverfahren heutzutage an ihre Grenzen geraten, bestätigte Polta. Der Landkreis habe extra eine Vergabestelle eingerichtet, die sich um nichts Anderes kümmere. „Das Vergaberecht finden wir auch als öffentlicher Auftraggeber nicht lustig.“

3. Finanzielle Belastungen:

Tobias Gäßler, Obermeister der Metallinnung, sprach die immer schlechter werdenden Standortfaktoren in Deutschland an. Bürokratie sowie auch finanzielle Belastungen seien größer als anderswo. Die Folge seien Produktionsverlagerungen ins Ausland. Die Bundesregierung müsse dringend Maßnahmen ergreifen, dass Handwerksbetriebe wieder gerne übernommen und ausgebaut würden. Aus finanzieller Sicht drücke der Schuh an vielen Stellen. Zum Beispiel seien die Sozialversicherungsbeiträge die zweithöchsten nach Belgien. Deutschland habe viel zu hohe Arbeitskosten zulasten der Verdienenden und der Konsumlaune. „Haben sie Vorschläge, wie man diesem Phänomen begegnen kann?“

Stoch gab ihm recht und bestätigte, das sei die Schlüsselfrage. Seine Antwort: Der Staat müsse gegen den Abwärtstrend investieren, die Frauenerwerbsquote müsse erhöht werden. Stoch sprach auch die zu niedrige Abschluss- und Ausbildungsquote in der jungen Generation an. Eine Vertreterin der Handwerkskammer Ulm untermauerte dies: 550 offene Ausbildungsstellen gebe es im Kammerbezirk derzeit. Mehrfach wurde auch auf notwendige Bauförderprogramme hingewiesen, um die Bauwirtschaft zu stärken. „Es gibt Situationen, da müsste man die Schuldenbremse anders bewerten“, sagte Grath.

4. Finanzierungsmöglichkeiten:

Die Kapitalbeschaffung für Handwerksbetriebe müsse unkomplizierter werden, sagte Schreinermeister Wolfgang Seybold, der die Fusion der kleinen Banken vor Ort ansprach. Große Banken hingegen agierten wie Behörden. Auch Smejkal bekräftigte, dass Handwerksbetriebe oftmals finanziell in Vorleistung gehen müssten. „Das macht vor allem kleineren Betrieben zu schaffen.“ Das Vorlegen von Sicherheiten für Kredite zur Zwischenfinanzierung sei viel zu kompliziert. Gerade öffentliche Bauträger seien diesbezüglich schlechte Auftraggeber, weil das Geld dort erst nach Ende der Bauarbeiten fließt. Stoch verwies auf die Bemühungen auf europäischer Ebene, unsere Bankenstruktur mit regionalen und genossenschaftlichen Banken zu erhalten. Auch Polta warb für die Strukturen vor Ort und brach ein Brett für den kleinen, überschaubaren Landkreis Heidenheim.

Das Handwerk im Landkreis Heidenheim

Rund 1570 Handwerksbetriebe mit 9600 Beschäftigten gibt es im Landkreis Heidenheim nach Angaben der Handwerkskammer Ulm. Der Umsatz wird mit 1,2 Milliarden Euro angegeben. Im Schnitt beschäftigt ein Betrieb 85 Personen, wobei die Spanne vom Ein-Personen-Betrieb bis zum mittelständischen Unternehmen mit einigen 100 Mitarbeitern reicht. Folgende Innungen sind in der Kreishandwerkerschaft vertreten: Heizung-Sanitär, Bau, Friseur, Bäcker, Metall, Kfz, Schreiner, Maler und Zimmerer. Robert Smejkal ist Kreishandwerksmeister, die beiden Stellvertretenden sind Ulrike Monz und Andreas Gerich.

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