Wenn Christiane Libor über „Elektra“ spricht, spürt man sofort die Intensität, mit der sie sich dieser Rolle nähert: eine Frau, gezeichnet vom Mord am Vater, getrieben vom Hass auf die eigene Mutter – und voller Hoffnung auf die Rückkehr ihres Bruders Orest. „Ich kann nur sagen, dass ich die Rolle komplett liebe“, erzählt die Sopranistin im Interview. In der aktuellen Produktion im Rittersaal des Schlosses Hellenstein singt sie die Titelpartie in der düsteren Tragödie von Richard Strauss und taucht tief in die Abgründe einer zerstörten Familie ein.
Eine Rolle voller Abgründe
Die Partie der Elektra ist für Libor neu und eine Herausforderung, denn obwohl es für Libor kein Problem war, schauspielerisch in die Rolle zu schlüpfen, so war die Musik doch anspruchsvoll. „Man sagt immer: Wenn man es schafft, Elektra zu singen, ist das schon was.“ Die emotionale Tiefe der Figur liegt ihr dabei besonders: „Verletztheit, Aufregung, Wut, Hass – das ist ein großes Spannungsfeld, in dem man als Sängerin viel erleben und gestalten kann.“
Ich kann nur sagen, dass ich die Rolle komplett liebe.
Christiane Libor, Opernsängerin der Elektra
Elektra ist eine Frau, die von Rachsucht und innerem Schmerz getrieben wird. Nachdem ihre Mutter Klytemnästra gemeinsam mit ihrem Geliebten Aegisth den Vater Agamemnon ermordet hat, lebt Elektra nur noch für den Tag, an dem ihr Bruder Orest zurückkehrt, um Rache zu üben. Sie selbst hat ihn einst in Sicherheit gebracht. Als sie glaubt, Orest sei tot, will sie das blutige Werk selbst vollenden – doch plötzlich steht er vor ihr.
Von klein auf zur Oper berufen
Schon mit fünf Jahren wusste Libor, dass sie einmal Opernsängerin werden möchte. Ihre Eltern sangen in einem Chor und zu Hause wurde viel musiziert. „Sonntags lief bei uns immer eine Platte von Fritz Wunderlich. Ich habe dann gesagt: Ich will auch so singen.“ Ihre Eltern stellten eine Bedingung: Nur mit solider musikalischer Ausbildung. Also begann sie mit fünfeinhalb Jahren Klavier zu spielen, mit 14 Jahren folgte dann der professionelle Gesangsunterricht. Das Studium begann sie schließlich mit 18 Jahren.
Doch zur Oper gehört mehr als Technik: „Man muss Fleiß, Neugierde, Ausdauer und die Fähigkeit mitbringen, Emotionen auf der Bühne zu leben“, so die Opernsängerin. Für Libor gibt es keinen Unterschied zwischen Schauspiel und Gesang: „Stimme und Spiel gehen immer zusammen. Es geht um Leben und Sein auf der Bühne.“
Leidenschaft auf und hinter der Bühne
Viel Zeit zum Ausruhen bleibt der Opernsängerin nach den Aufführungen nicht: Die „Götterdämmerung“ von Wagner steht als nächste Partie an. Außerdem ist Libor seit 2011 Professorin an der Hochschule für Musik in Karlsruhe. Bevor es dort allerdings weitergeht, ist Urlaub angesagt – und natürlich Liederabende sowie das „Putzen“, also Wiederholen der gesungenen Partien. „Ich bin ein sehr neugieriger Mensch“, sagt sie. „Ich brenne für alles, was ich tue. Für mich ist es die richtige Wahl, mein Leben so auszufüllen.“ Stillstand kommt für sie nicht infrage: „Ich langweile mich sehr schnell.“
Die Sängerin lobt nicht nur das Publikum und die Kulisse, sondern auch die Organisation: „Was Marcus Bosch hier auf die Beine stellt, ist phänomenal. Sehr, sehr professionell.“ Und: „Diese Stadt lebt für die Festivals, aber auch für den Sport. Hier wird viel für junge Menschen gefördert. Alle brennen, wenn es um die Wurst geht – wie bei der Relegation vom FCH!“ Ob Bühne oder Fußballplatz – Heidenheim ist bereit für den großen Auftritt. Und Christiane Libor mittendrin.