Seit drei Jahren ist im Bereich der stationären Pflege von alten Menschen eine besorgniserregende Entwicklung im Gang, die mehr und mehr Familien betrifft und sich mittlerweile auch im Sozialetat des Landkreises niederschlägt: Der Eigenanteil, der für die Pflege in einem Heim bezahlt werden muss, ist immens angestiegen. Nur wenige alte Menschen können diese Summe aus ihrer Rente oder Pension aufbringen. Bevor aber der Landkreis mit Sozialhilfe, der sogenannten „Hilfe zur Pflege“ einspringt, muss zunächst das eigene Vermögen eingesetzt werden, sprich: das Sparbuch und das eigene Häuschen gehen fürs Pflegeheim drauf.
Zu Hause ging es nicht mehr
Bei Familie F. ist genau dieser Fall eingetreten: Seit Dezember 2024 ist der 87-jährige, schwer demente Vater in einem Pflegeheim im Landkreis Heidenheim. „Die Entscheidung ist uns allen nicht leichtgefallen, aber es ging zu Hause einfach nicht mehr“, sagt die Tochter. Mittlerweile hat er den Pflegegrad 4 und der Eigenanteil ist nach einer Erhöhung zum 1. September von rund 3400 auf 4000 Euro monatlich angestiegen. „Welcher normale Arbeiter kann sich das noch leisten?“, so die Tochter des pflegebedürftigen Seniors. Ihre Mutter lebt in einer Mietwohnung, ist selbst schwer krank, mit Pflegegrad 3. Der Vater war Alleinverdiener, die Mutter kümmerte sich um die vier Kinder. „Was übrigblieb, wurde aufs Sparbuch getan, wie man es eben früher vorgelebt bekam“, erzählt die Tochter. Nun gehe alles fürs Pflegeheim drauf, weil die Rente ja nicht für solche Summen ausreiche.
Die Geschichte von Familie F. ist nur ein Beispiel dafür, wie sich Pflegebedürftigkeit finanziell auswirken kann. Bei den Betroffenen kommt auch der Gedanke auf, dass doch irgendjemand viel Geld mit diesen immensen Summen verdienen muss, die Pflege monatlich kostet. Im obigen Beispiel sind es fast 6600 Euro, die für einen Heimplatz im Pflegegrad 4 im Monat berechnet werden. Die Pflegeversicherung bezahlt davon zwischen rund 2250 und knapp 3900 Euro, abhängig davon, wie lange der Betroffene bereits in einem Pflegeheim versorgt werden muss.
Gewinnerzielung nicht ausgeschlossen
Wie hoch die Kosten für einen Pflegeplatz sind, kann der Betreiber jedoch nicht willkürlich festlegen: „Es handelt sich um eine preisgebundene Leistung, wir müssen alles mit den Kostenträgern vereinbaren“, erläutert Arnd von Böhmer, Geschäftsführer des Awo-Kreisverbands Heidenheim. Viele Träger organisieren ihre Pflegeeinrichtungen in gemeinnützigen GmbHs (gGmbH), im Landkreis Heidenheim beispielsweise das DRK, als Stiftung wie die Evangelische Heimstiftung oder als Verein wie der Awo-Kreisverband Heidenheim. Diese Rechtsformen schließen eine Gewinnerzielung nicht aus, jedoch muss das Geld innerhalb des Unternehmens bleiben und dort für die satzungsgemäßen Zwecke verwendet werden.
„Gewinne sind sogar existenziell, weil dadurch Investitionen ermöglicht werden“, sagt Awo-Geschäftsführer von Böhmer. In einer neuen Einrichtung würden beispielsweise vor der Eröffnung schon mehrere Hunderttausend Euro verbraucht, ohne dass es dafür eine Refinanzierung gebe. Zudem seien die Pflegesätze in Baden-Württemberg für eine Auslastung von 96,5 Prozent kalkuliert. Allein eine geringere Belegung könne schon zu roten Zahlen führen, so von Böhmer. „Pflegeheime stehen voll im wirtschaftlichen Risiko und müssen auch Verluste tragen können“, sagt er.

Arnd von Böhmer kennt natürlich die Probleme, die die hohen Eigenanteile verursachen. Der Anteil der Bewohnerinnen und Bewohner, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, steige seit Jahren, sagt er. Bei der Awo seien es im Schnitt über alle fünf Häuser hinweg 35 Prozent der Pflegebedürftigen, die vom Landkreis unterstützt werden müssen. „Das liegt nicht daran, dass die Betreiber gierig sind“, so von Böhmer. Bei den Einrichtungen würden die Personalkosten 80 Prozent der Gesamtkosten ausmachen. Deshalb hätte sich die Einführung der Tarifpflicht im September 2022 sowie hohe Tarifabschlüsse stark auf die Kosten ausgewirkt. „Es stimmt schon seit Jahren nicht mehr, dass man in der Pflege schlecht bezahlt wird“, so der Awo-Chef.
Eine Million Euro mehr als geplant
Da niemand auf stationäre Pflege verzichten muss, weil das Geld für den Eigenanteil nicht ausreicht, steigen logischerweise auch beim Landkreis die Ausgaben für die „Hilfe zur Pflege“. Für 2025 waren im Haushalt 6,5 Millionen Euro dafür eingeplant, tatsächlich wird der Planansatz aber deutlich überschritten. Sozialdezernent Matthias Schauz rechnet mit Kosten in diesem Bereich der Sozialhilfe von 7,5 Millionen Euro. Für 2026 plant der Landkreis mit 7,8 Millionen Euro.

Einen Rückgang der Ausgaben habe es im Jahr 2022 gegeben: „Damals trat das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz in Kraft, das die Eigenanteile reduzieren sollte“, erzählt Schauz. Dies habe auch kurzfristig funktioniert: „Wir haben das als Landkreis bemerkt“, sagt er. Dann allerdings habe es andere Entwicklungen gegeben, die die Preise wieder nach oben getrieben haben. Dazu zählt er gestiegene Sachkosten, etwa für Energie, aber auch die Tarifsteigerungen.
Ein weiteres Problem, das die Heimkosten teurer macht, ist die Landesheimbauverordnung. Diese trat zwar schon 2009 in Kraft, enthielt aber eine Übergangsfrist von zehn Jahren, die teilweise noch verlängert wurde. Mittlerweile schlagen aber die Kosten für die Sanierung der Einrichtungen, die nun beispielsweise keine Doppelzimmer mehr haben dürfen, voll auf die Bewohnerinnen und Bewohner durch. „Natürlich befürwortet man modernere Einrichtungen, aber es muss eben auch bezahlt werden“, so Matthias Schauz. Ein Beispiel dafür ist das Pflegezentrum Gerstetten der Evangelischen Heimstiftung: Dort wurden 15 Millionen Euro in Umbau und Generalsanierung investiert. Dafür stieg aber der Investitionskostenbeitrag immens, sodass Pflegende im Juli 2024 eine Erhöhung des Eigenanteils um 850 Euro monatlich hinnehmen mussten.
Schongrenze für Vermögen
Einen Antrag auf „Hilfe zur Pflege“ können Betroffene ab dem Pflegegrad 2 beantragen. Bei der Bewilligung spielen Einkommen und Vermögen eine Rolle. Immobilien müssen aber nur dann verkauft werden, wenn der Ehepartner nicht darin wohnt. Für das Vermögen gibt es eine Schongrenze von 10.000 Euro. Kinder müssen zur Pflege der Eltern beitragen, wenn ihr Verdienst über 100.000 Euro pro Jahr liegt.