Lärmschutz auf Hauptverkehrsstraßen

Auf welchen Straßen in Heidenheim demnächst Tempo 30 gilt

Der Heidenheimer Gemeinderat hat einen Lärmaktionsplan beschlossen, der die Einführung von Tempo 30 mit sich bringt. Auf welchen Straßenabschnitten dieses Limit künftig gelten soll:

Die Schilderhersteller können schon einmal die Prägemaschinen anwerfen. In den kommenden Monaten muss schließlich markiert werden, was der Gemeinderat mehrheitlich beschlossen hat: Auf wichtigen innerstädtischen Straßen wird Tempo 30 eingeführt.

Ganztags gilt diese Geschwindigkeitsbeschränkung dann auf der B19 zwischen der Seewiesenbrücke und der Schmelzofenvorstadt, zwischen Unterführung Bärenstraße und Waltherstraße, zwischen Rappeshalde und Schachtstraße, zwischen Burrenweg und Wasenäcker sowie zwischen Hintere Kirchwiesen und Kapellstraße; auf der B466 zwischen Gutenbergstraße und B19, auf der L1164 zwischen Stäffeleswiesen und Ludwigstraße sowie zwischen Alexanderstraße und Bahnhofstraße. Hinzu kommen die Bereiche zwischen dem Knoten Felsenstraße/Karlstraße und der B466 (Schnaitheimer Straße) sowie zwischen Mittelrainstraße und B19.

Nächtliches Tempolimit

Eine lediglich nächtliche Beschränkung auf Tempo 30 ist vorgesehen für die Abschnitte zwischen Mittelrainstraße und Schnaitheimer Straße sowie zwischen Heidenheimer Straße und Knoten Felsenstraße/Karlstraße.

Es sei müßig, über die anstehenden Veränderungen zu diskutieren, sagte Oberbürgermeister Michael Salomo vor dem Votum des Gemeinderats, „weil wir keine Handlungsspielräume haben“. Konkret: Die Stadt ist dem Bundesimmissionsschutzgesetz zufolge verpflichtet, für die Hauptverkehrsstraßen mit einer Verkehrsbelastung von mehr als 8200 Kraftfahrzeugen pro Tag einen Lärmaktionsplan aufzustellen. Ziel eines solchen ist es, mit Blick auf die schädlichen Auswirkungen des hauptsächlich durch den motorisierten Straßenverkehr verursachten Umgebungslärms wirksame Gegenmaßnahmen festzulegen.

Gesundheitliche Gefahren

Als gesundheitskritisch gelten tagsüber Werte ab 65 und nachts ab 55 Dezibel. Ab diesen Geräuschpegeln werden dem Ingenieurbüro Rapp zufolge, das den Lärmaktionsplan erstellt hat, in der Regel verkehrsbeschränkende Maßnahmen wie beispielsweise geringere Tempolimits eingeführt. Ab 67 beziehungsweise 57 Dezibel besteht die Pflicht, solche Vorkehrungen zu treffen.

Auf den genannten Strecken ist das der Fall. Die höchsten Werte wurden in Heidenheim für den Mittelabschnitt der Bundesstraße 466 berechnet. Sie überschreiten mit 75/69 Dezibel die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung. Allerdings ist es für die Anordnung straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen nicht zwingend erforderlich, dass die Lärmbelastung in einem gesundheitskritischen Bereich liegt. Vielmehr können entsprechende Schritte auch dann eingeleitet werden, „wenn der Lärm Beeinträchtigungen mit sich bringt, die jenseits dessen liegen, was als ortsüblich hingenommen werden muss und damit den Anwohnern zugemutet werden kann“.

Auch im Abschnitt der B19 zwischen Seewiesenbrücke und Schmelzofenvorstadt wird Tempo 30 eingeführt. Rudi Penk

Projektleiter Wolfgang Wahl wies darauf hin, dass die Abrollgeräusche der Reifen auf dem Fahrbahnbelag ungefähr ab 30 Stundenkilometern den wahrgenommenen Fahrzeuglärm dominieren. Durch eine Reduzierung von Tempo 50 auf 30 lasse sich der Lärmpegel um bis zu 3,5 Dezibel senken. Eine Verringerung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sei eine effektive, kurzfristig umsetzbare und kostengünstige Maßnahme zur Lärmminderung.

Mögliche Vorbehalte versuchte Wahl mit seiner Einschätzung zu entkräften, „dass die Beschränkungen gar nicht so groß sind“. Der Studie zufolge liegen die Durchschnittsgeschwindigkeiten innerhalb von Orten oftmals zwischen 20 und 30 Stundenkilometern. Der Fahrzeitverlust gegenüber Tempo 50 falle relativ gering aus, da Ampeln, Querungen, Parkvorgänge und dergleichen berücksichtigt werden müssten. Als weiteren Vorteil führte Wahl eine erhöhte Verkehrssicherheit an: Durch die Verringerung von Tempo 50 auf 30 halbiere sich der Anhalteweg.

Nicht mehr Staus

Unterm Strich kam er zu dem Ergebnis, Tempo 30 führe nicht zu zusätzlichen Staus und habe einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen, wenn man die Auswirkungen des Verkehrslärms auf Faktoren wie Gesundheitskosten und Immobilienpreise berücksichtige.

Bei den Stadträtinnen und Stadträten riefen die Konsequenzen aus den vorliegenden Messergebnissen ein geteiltes Echo hervor: 17 stimmten schlussendlich dafür, acht votierten dagegen, sechs enthielten sich.

Ihm werde „ein wenig übel bei Tempo 30 auf Hauptachsen“ sagte Ralf Willuth (Sprecher der Freien Wähler). Er nannte diesen Schritt „absurd und nicht vermittelbar, weil die Rücksichtslosen das Problem sind, und nicht der normale Verkehr“. Mit dem Verweis auf Regelungen in anderen Städten formulierte er einen Kompromissvorschlag: „Wenn wir auf 40 statt auf 30 gehen, dann könnten wir zähneknirschend zustimmen.“

Ralf Käpplinger, Leiter des Fachbereichs Stadtentwicklung, Umwelt und Vermessung, hielt entgegen, aufgrund veränderter rechtlicher Grundlagen sehe er keine Möglichkeit, so vorzugehen. Andere Kommunen müssten ihrerseits nachziehen. Im Lärmaktionsplan findet sich überdies der Hinweis, auch mit Tempo 40 lasse sich das Ziel, die Lärmemissionen so stark wie gewünscht zu senken, nicht erreichen.

Sorge um ÖPNV

Die Kritik von Dr. Waltraud Bretzger bezog sich auf mögliche Folgen für den Busverkehr. „Wir sind dabei, unseren ÖPNV so richtig an die Wand zu fahren“, sagte die Vorsitzende der CDU/FDP-Fraktion. Sie prophezeite, manche Haltestellen wie etwa beim Waldfriedhof oder beim Klinikum würden in Zukunft nicht mehr bedient. Reinhard Püschel (DKP) hingegen äußerte die Hoffnung, Tempo 30 werde viele Menschen zum Umstieg auf den Bus bewegen.

Als entschiedene Befürworterin der Neuerungen zeigte sich Anamari Filipovic, die Vorsitzende der Grünen-Fraktion. Sie sprach von einem guten Tag für die Stadt und äußerte ihr Unverständnis darüber, „dass man sich so vehement gegen Gesundheitsschutz wenden kann“. Auch die Sprecherin der SPD/Linke-Fraktion, Tanja Weiße, signalisierte uneingeschränkte Zustimmung: „Die Bürger sollten nicht durch Lärm beeinträchtigt werden.“ Im nächsten Schritt stellt die Stadt jetzt bei der zuständigen Verkehrsbehörde – ebenfalls die Stadt Heidenheim – einen Antrag auf verkehrsrechtliche Anordnung der im Lärmaktionsplan festgesetzten Maßnahmen. Laut OB Salomo wird die Umsetzung, also auch das Aufstellen der Schilder, im kommenden Jahr beginnen.

Bus: Keine erheblichen Verzögerungen

Während der sogenannten Beteiligung der Träger öffentlicher Belange war die Befürchtung laut geworden, die mit der Umsetzung des Lärmaktionsplans verbundenen Maßnahmen könnten zu längeren Fahrzeiten auf den Stadt- und Regionalbuslinien und dadurch zu Mehrkosten führen. Eine gesonderte Studie ergab, dass eine Verzögerung von durchschnittlich 40 Sekunden pro Fahrt zu erwarten ist, was etwa einem Ampelstopp entspricht. Die Autoren bezeichnen es als unwahrscheinlich, dass deshalb Haltestellen wegfallen oder zusätzliche Fahrzeuge und mehr Personal nötig sein werden. Allerdings lasse sich eine endgültige Aussage erst nach Einführung des Tempolimits treffen. Ihr Vorschlag: Standzeiten an der ZOH und an den Endhaltestellen reduzieren und Bussen an Ampelknotenpunkten Vorrang gewähren. Höhere Fahrzeitverluste werden für die Linie 1 des Stadtbusses auf der Schnaitheimer Straße erwartet. Deshalb soll Tempo 30 dort im Abschnitt zwischen Felsenstraße/Karlstraße und Mittelrainstraße auf die Nachtzeit beschränkt werden.