Täter im Rentenalter

Betrunken auf Sanitäter in Giengen losgegangen: Am Amtsgericht Heidenheim wurden zwei Brüder zu Freiheitsstrafen verurteilt

Zwei Brüder haben stark betrunken nach einer Feier in Giengen Rettungskräfte attackiert, die ihnen zuvor zu Hilfe geeilt waren. Vor dem Amtsgericht räumten sie die Taten ein und zeigten Reue, erhielten aber trotzdem eine Freiheitsstrafe.

Im Rentenalter geraten die meisten Menschen an einem Dienstagnachmittag eher in ein Gespräch mit den Nachbarn, statt in eine körperliche Auseinandersetzung. Vor dem Amtsgericht Heidenheim mussten sich nun aber zwei Brüder verantworten, die im April 2025 zwei Rettungssanitäter tätlich angegriffen haben sollen. Die Staatsanwaltschaft warf den Rentnern gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung sowie einen tätlichen Angriff auf Personen vor, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen. Richter Jens Pfrommer verurteilte beide zu neun Monaten Freiheitsstrafe, die jeweils auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden und legte gemeinnützige Auflagen fest.

Angriff auf Sanitäter

Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft ereignete sich die Tat an einem Nachmittag im vergangenen April in Giengen auf der Carl-Benz-Straße. Einer der beiden Männer sei alkoholbedingt gestürzt und habe dabei eine Kopfverletzung erlitten. Als die gerufenen Sanitäter ihn nach der Erstversorgung zur Überwachung mit in die Klinik nehmen wollten, sei der 72-Jährige aggressiv geworden. Er habe einem der Helfer einen Faustschlag in den Bauch versetzt, während sein Bruder fast zeitgleich gegen den Rücken des Sanitäters trat. Das Opfer habe sich daraufhin vor Schmerzen gekrümmt. Zuvor hatte der verletzte Angreifer versucht, den anderen Sanitäter am Bein zu fassen und ihn zu schlagen. Beide Männer seien zwar stark alkoholisiert gewesen, aber nicht so sehr, dass ihre Steuerungsfähigkeit eingeschränkt gewesen wäre.

Die Verhandlung wurde von Richter Jens Pfrommer geleitet, zudem übersetzte ein Dolmetscher den beiden Angeklagten das Geschehen im Gerichtssaal. Beide gaben an, sich nur bruchstückhaft oder gar nicht an die Tat zu erinnern. Der jüngere, 67-jährige Bruder erklärte, er habe „einen Filmriss“ gehabt, da er auf einer Familienfeier zu viel getrunken habe.

Absprache zwischen den Tätern?

Mehrere Zeugen – darunter die beiden angegriffenen Sanitäter – bestätigten im Wesentlichen die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft. Ein Sanitäter schilderte, die Stimmung sei zunächst ruhig gewesen, habe sich dann jedoch plötzlich verschärft: „Auf einmal habe ich einen Schlag in den Magen bekommen und kurz darauf trat sein Bruder zu.“ Sein Kollege sagte, der Angriff habe „koordiniert“ gewirkt, da die Männer sich zuvor in einer anderen Sprache abgesprochen hätten. Die Polizei, die mit mehreren Streifenwagen anrückte, berichtete von erheblichen Schwierigkeiten bei der Aufnahme des Falls, da die Brüder mit bis zu 2,8 Promille stark betrunken gewesen seien.

Im Verlauf der Verhandlung wurden Entschuldigungsschreiben der Angeklagten vorgelesen. Beide Männer entschuldigten sich zudem persönlich bei den Sanitätern. Der 72-Jährige erklärte, es tue ihm „unglaublich leid“, der 67-Jährige betonte, er schäme sich „furchtbar“ und bat um Verzeihung.

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft sah den Vorfall als erwiesen an und ging von einem abgestimmten Vorgehen aus. Alkohol sei „keine Entschuldigung“. Er forderte für den älteren Bruder zehn Monate Freiheitsstrafe und den jüngeren neun Monate, jeweils zur Bewährung ausgesetzt, obendrein für beide gemeinnützige Zahlungen. Die Verteidiger versuchten, den Tatbestand abzumildern und verwiesen auf den hohen Alkoholisierungsgrad.

Richter Pfrommer findet klare Worte

Richter Pfrommer folgte weitgehend den Forderungen der Staatsanwaltschaft: Beide Brüder wurden wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit tätlichem Angriff auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichgestellt sind, verurteilt. Die Strafe wurde auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. In seiner Urteilsbegründung fand Pfrommer klare Worte: „Jemand kommt, um zu helfen, und bekommt dafür Schläge ab. Das geht einfach nicht.“ Er betonte, dass gerade Angriffe auf Rettungskräfte besonders schwer wiegen: „Es ist besonders mies, Menschen anzugreifen, die helfen wollen.“

Ein Gesetz, das Helfer schützen soll

Die Straftat des tätlichen Angriffs auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichgestellt sind, wurde in Deutschland eingeführt, um Menschen zu schützen, die hoheitliche Aufgaben ausüben, aber nicht offiziell Beamte sind – etwa Sanitäter, Feuerwehrkräfte oder Justizbedienstete. Das Gesetz regelt, dass Angriffe auf solche Personen strafrechtlich ähnlich verfolgt werden wie Angriffe auf Polizisten. Hintergrund ist, dass Helfer im Einsatz häufig besonderen Gefahren ausgesetzt sind und ihre Tätigkeit nicht behindert werden darf. Die Vorschrift soll verhindern, dass Einsatzkräfte bei der Erfüllung ihrer Aufgaben körperlich angegriffen oder eingeschüchtert werden.

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