Pizzeria an zwei Standorten

Beim Stadtfest fing alles an: So verlief der Weg der Familie Margani mit ihrem Sud Italia in Giengen

Heute führt Familie Margani in Giengen eine Pizzeria auf mehreren Stockwerken. Die Anfänge liegen bereits 30 Jahre zurück. Sie waren geprägt von harter Arbeit und weniger von dolce vita.

Erinnerungen, wie alles angefangen hat: Die kommen Giuseppa Rizzo und ihren beiden Kindern Francesca und Giuseppe, wenn sie, wie in diesem Jahr, auf dem Stadtfest in Giengen vertreten sind und dort Aperol und mehr ausschenken. Der Blick zurück ist in diesem Jahr ausgeprägter als sonst.

Denn: Vor genau 30 Jahren hat die Familie Margani-Rizzo in Giengen begonnen, ein italienisches Restaurant zu betreiben, und hat damals wie heute am Stadtfest italienische Spezialitäten angeboten. „Wir waren mit einer Art Imbiss vertreten“, sagt Giuseppa Rizzo, die das benötigte Anmeldedokument der Stadt bis heute aufgehoben hat.

Ins Brenztal kam die Familie von Salvatore Margani bereits 1967 – wie viele andere italienische Landsleute, die nach Giengen zum Arbeiten kamen, aus Gemeinden auf Sizilien wie Mirabella oder San Michele.

1985 verließen die Marganis Giengen, kehrten aber zehn Jahre später zurück und übernahmen die Pizzeria Toni am unteren Ende der Marktstraße. Es sollte der Start einer gastronomischen Reise werden, die von der italienischen und speziell sizilianischen Küche geprägt ist und die bis heute Bestand hat – mit vielen Höhen, einigen Veränderungen, traurigen Momenten und vor allem: viel harter Arbeit. Für das süße Nichtstun, das „la dolce far niente“, blieb anfangs kaum Zeit.

In den Anfangsjahren – auf dem Foto Giuseppe Margani – war die Pizzeria täglich geöffnet – und die Kleiderordnung war noch eine andere. Margani

Sieben Tage die Woche hatte das Sud Italia an der Marktstraße geöffnet. Nach zehn Jahren erlaubte es sich die Familie, die Pizzeria an einem Nachmittag geschlossen zu halten. Der Betrieb des Sud Italia war besonders in den Anfangsjahren eine Familien-Angelegenheit: Papa Salvatore wirkte in der Küche, seine Frau Giuseppa und Sohn Giuseppe sowie Tochter Francesca im Service. Während für Giuseppe immer klar war, dass er gastronomisch arbeiten will, machte Francesca erst eine Ausbildung zur Friseurin, stieg später aber auch im Familienbetrieb ein.

16 Jahre war die Adresse des Sud Italia an der unteren Markstraße – an der Stelle, an der heute ein Neubau steht und im Erdgeschoss ein Metzger einziehen soll. Es gab einen Gastraum, an den sich eine Art Schlauch anschloss. Auf der ganzen Etage gab es lediglich einen Heizkörper. Es waren vielleicht nicht die besten architektonischen Bedingungen für ein Restaurant, doch das Konzept funktionierte. Wobei das Sud Italia damals wie heute immer mehr als die Funktion einer Pizzeria erfüllte und erfüllt: Es war und ist auch ein Ort der Kommunikation und der Integration.

Eigentlich wäre die Familie gerne am Standort an der Markstraße geblieben. „Wir wollten das Gebäude kaufen und modernisieren. Doch das ging nicht. Deshalb haben wir uns nach Alternativen umgesehen und sind an der Hohen Straße im ehemaligen Haus Zabern fündig geworden“, sagt Giuseppe Margani. Nach einigen Monaten der Sanierung wurde neu eröffnet: deutlich moderner und größer als zuvor, was auch die Vergrößerung des Teams nötig machte. Die räumliche Aufstockung des Betriebs über mehrere Etagen war ein Wagnis, das aber aufging. Wie an der Marktstraße lief der Betrieb an der Hohen Straße gut.

Noch bevor allerdings die Corona-Pandemie dazu zwang, die Abläufe zu verändern, ereilte die Familie ein Schicksalsschlag, der bis heute nachwirkt: Der plötzliche und frühe Tod von Familienoberhaupt Salvatore Margani 2018 war vor allem ein emotionaler Kraftakt für alle Angehörigen, riss aber auch in der Pizzeria eine Lücke.

Und dann kamen die Monate der Pandemie, die massive Auswirkungen auf die Gastronomie hatten. „Zuerst fühlten wir uns ohnmächtig. Als die Ohnmacht verflogen war, haben wir uns neu aufgestellt. Wir haben zwei Autos zum Ausliefern angeschafft und die Küche vergrößert. Der Lieferservice war ein Erfolg und hat uns geholfen, durch die Pandemie zu kommen“, so Giuseppe Margani. Als dann wieder geöffnet werden durfte, wurde der Lieferservice eingestellt und sich auf das Geschäft im Restaurant konzentriert.

Giuseppe und Francesca bilden zusammen mit ihrer Mutter das Herzstück. Hinzu kommen mittlerweile langjährige Angestellte und weitere Familienmitglieder, die mitarbeiten.

Eine Familienbande (von links): Giuseppa Rizzo, deren Schwester Isabella, Giuseppe Margani, Francesca Margani und Judith Margani, die Frau von Giuseppe. Margani

Es gibt, so erzählt Giuseppa Rizzo, Gäste, die seit 30 Jahren im Sud Italia essen, trinken und verweilen. Verändert habe sich in all den Jahren, sagt ihr Sohn Giuseppe, dass sich die Leute früher mehr Zeit für einen Restaurantbesuch genommen hätten: „Zunächst wurde das kürzer, als 2007 das Rauchverbot in Kraft trat. Nach der Corona-Pandemie hat sich verstärkt, dass man nach dem Essen gleich nach Hause geht.“

Seit einiger Zeit besitzt das Sud Italia einen Verkaufswagen, um mobil Getränke wie Aperol Spritz zu verkaufen. Margani

Wie sich das in Zukunft verhält, ist ebenso eine ungeklärte Frage wie die, ob es weitere 30 Jahre Sud Italia geben wird: Aus der dritten Generation der Familie dränge sich noch niemand richtig auf. „Wir werden sehen. Momentan macht es jedenfalls sehr viel Spaß. Und wenn es nicht mehr so läuft wie jetzt, machen wir das eben anders“, so Giuseppe Margani.

Erste Gastarbeiter kamen in den 1950er Jahren

Die Chronik der Stadt vermerkt für den Juli 1960: „In Giengen sind 265 ausländische Arbeitnehmer beschäftigt, davon 139 aus Italien, 75 aus Griechenland, 21 aus Spanien, neun aus Österreich und 21 aus sonstigen Ländern.“ Im Mai 1963 gründeten die italienischen Arbeitnehmer in Giengen den Verein Centro Italiano Cristobal Colombo. Einen Monat später öffnete das erste italienische Eiscafé: das Venezia.

Für Mitte März 1981 vermerkt die Chronik: „Die italienische Kolonie Giengen, zu der rund 600 Personen zählen, eröffnet in der ehemaligen Stadtbücherei am Schwibbogenplatz ihr Centro Italiano“ – dort steht es auch heute noch.

Im Vorgriff auf die viele Jahre später vollzogene Städtepartnerschaft erhielt im Juni 1996 Bürgermeister Siegfried Rieg aus der Hand des italienischen Generalkonsuls Pierluigi Velardi in Stuttgart den hohen Verdienstorden „Ordine Al Merito della Repubblica Italiana“. Diese Ehrung geht auf den Vorschlag von Maria und Luigi Geraci zurück, die im Namen der in der Stadt wohnenden Bürger aus der italienischen Gemeinde San Michele di Ganzaria handelten.

Die ersten Italiener waren wahrscheinlich aber schon 1902 in Giengen: Der 15 Meter hohe Turm des Schwäbischen Albvereins auf dem Schießberg wurde der Chronik zufolge von Italienern errichtet.

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