Was als harmlose Hilfe begann, endete vor dem Schöffengericht in Heidenheim: Eine 42-jährige Frau aus Donauwörth kümmerte sich über Jahre um einen älteren, hilfsbedürftigen Mann – freiwillig, unbezahlt, aus Mitgefühl. Doch als das Vertrauen in eine Generalvollmacht mündete, nützte die Frau dies in finanzieller Hinsicht aus. Insgesamt 110.000 Euro brachte sie zwischen 2021 und 2023 an sich. Jetzt wurde sie zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.
Von Hilfe zum Handeln in eigener Sache
Die heute 42-Jährige lernte den späteren Geschädigten über ihre Mutter kennen, die wiederum über eine Partnervermittlung mit ihm in Kontakt gekommen war. Nach einem Sturz des Mannes rief die Mutter ihre Tochter zu Hilfe und von da an übernahm die Frau immer mehr Aufgaben: Einkäufe, Wäsche, Betreuung, sogar gemeinsame Restaurantbesuche. Alles zahlte sie zunächst aus eigener Tasche. Zwischen beiden entstand eine enge, freundschaftliche Beziehung.
Als der alleinstehende, zunehmend verwirrte Mann 2021 nach einem Oberschenkelhalsbruch in die Kurzzeitpflege kam, verkaufte die Frau sein renovierungsbedürftiges Haus, um die Seniorenresidenz bezahlen zu können. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Mann ihr bereits eine Generalvollmacht erteilt. Auch als er in die stationäre Pflege kam, behielt sie die Verantwortung: Der Pflegedienstleiter der Residenz Brenzblick beschrieb den Zustand des Mannes zu Beginn seines Aufenthaltes als besorgniserregend: Er habe an seinem Katheter gezerrt, wirr geredet und konnte Entscheidungen nicht mehr eigenständig treffen. Bei einem Demenztest erreichte er nur 16 von 30 Punkten – ein Zeichen für mittelschwere Demenz.
Falscher Partner, Drogen und ein Leben außer Kontrolle
Sorgen um den Zustand des zu verkaufenden Hauses führten dazu, dass die Angeklagte sich einem Arbeitskollegen anvertraute. Der stellte ihr schließlich ihren späteren Lebensgefährten vor – einen Mann, der Betäubungsmittel mit in die Beziehung brachte. Bald konsumierte die Frau regelmäßig Kokain, verlor ihren Führerschein und zunehmend die Kontrolle über ihr Leben.
Gläubiger und Schuldiger verschmelzen zu einem.
Richter Rainer Feil
Von März 2021 bis März 2023 veruntreute die 42-Jährige insgesamt 110.000 Euro vom Konto des Pflegebedürftigen. Es stellte sich heraus, dass sie 10.000 Euro auf das Konto ihres Partners überwies, um ihm eine Haftstrafe zu ersparen. Dabei schöpfte sie weiter vom Konto des Pflegebedürftigen. Die Angeklagte räumte ein, dass sie den Verdacht habe, ihr Lebensgefährte habe das Geld zur Seite geschafft. Ab 2022 wurden auch die Heimkosten des pflegebedürftigen Mannes nicht mehr beglichen. Angaben eines Pflegers zufolge fehlen bis heute immer noch 12.000 Euro. Tag und Nacht wollte die Angeklagte über Entwicklungen informiert werden, doch als schließlich keine Zahlungen mehr ankamen, war sie nicht mehr erreichbar.
Mildes Urteil trotz großer Schuld
In der Urteilsbegründung betonte Feil, dass er zunächst von einer „skrupellosen Betrügerin“ ausgegangen sei. Doch durch das umfassende Geständnis und die deutlich erkennbare Einsicht habe sich dieses Bild relativiert. Bemerkenswert: Die Angeklagte ist heute Alleinerbin des verstorbenen Opfers – und erbte damit auch die entstandenen Schulden. „Gläubiger und Schuldiger verschmelzen zu einem“, so Richter Rainer Feil. Denn obwohl die Frau das Geld veruntreute, ist sie nun die Alleinerbin des verstorbenen Opfers – und muss somit selbst für die entstandenen Schulden aufkommen.
Die Staatsanwaltschaft forderte eine zweijährige Freiheitsstrafe auf Bewährung sowie 6.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung. Die Verteidigung plädierte auf eine Strafe von einem Jahr und sechs Monaten zur Bewährung, im Hinblick auf ihre aktuelle Lebenssituation: Sie sei drogenfrei, habe einen Job, stehe wieder „auf guten Beinen“.
Letztlich entschied sich das Schöffengericht für eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, ausgesetzt auf zwei Jahre zur Bewährung. Zusätzlich muss die Frau 3.000 Euro an einen Hilfs- und Wohltätigkeitsverein in Heidenheim zahlen. In der Urteilsbegründung hob das Gericht hervor: Der Tatzeitraum sei lang, der Schaden beträchtlich und das Opfer besonders schutzbedürftig gewesen. Doch das umfassende Geständnis, die erkennbar tiefe Reue, die fehlenden Vorstrafen sowie drohende Folgen für ihren Arbeitsplatz hätten strafmildernd gewirkt.
Was ist eine Generalvollmacht?
Eine Generalvollmacht gehört zu den umfangreichsten Vollmachten und ermöglicht es einer Person, sich in vielen Lebensbereichen vertreten zu lassen. Sie wird in der Regel erteilt, wenn jemand nicht mehr in der Lage ist, selbst Entscheidungen zu treffen – etwa aufgrund einer Krankheit, eines Unfalls oder altersbedingt. In einem solchen Fall hat der Betroffene ohne Vollmacht keine Möglichkeit, seinen Willen durchzusetzen.