Wenn es um invasive Arten geht, sorgen die Nutrias derzeit bundesweit für Schlagzeilen. Die aus Südamerika stammenden Sumpfbiber, auch Biberratten genannt, haben sich in vielen Regionen Deutschlands stark vermehrt. Sie graben weitverzweigte Tunnelsysteme in Flussufern, unterhöhlen Dämme und bedrohen damit nicht nur den Hochwasserschutz, sondern auch die Landwirtschaft. Nach Angaben des SWR berief sich das Landwirtschaftsministerium Baden-Württemberg zuletzt auf Zahlen, wonach im Jagdjahr 2023/2024 bereits mehr als 4800 Tiere erlegt wurden – fast doppelt so viele wie fünf Jahre zuvor. Experten sprechen deshalb von einer rasant fortschreitenden Ausbreitung, insbesondere entlang großer Flüsse wie Rhein und Neckar.
Doch während in manchen Teilen Süddeutschlands bereits Gegenmaßnahmen gefordert werden, zeigt sich die Situation in Giengen deutlich entspannter. „Wir haben momentan kein Nutria-Problem, und ich glaube auch nicht, dass wir uns in Zukunft große Gedanken darüber machen müssen“, sagt Thomas Horsch vom Nabu Giengen. Er verweist darauf, dass Nutrias stetig fließende Gewässer brauchen, um dauerhaft zu überleben. „Bei uns gibt es außer der Brenz kaum Flüsse, die diese Lebensbedingungen bieten.“ Entsprechend selten würden Nutrias hier gesichtet. Horsch selbst habe zuletzt vor rund zehn Jahren im Eselsburger Tal ein Tier gesehen, bei Wildkameras im Stadtgebiet fänden sich dagegen regelmäßig nur Biber und Bisamratten.
Nicht so süß, wie sie aussehen
Dennoch hält er das Thema nicht für völlig irrelevant. Denn die Tiere seien nicht ungefährlich. „Die größten Probleme entstehen, wenn Nutrias ihre Behausungen in Ufer einbauen und dadurch Dämme oder Böschungen instabil werden“, erklärt Horsch. Zudem könnten sie – ähnlich wie Biber und Bisamratten – auf Felder ausweichen und dort Ernten schädigen. Nahrungskonkurrenz gebe es außerdem mit anderen Arten. Allerdings vermutet Horsch, dass Biber, die in der Region deutlich häufiger vorkommen, ihre Reviere verteidigen und Nutrias so verdrängen würden.
Dass Nutrias sich andernorts so stark ausbreiten konnten, hat mehrere Gründe: Laut SWR haben die Nager hierzulande keine natürlichen Feinde und können sich ganzjährig fortpflanzen – mit bis zu drei Würfen pro Jahr. Hinzu kommt, dass sie vielerorts von Menschen gefüttert werden, was die Tiere zusätzlich anzieht.
Naturschutzorganisationen raten deshalb dringend davon ab, die vermeintlich niedlichen Tiere zu füttern. In Giengen dagegen dürfte das Thema einstweilen überschaubar bleiben. „In Giengen sehen wir die Bisamratte als häufigeren Nahrungskonkurrenten zum heimischen Biber“, fasst Horsch zusammen. Während also andere Regionen bereits Maßnahmen zur Eindämmung fordern, bleibt der Sumpfbiber hier bislang ein Randphänomen – auch wenn man seine Entwicklung aufmerksam im Blick behalten will.
Wer ist wer?
Nutrias, Biber und Bisamratten werden oft verwechselt, unterscheiden sich aber deutlich. Während der Nutria – auch Sumpfbiber genannt – etwa so groß wie ein Biber werden kann, verrät ihn sein runder, dünner Schwanz und die auffallend orangefarbenen Nagezähne. Der Biber dagegen ist kräftiger gebaut, erreicht bis zu einen Meter Körperlänge und trägt den charakteristischen breiten, flachen Schwanz. Deutlich kleiner bleibt die Bisamratte, die mit rund 35 Zentimetern Körperlänge eher unscheinbar wirkt und einen seitlich abgeflachten Schwanz hat. Gemeinsam ist allen dreien, dass sie Gänge ins Ufer graben und dadurch Böschungen und Dämme instabil machen können.