Üblicherweise gibt es bei den Sitzungen des Dettinger Ortschaftsrats eine Zuhörerin aus der Bürgerschaft, manchmal auch ein paar. Aber dass, wie es am vergangenen Mittwochabend der Fall war, die drei Sitzreihen im Vereinsraum der Lindenhalle nicht ausreichen, kommt nur äußerst selten vor. Der Grund wurde jedem Besucher der Sitzung schnell beim Weg über den Vorplatz der Halle klar. Hier versammelten sich in der Abenddämmerung mehrere dutzend Windkraftgegner, mit Transparenten, mit Aufschriften wie „Keine Vogelschredder im Teichhau“ und Rufen wie „Nein zur Umweltzerstörung“. Wer die Halle betreten wollte, musste erst ihr nahe dem Eingang immer enger werdendes Spalier durchschreiten.
Als sich schließlich alle Zuhörer und Ortschaftsräte im Vereinsraum eingefunden hatten, verlief die Sitzung wie in der Tagesordnung vorgesehen, wenn auch vielleicht mit ausführlicheren Erklärungen als üblich. Bauamtsleiter Hannes Bewersdorff nahm sich viel Zeit, um zu erklären, wofür die „Anhörung des Ortschaftsrates über das gemeindliche Einvernehmen zum Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung“ da sei und wofür nicht.
Dass es bei dem Thema um die fünf geplanten Windkraftanlagen im Teichhau-Wald gehe, sei wohl allen Anwesenden wohlbekannt, so Bewersdorff. Die Anlagen lägen in einem rechtskräftig ausgewiesenen Vorranggebiet. Bei der Ausweisung im Jahr 2014 haben man bereits ähnliche Debatten gehört wie die im laufenden Jahr. Damals seien auch die Fragen beantwortet wurden, ob so ein Projekt Sinn mache und wie sich das Landschaftsbild dadurch verändern werde.
Widerspruch nur aus dem Gesetz begründbar
Nun beziehe sich der Planer – gemeint ist der Freiburger Energieversorger Badenova – auf das damals geschaffene Baurecht. Die Rolle der Gemeinde Gerstetten sei es, ihr Einvernehmen zu erteilen, da Bauvorhaben im Außenbereich laut der Rechtslage „im Einvernehmen mit der Gemeinde“ geschehen sollen. „Die Gemeinde ist in ihrer Zu- oder Absage aber an Recht und Gesetz gebunden“, führte Bewersdorff aus. Sie könne nur Dinge anmerken, die im unvereinbaren Widerspruch mit gemeindlichen Interessen stehen würden und sich aus Paragraf 35 des Baugesetzbuchs begründen lassen.
„Allein die Beeinträchtigung eines öffentlichen Belangs reicht noch nicht aus, weil Windkraft im Außenbereich eine privilegierte Nutzung ist“, sagte Bewersdorff, vergleichbar mit Forst- oder Landwirtschaft. Weil diese Dinge im Innenbereich nicht gewollt sind, seien sie im Außenbereich gesollt. Die jeweiligen Projektierer hätten dann auch ein Recht darauf, ihre Vorhaben umzusetzen. Argumente dagegen gebe es derweil immer, aber eben nicht immer unvereinbare.
Eigenwirtschaftlichkeit wird nicht geprüft
Ganz abgesehen davon steht die Gemeindeverwaltung laut Bewersdorff schon seit längerer Zeit im Austausch mit dem Verein Pro Teichhau. „Vieles von dem, was argumentiert wird, hat planungsrechtlich keinen Belang oder keine Grundlage“, sagte Bewersdorff. Die generelle Wirtschaftlichkeit der Windkraftanlagen sei rechtlich dargestellt, die Eigenwirtschaftlichkeit beim Betreiber werde nicht geprüft. „Aber jeder, der schon einmal versucht habe, an einen Kredit zu kommen, weiß, dass er einen Nachweis führen muss, wie er das Geld zurückzahlen will.“
Die Möglichkeit zur Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens bestehe aus seiner Sicht, die der Verweigerung sehe er nicht, sagte Bewersdorff zum Abschluss seiner Darstellung, die teils wegen lautem Gemurmel oder Zwischenrufen aus den Reihen der Zuhörer nur schwer zu verstehen war.

Klima- oder Umweltschutz?
Auf diese umfangreiche Darstellung gab es nur wenig Rückmeldungen aus den Reihen der Ortschaftsrätinnen und Ortschaftsräte. Dagmar Schröm jedoch nutzte die Gelegenheit, um eine Stellungnahme zu verlesen, die sie sich laut eigener Aussage „vom Herzen geschrieben“ hatte.
Im Folgenden nannte Schröm die Energiewende „eine der größten Herausforderungen unserer Zeit“. Jeder und jede einzelne trage Verantwortung für das Klima, aber auch für den Schutz der Landschaft und der Umwelt. „Windkraft wird vom Gesetzgeber als im überragenden öffentlichen Interesse eingestuft“, so Schröm weiter, Landschaftsbild, Naherholung und der Charakter der Region würden daneben kaum eine Rolle spielen.
Bürgermeister Matthias Heisler habe in der Vergangenheit mehrfach betont, dass das Projekt rechtlich korrekt sei. Formal möge das auch stimmen, sagte Schröm, „aber ist es moralisch vertretbar, Windräder mit einer Gesamthöhe von 263 Metern direkt in die Nähe eines Naturschutzgebiets zu stellen?“ Das Eselsburger Tal sei nicht nur irgendein Tal, sondern eine besondere Landschaftsform, die jedes Jahr tausende Besucher anziehe. „Wenn wir zulassen, dass Windkraftanlagen dort errichtet werden, riskieren wir nicht nur ökologische Schäden, sondern auch den Charakter und die Anziehungskraft der Region.“
Schröm befürchtete zudem einen Wertverlust der Grundstücke im Dettinger Neubaugebiet mit „direkter Sichtachse“ auf die Windkraftanlagen und erklärte, dass noch nicht final geklärt sei, wie die technische Infrastruktur für die Windräder, also Anschlüsse und Stromtrassen aussehen werde. „Ist dieser Schritt wirklich der richtige für unsere Zukunft?“, fragte Schröm abschließend.
Heisler sieht sich nicht als passenden Adressat
Matthias Heisler, der in der Stellungnahme erwähnt wurde und der Sitzung des Ortschaftsrates beiwohnte, ging kurz auf die Stellungnahme ein: „Ich bin nicht der richtige Adressat für diese Fragen. Wenn sie Herrn Bewersdorff zugehört hätten, müssten sie die nicht stellen“, so Heisler, während Teile des Publikums ihrem Unmut mit Ausrufen Luft machten. „Sie sitzen als gewählte Volksvertreterin in diesem Gremium und haben einen Eid auf Recht und Gesetz abgelegt“, sagt Heisler an Schröm gerichtet. „Sie haben das Recht, dagegen zu sein, aber jenes Recht haben alle Anderen auch.“
Dettingens Ortsvorsteherin Silke Schock beendete den Tagesordnungspunkt mit der Aussage, dass man, den Worten von Bewersdorff folgend, wohl damit leben müsse, dass der Windpark komme. Der Ortschaftsrat soll sich ihrer Meinung nach dafür einsetzen, dass der Radweg durch den Teichhau nach den Bauarbeiten wiederhergestellt wird.
Mehr als 1000 Unterschriften gegen den Windpark
Die Mitglieder des Vereins Pro Teichhau sammeln noch bis November Unterschriften gegen den Bau eines Windparks im Teichhau. Bis zum 15. Oktober waren die Listen laut Anja Schumacher, der Vorsitzenden des Vereins, auf 1040 Unterschriften angewachsen. Bereits im September wurde eine damals noch kürzere Liste mit laut Schumacher 950 Unterschriften an Gerstettens Bürgermeister Matthias Heisler übergeben. Der Gemeinderat wird in seiner nächsten Sitzung am Dienstag, 21. Oktober, um 18 Uhr im Gerstetter Rathaus sowohl über die Unterschriftenliste sprechen als auch über das Baugesuch für die Windkraftanlagen abstimmen.