Die fünfköpfige Preisjury, besetzt mit hochrangigen Archäologen unter anderem von den Universitäten Tübingen, Bamberg und Erlangen/Nürnberg, würdigte mit der Auszeichnung die Doktorarbeit des gebürtigen Freudenstädters Andreas Gutekunst zum Thema „Untersuchungen zur Entwicklung und Struktur der Heuneburg an der Oberen Donau“. Gutekunst hatte mit dieser Dissertation 2023 an der Universität Tübingen mit Summa cum laude promoviert. Der Preis wurde in diesem Jahr zum 19. Mal verliehen.

Die Heuneburg in der Nähe von Sigmaringen zählt zu den bedeutendsten prähistorischen Fundstätten Mitteleuropas. Sie war in der Zeit von etwa 620 bis 450 vor Christus ein frühkeltisches Machtzentrum. Systematische wissenschaftliche Grabungen finden hier seit 75 Jahren statt. Bis in die 1980er Jahre ging die Wissenschaft von einem relativ kleinen „Fürstensitz“ aus. Inzwischen zeichnet sich jedoch ab, dass die mehrere tausend Einwohner zählende Heuneburg mit ihrer über 100 Hektar großen Außensiedlung nur den innersten Kern eines viel größeren Macht‐ und Innovationszentrums bildete.
Die Bedeutung der Dissertation von Andreas Gutekunst
Bislang allerdings hat eine zusammenfassende wissenschaftliche Auswertung der zusammengetragenen Forschungsdaten gefehlt, eine Lücke, die nun geschlossen ist. In diesem Sinne stelle die Dissertation von Gutekunst „ein echtes Forschung-Desiderat dar“, sagte Laudator Prof. Dr. habil. Dirk Krausse, Landesarchäologe am Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, der selbst 1995 mit dem Kurt-Bittel-Preis geehrt wurde.
Krausse würdigte nicht die inhaltliche Qualität der Dissertation von Andreas Gutekunst, sondern auch dessen wissenschaftliche Exzellenz. Das Urteil der Preisjury sei einstimmig gefällt worden. An der Arbeit von Gutekunst sei so besonders, dass er sich als Nachwuchswissenschaftler vom vorgefundenen Interpretationsstand bezüglich des Forschungsgegenstandes „Heuneburg“ freigemacht habe, erläuterte Krausse.
Ein Meilenstein in der Archäologie
Dadurch sei er „zu einem ganz anderen, weitaus besseren und überzeugenderen Bild“ der Entwicklung und Entstehung der Heuneburg gelangt, so Krausse. Gutekunsts Dissertation stelle einen „überaus wertvollen und wichtigen Beitrag für die Forschung dar. Für die Archäologie der Heuneburg könnte man geradezu von einem Meilenstein sprechen“.
Zwar zeichne man mit dem Kurt-Bittel-Preis eine ganz konkrete Arbeit, in diesem Fall eine Dissertation aus, ergänzte Dirk Krausse. Trotzdem nutzte er die Gelegenheit, um auch die besondere Persönlichkeit von Andreas Gutekunst zu würdigen. Stil und Qualität seiner Dissertation zeigten, dass dieser „überaus fleißig, effizient, bodenständig, sehr unprätentiös, mutig und furchtlos“ sei. Ihm sei bei der Lektüre der Doktorarbeit „das Herz aufgegangen“.

Andreas Gutekunst – den die Nachricht von seiner Auszeichnung mitten in Ausgrabungsarbeiten erreichte – dankte in seiner Rede der Stadt Heidenheim dafür, mit einem Preis geehrt zu werden, der den Namen eines der renommiertesten deutschen Prähistorikers trage. Dieser habe zudem im Juni 1950 die jüngere Heuneburgforschung initiiert. Es erfülle ihn mit Stolz und großer Freude, nun Teil eines Formates zu sein, „mit dem die Stadt Heidenheim einen wichtigen Impuls für die gesellschaftliche Wertschätzung archäologischer Forschung geschaffen hat“.
Bürgermeisterin Simone Maiwald: Parallelen zu aktuellen Entwicklungen
Heidenheims Bürgermeisterin Simone Maiwald verwies in ihrer Rede auf die große gesellschaftspolitische Bedeutung archäologischer Erkenntnisse für unsere heutige Zeit. Es bestünden extreme Parallelen zwischen historischen Ereignissen und aktuellen Entwicklungen heutzutage. Beschäftige man sich mit Geschichte, begreife man „vielleicht etwas schneller, in welche Richtung man nicht ablegen sollte“.
Über Herkunft und Geschichte Bescheid zu wissen, könne ein Verständnis für Entwicklungen entstehen lassen sowie Bindungen und Identität schaffen. Dies sei umso wichtiger, wenn viele Bürgerinnen und Bürger einer Gesellschaft einen anderen kulturellen Hintergrund mitbrächten oder sich gar nicht mehr für ihre eigene Geschichte interessierten. Hier könne Archäologie „Heimat schaffen“, so Maiwald.
Kurt Bittel: Bedeutender Heidenheimer Archäologe
Der Kurt-Bittel-Preis ist mit 5500 Euro dotiert und wird seit 1989 für herausragende wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der süddeutschen Altertumskunde verliehen. Benannt ist er nach dem gebürtigen Heidenheimer Professor Dr. Dr. hc Dr. hc Kurt Bittel und wird alle zwei Jahre von der Stadt Heidenheim vergeben. Bittel leitete von 1931 bis 1977 die Ausgrabungen in der ehemaligen Hauptstadt der Hethiter, Ḫattuša, in der türkischen Provinz Çorum nahe der Ortschaft Boğazkale. Er erforschte auch das Leben der Kelten und Römer in Mitteleuropa. Von 1960 bis 1972 war er zudem Präsident des Deutschen Archäologischen Institutes.