Mit sieben Kindern zogen Almuth und Dr. Joachim Kummer vor 14 Jahren in das Gebäude an der Tanzlaube 1 – Giengens Pfarrhaus, das der Großfamilie reichlich Platz bot. In den nächsten Tagen müssen dort noch einige Kisten gepackt werden, denn Pfarrer Dr. Joachim Kummer ist seit Mittwoch dieser Woche Dekan in Aalen, der Lebensmittelpunkt wird künftig in Heidenheim sein. Die Eltern und die zwei jüngsten Kinder ziehen ins – deutlich kleinere - Pfarrhaus bei der Pauluskirche. In Giengen sind die Kinder groß beziehungsweise erwachsen geworden, Almuth Kummer wurde selbst Pfarrerin in Heidenheim und aus Eltern wurden Großeltern.
Es sind noch wenige Wochen bis zum Umzug, wie stark macht sich bei Ihnen beiden der Abschiedsschmerz schon bemerkbar?
Dr. Joachim Kummer: Er kommt immer mal wieder, je nachdem, was man gerade macht. Ich bin derzeit ziemlich eingespannt, aber bei jedem Gespräch und jedem Besuch ist es schon so, dass da Emotionen sind. Es war mir aber immer bewusst, welche Vorzüge man hier verliert in Giengen. Die haben wir täglich genossen.
Almuth Kummer: Hier auszuziehen und aus Giengen wegzuziehen schmerzt schon. Es wird eine große Umstellung, auch wenn wir künftig an meinem Arbeitsplatz leben werden. Wir sind hier sehr verwurzelt und bestimmt nicht ganz weg. Ein Kind bleibt in Giengen in der Schule und ich habe zumindest noch dieses Schuljahr Unterricht hier und bleibe auch der Tennisabteilung treu.
Für Sie, Herr Kummer, wird der Schnitt größer, ist Ihnen das klar?
Dr. Joachim Kummer: Ja, schon. Seit der Wahl zum Dekan in Aalen Ende Mai bin ich schon viel in Aalen und Schwäbisch Gmünd unterwegs. Ich bin schon ein wenig zweigleisig gefahren und spüre die Veränderungen natürlich. Als ich mich für das Amt des Dekans beworben habe, musste ich vieles von dem, was mir in und an Giengen gefällt, verdrängen.
Was wird sich in Ihrer Arbeit verändern?
Dr. Joachim Kummer: Ich werde in unendlich vielen Besprechungen sitzen. Es geht zum Beispiel um Diakonie, Erwachsenenbildung, Kindergartenträgerstruktur, Visitationen von Kirchengemeinden. Und man muss einiges zusammenführen in den Bezirken Aalen und Schwäbisch Gmünd. In beiden Bezirken habe ich drei Stellvertreter. Es ist eine große Gruppe.
Eine große Gruppe ist ein gutes Stichwort. Sie sind zu neunt in den Herbstferien 2011 in Giengen eingezogen und ziehen in den Herbstferien 2025 wieder aus. Was war prägnant in der Zeit dazwischen?
Dr. Joachim Kummer: Mir war das Grundlegendste, also die Gottesdienste, am wichtigsten. Ich hatte hier einen starken Rückhalt. Ich habe keine großen Überraschungen erlebt, trotz aller Veränderungen bei Pfarrern, die kamen und gingen und sich verändernden Gebieten, für die ich zuständig war. Prägnant und schön waren und sind einzelne Begegnungen. Zum Beispiel der Besuch bei einer 99-jährigen Frau vor einigen Tagen, oder wenn ich alljährlich beim Altpapiersammeln mithalf und die Leute zweimal hinschauen mussten, wer da hinten auf dem Wagen steht.

Almuth Kummer: Wir hofften zu Beginn natürlich, dass wir uns gut einleben. Das ist gut geglückt. Ich habe mich in vielfältiger Weise hier engagiert, auch im Gemeinderat. Wir sind in vieles gut reingewachsen.
Wie gehen die Kinder mit dem Umzug um?
Almuth Kummer: Dadurch, dass wir nicht so weit wegziehen, ist das nicht so ein großes Problem. Einer wird in die Schule pendeln. Und beide sind in Heidenheim schon durch den Fechtsport verwurzelt.
Und wie ist es für die anderen, die schon ausgezogen sind?
Almuth Kummer: An Weihnachten, wenn alle da sind, müssen wir erstmal schauen, ob alle ins andere Haus hineinpassen. Ich denke aber, das mit dem Umzug werden alle erst nach und nach realisieren. Einer unserer Söhne ist derzeit im Auslandsstudium in Stockholm. Als er zuletzt da war und wieder ging, war klar, dass er nicht mehr hier ins Haus kommen wird. Das machte dann schon ein wenig nachdenklich.
Dr. Joachim Kummer: Die Kinder verlieren natürlich ein Stück weit das Elternhaus. Es ist ihre Heimat. Als wir aus dem Schwarzwald nach Giengen kamen, hatten alle Kinder auf einmal ein eigenes Zimmer, da waren alle hochbeglückt.
So ein Pfarrhaus wie das in Giengen ist also eine Besonderheit?
Dr. Joachim Kummer: Auf jeden Fall. Nicht nur wegen der Größe, sondern auch, weil auch das Büro am gleichen Ort ist. Das ist heute nicht mehr selbstverständlich.
In Heidenheim im Pfarrhaus ist nicht so viel Platz. Sie werden sich von Sachen trennen müssen?
Dr. Joachim Kummer: Wir werden uns verkleinern. Ich komme mir mit meinen Büchern vor wie Jakob, der seine Familie in zwei Lager aufteilt, falls sein Bruder Esau angreift. Ich schaue jetzt schon, was nach Aalen kann, was nach Heidenheim, was nach Schwäbisch Gmünd.
Es hört sich nach vielen Büchern an?
Almuth Kummer. Es sind schon viele.
Dr. Joachim Kummer: Es sind ein paar Tausend. Ich habe allein 20 Kartons mit Predigtliteratur, habe aber auch vieles geerbt von Kollegen meines Vaters, der auch Pfarrer war.
Es kommt also noch ein wenig Arbeit auf Sie zu in den nächsten Wochen.
Dr. Joachim Kummer: In der Tat.
Wie zieht man um als Pfarrer-Familie? Gibt es da einen Dienst?
Dr. Joachim Kummer: Man fragt Unternehmen an. Die Verwaltungsvorschriften haben sich da zuletzt mehrfach geändert und die Zuschüsse, die es pro Quadratmeter und Kind gibt, haben sich verringert.
Hätten Sie, Frau Kummer, nicht einfach die Stelle ihres Mannes übernehmen können? War das eine Überlegung?
Almuth Kummer: Ich bin in Heidenheim als Pfarrerin sehr glücklich. Da ist alles super. Nein, wenn, dann hat das vielleicht jemand mal im Spaß vorgeschlagen. Aber nein, das war kein Thema, zumal meine Investitur in Heidenheim auch nicht so lange zurückliegt.
Was für einer Gemeinde kehren Sie nun den Rücken, was hat sich in den vergangenen Jahren verändert?
Dr. Joachim Kummer: Wenn ich beispielsweise sonntags in der Dreifaltigkeitskirche zum Gottesdienst bin, sind da noch 15 bis 20 Menschen. Viele sind gestorben und wurden von mir beerdigt. Ich sehe sie immer noch vor mir sitzen. Die Bevölkerung ändert sich, auch was ihr Verhalten gegenüber dem Kirchgang betrifft.
Almuth Kummer: Der Zuschnitt der Gemeinde hat sich stark geändert. Mein Mann hatte mit knapp 3000 Gemeindegliedern die größte im Bezirk. Die Stelle auch mit den fünf evangelischen Kindergärten ist eine enorm aufwändige.
Wenn Sie, Herr Kummer, jetzt gehen, entsteht erstmal eine Vakanz. Wie blicken sie darauf?
Dr. Joachim Kummer: Es gibt Kollegen, die jünger sind als ich und aus Giengen kommen. Wenn die selbst keine Lust haben, kennen sie sicher Kollegen, die sie darauf ansprechen können.
Es kommt also auch bei kirchlichen Stellen auf ein Netzwerk an?
Dr. Joachim Kummer: So ist es heute, und das muss gut arbeiten.
Wenn sich jemand bewirbt, was muss er oder sie mitbringen? Was erwartet die Bewerberin oder den Bewerber?
Dr. Joachim Kummer: Er darf keine Angst vor großen Aufgaben haben und kann eine große Familie mitbringen. Ich würde den Schritt nochmal machen, wenn ich in der gleichen Situation wäre wie 2011. Bei unserer Stadtkirche geht einem das Herz auf, auch mit dem einzigartigen Klang der Link-Orgel.
Almuth Kummer: Am ersten Advent sind Kirchenwahlen und da sucht man natürlich Kandidatinnen und Kandidaten. Die Suche ist abgeschlossen und mein Mann hat einige neue gefunden.
Das heißt, der Nachfolger beziehungsweise die Nachfolgerin trifft auf eine lebendige Gemeinde?
Dr. Joachim Kummer: Es sind etliche jüngere nachgekommen, die sich aufstellen lassen, aber auch ältere, die wieder antreten. Wir haben sogar die Anzahl der Sitze im Kirchengemeinderat erhöht. Das ist sehr erfreulich. Der Trend in anderen Gemeinden ist eher, dass man keine Leute findet und Sitze reduzieren muss.
Apropos finden: haben Sie schon eine Alternative für ihre gemeinsame Spazierrunde auf dem Schießberg?
Almuth Kummer: Nein, ich habe mich auch schon gefragt, wo wir das künftig machen werden. Ich werde das sehr vermissen.
Ausschreibung der Stelle im November
Als Nachfolger von Hans-Jörg Mack kam Dr. Joachim Kummer 2011 nach vorherigen Stationen im Schwarzwald im Alter von 42 Jahren nach Giengen. Beim Theologie-Studium hatte er seine spätere Frau Almuth kennengelernt. Die holte nach einer Zweit, in der sie sich vornehmlich der Familie widmete, 2021 ihr zweites Examen ab. Im März 2022 trat sie, inzwischen 53 Jahre alt, an der Heidenheimer Pauluskirche die Nachfolge von Pfarrerin Dorothea Schwarz an, die in den Ruhestand getreten war. Die Investitur erfolgte im zurückliegenden März.
Der Abschiedsgottesdienst von Pfarrer Dr. Joachim Kummer findet am Sonntag, 5. Oktober, um 17 Uhr in der Stadtkirche statt. Es ist der einzige evangelische Gottesdienst an diesem Sonntag. Ein Stehempfang schließt sich an.
Seit Mittwoch dieser Woche ist Dr. Joachim Kummer Dekan in Aalen. Bis zur Ausschreibung der Stelle in Giengen wird noch eine Zeit vergehen. „Wir hatten vor etwa zwei Wochen ein sogenanntes Ausschreibungsgespräch mit der Prälatin. Dabei wurde festgelegt, dass die Stelle Mitte November ausgeschrieben werden soll“, sagt Kirchengemeinderat Martin Hörsch. Der späte Zeitpunkt hänge mit den anstehenden Kirchengemeinderatswahlen zusammen.
Während der Vakanz wird der ehemalige Klinik-Seelsorger Thomas Völklein die Geschäftsführung der Gemeinde in Giengen übernehmen. Er ist Vorsitzender des Leitungsteams der Oase-Gemeinde in Giengen. Völklein werde selbst Gottesdienste übernehmen. Es werden aber, so Hörsch, Vertretungen nötig sein. Zuständig dafür sei das Dekanat in Heidenheim.