Trockenhänge, Heuschrecken und eine große Menge an Engagement: Jetzt lud der Landschaftserhaltungsverband Heidenheim e. V. (LEV) anlässlich des Tags der Artenvielfalt zu einer geführten Wanderung durch das Ur-Brenztal bei Hürben ein. Etwa zwei Stunden lang erhielten die Teilnehmenden Einblicke in die naturschutzfachlich wertvolle Kulturlandschaft und die Arbeit des LEV – praxisnah, anschaulich und mit vielen Stimmen aus der Region.
Los ging's am Parkplatz beim Höhlenhaus. Von dort führte die Wanderung unter der Leitung von Corinna Semle, stellvertretende Geschäftsführerin und Biotopverbundbotschafterin des LEV, und ihrem Kollegen Holger Müller über den Kagstein und den Stettberg durch die Wiesenflächen der ehemaligen Seen zurück zum Ausgangspunkt. Mit dabei waren unter anderem Landrat Peter Polta und LEV-Geschäftsführerin Karin Wüllner. Auch Landwirte, die mit dem LEV in Pflegeprojekten zusammenarbeiten, begleiteten die Tour.
Kulturlandschaft bewahren – was das heißt, sieht man hier
Die Tour war mehr als ein Spaziergang. Sie machte deutlich, wie vielschichtig Landschaftspflege ist – und wie stark sie vom Zusammenspiel aus Landwirtschaft, Naturschutz und Verwaltung lebt. Der LEV Heidenheim hat sich dem Erhalt und der Entwicklung der regionaltypischen Kulturlandschaft verschrieben. Dazu gehören vorwiegend Magerrasen, Heiden, blumenreiche Mähwiesen, Trockenhänge und andere Lebensräume, die durch regelmäßige Pflege erhalten werden müssen – häufig in Zusammenarbeit mit Landwirten.
Wo einst ein Meer war
Der erste Stopp führte die Gruppe an den Kagstein – ein eindrucksvoller Ort mit geologischer Geschichte. „Früher war an der Stelle ein flaches tropisches Meer mit Fischen, Muscheln und Korallen“, erklärte Corinna Semle. Eine versteinerte Koralle machte die Erdgeschichte greifbar. Heute sei das Gebiet Teil eines alten Riffs, das durch Wassermangel stark unter Druck steht. Die Pflanzen, die hier wachsen, seien an extreme Bedingungen angepasst. Artenschutz werde hier zum Beispiel mit gezielter Moosbepflanzung betrieben.

Am zweiten Halt wurde es historisch: Hürben sei früher ein armes Dorf gewesen. Als die einstigen Seen austrockneten, wären die Flächen an die Bürger verteilt, entwässert, gerodet und als Grünland genutzt worden – wenn auch sehr sumpfig. Der Ortsname „Hürben“ stamme, laut Holger Müller, übrigens vom Wort für „schlammiger, schmutziger Boden“. Auf den Wiesen gedeihen viele heimische Pflanzenarten – manche mit heilender Wirkung. So etwa das Immenblatt, das antiseptisch, blutreinigend und krampflösend wirkt.
Es ist schön, es ist Heimat, man fühlt sich verbunden
Holger Müller, Mitarbeiter des LEV
Die Wacholderheide am Stettberg sei eines der bedeutendsten Biotope im Landkreis Heidenheim. Sie stehe exemplarisch für viele flachgründige, nährstoffarme Hänge, die in der Region noch vorhanden sind. „Wir brauchen magere Wiesen“, betonte Holger Müller. „Es ist schön, es ist Heimat, man fühlt sich verbunden.“ Viele dieser Flächen würden heute ohne Pflege verbuschen oder verwalden. Durch Beweidung mit Schafen – die das grüne Pflanzenmaterial fressen – und Ziegen – die sich um die Gehölze kümmern – entstünde ein einmaliges Mosaik an Lebensräumen. „Das ist ein vom Schaf geschaffener Lebensraum“, so Müller weiter.
Refugialflächen – neue Räume für alte Arten
Letzter fachlicher Stopp war die Besichtigung sogenannter Refugialflächen. Hier handle es sich um Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen des Offenlands. „Auf den Wiesen wohnen keine Bienen, sondern Heuschrecken und ein paar Wiesenfalter“, erklärte Corinna Semle. Rund 8500 Heuschrecken mit etwa 15 Arten seien hier gezählt worden. Das Ökosystem befinde sich im Wiederaufbau, auch die natürliche Nahrungskette würde sich sukzessive erholen.
Wir sind den Landwirten sehr, sehr dankbar, ihr Einsatz ist nicht selbstverständlich
Corinna Semle, stellvertretende Geschäftsführerin des LEV
Eine zentrale Rolle spielten dabei die Landwirte, die Flächen zur Verfügung stellen und sie pflegen. Doch der Aufwand sei hoch – die Wiesen würden später gemäht werden, damit Insekten ungestört leben und sich entwickeln könnten. Das bedeute: weniger Heu. Semle betonte daher: „Wir sind den Landwirten sehr, sehr dankbar, das ist nicht selbstverständlich.“

Zusammenarbeit ist der Schlüssel
Als Dienstleister für Natur- und Landschaftsmanagement arbeitet der Verband eng mit Kommunen, Landwirten, Schäfereien, Eigentümern und Naturschutzverbänden zusammen. Die Exkursion hat gezeigt, wie vielschichtig Naturschutz in der Praxis ist – und wie stark er von lokalem Wissen, Engagement und Idealismus lebt. Der LEV Heidenheim bringt dabei viele Akteure an einen Tisch – mit dem Ziel, die wertvollen Lebensräume der Region zu bewahren. Nicht als Selbstzweck, sondern für die Artenvielfalt, für die Kulturlandschaft – und für kommende Generationen.