Gleich mit zwei Neuerungen wartete die Rathausserenade der Stadtkapelle Giengen auf: Erstmals fand sie an einem Sonntagabend statt, und erstmals auch wurde sie durch Solo-Gesangseinlagen bereichert.
Für das Abweichen vom sonst üblichen Samstag als Veranstaltungstermin nannte Vorsitzender Rainer Lorenz zwei Gründe. Zum einen wollte man Neues ausprobieren, zum anderen nicht mit der Giengener Musikschule in Konkurrenz treten, die sich am Samstag bei der Schlossserenade in Brenz präsentierte.
Dass es vor dem Giengener Rathaus in diesem Jahr nicht bei einer rein instrumentalen Vorstellung blieb, hängt mit den beruflichen Verbindungen von Stadtkapelle-Dirigentin Nicole Brendel zusammen. Sie arbeitet als Lehrerin an der Freiherr-von-Stain-Mittelschule in Ichenhausen und weiß dort mit Sekretärin Petra Schwaighöfer eine ausdrucksstarke Sängerin im Kollegenkreis, die sich gerne überreden ließ, bei der Serenade in Giengen mitzuwirken.
Die beiden Auftritte Petra Schwaighöfers zum Schlager „Ich liebe das Leben“ und zu „Gabriellas Sang“ aus dem schwedischen Kinofilm „Wie im Himmel“ waren ein echter Gewinn fürs Konzert. Sie beherrschte nicht nur ihre Stimme, sondern verfügte auch über Bühnenpräsenz und emotionale Ausdruckskraft.
Am Sonntag waren Emotionen gefragt
Und Emotionen waren gefragt am Sonntagabend – vor allem aus femininer Perspektive. „Frauenpower. Klangvoll. Kraftvoll. Weiblich.“, lautete das Motto, das die musikalische Leiterin Nicole Brendel zum roten Faden durch den Konzertabend erkoren hatte. Die Zusammenstellung der zehn Stücke hatte reale Persönlichkeiten wie Kleopatra oder Kaiserin Sissi ebenso zum Inhalt wie fiktive Gestalten vom Rang der hübschen und klugen Belle aus der Erzählung „Die Schöne und das Biest“.
„Wir feiern heute Frauen, die durch Geschichte und Legenden bekannt wurden und Großes geleistet haben. Wir würdigen ihre Stärke, ihre Klugheit, Leidenschaft und ihren Mut“, führte Moderatorin Viktoria Bölli ins Thema ein. Und natürlich passte das auch besonders gut zu Giengen.
Denn dort darf man sich ja gleich dreier Frauen rühmen, die sich als Töchter der Stadt einen großen Namen machten: Margarete Steiff, „Vogelmutter“ Lina Hähnle und die in Burgberg geborene Zoologin Maria von Linden. Zu diesen drei Persönlichkeiten, die allesamt widrigen Lebensumständen oder gesellschaftlichen Vorbehalten trotzten, wurden im Laufe des Konzertes immer wieder Brücken geschlagen.
Wäscheklammern halfen nur bedingt
Wie diese Frauen einst unbeirrt an ihrem Weg festhielten, so mussten auch die Musikerinnen und Musiker der Stadtkapelle am Sonntag gegen einige Störmanöver standhalten. Diese resultierten vorwiegend aus den witterungsbedingten Begleitumständen. Immer wieder blies der böig auffrischende Wind Notenblätter vom Ständer. Wäscheklammern, die dem Davonfliegen entgegenwirken sollten, halfen nur bedingt, denn vor dem Neustart nach der Pause mussten erst einmal umgeblasene Notenständer wieder aufgestellt werden. Auch die tief stehende Abendsonne machte es den 35 Aktiven nicht gerade einfach.
Dabei forderten hauptsächlich die Stücke im ersten Teil der Serenade höchste Konzentration. Nach Hans Hartwigs „Festlicher Serenade“ folgte mit „Cleopatra – The last Queen of Egypt“ ein epochales Zehn-Minuten-Stück, das musikalisch alles beinhaltete, was das Leben der Schönheit am Pharaonenhof ausmachte: Dramatik, Macht, Liebe, Romantik und ein tragischer Tod. Auch das anschließende Stück „One live beautiful“ von Julie Giroux erfordert hohes musikalisches Können, das die Stadtkapelle auch unter den schwierigen Verhältnissen eindrucksvoll nachweisen konnte.
Nach der Pause blieb das hohe Niveau erhalten, obwohl der wechselhafte Wind den knapp 300 Zuhörerinnen und Zuhörern das Klangerlebnis mitunter erschwerte. Das rhythmische Stück aus dem Musicalfilm „Encanto“, das sehnsuchtsvolle „How far I'll go“ der Häuptlingstochter „Vaiana“ aus dem gleichnamigen Kinderfilm berührten ebenso wie das abschließende „The Witch an the Saint“. Das Tongemälde zeichnet die Geschichte zweier Zwillingsschwestern aus Ellwangen nach, die über spirituelle Fähigkeiten verfügen.
Trotz Gegenwind und Gegenlicht: Um eine Zugabe kam die Stadtkapelle auch am Sonntag nicht herum.
Dirigentin Nicole Brendel: „Es macht Spaß“
Im Januar 2024 übernahm Nicole Brendel das Dirigat bei der Stadtkapelle. Die Querflötistin, die in Günzburg wohnt und als Lehrerin in Ichenhausen arbeitet, hatte sich zunächst auf ein zeitlich begrenztes Amt als musikalische Leiterin eingelassen. Aus der „Testphase“ wird nun aber wohl ein dauerhaftes Engagement. „Es macht Spaß und wir haben sehr gut zusammengefunden“, sagte Nicole Brendel am Rande der Rathausserenade.
Dass die Planungen zumindest mittelfristig laufen, wird daraus ersichtlich, dass die Dirigentin bereits am Konzertprogramm für Herbst 2026 arbeitet. Für den Musikvereins-Vorsitzenden Rainer Lorenz steht ohnedies außer Frage, dass es so schnell keinen Stabwechsel mehr bei der Stadtkapelle geben soll: „Nicole darf so lange bleiben, wie sie möchte.“