Die Gemeinde Gerstetten muss in den nächsten Jahren mit weniger Geld wirtschaften als gedacht. 2,6 Millionen sind es, die abhandengekommen sind; das Konto, auf dem diese liegen sollten, existiert nicht. Dafür verantwortlich ist laut Bürgermeister Matthias Heisler ein ehemaliger Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung, der das Geld über einen Zeitraum von 25 bis 30 Jahren veruntreut haben soll.
„Im Prinzip hat er Scheinbuchungen durchgeführt“, sagt Heisler, auf ein Vermögenskonto, von dem die Gemeinde stets dachte, dass es Teil der Rücklagen sei. Natürlich sei das System im Detail etwas komplexer gewesen, der Beschuldigte habe es auch an das früher genutzte Buchhaltungssystem der Kameralistik und das neue System der Doppik angepasst. Der in der Kämmerei angestellte Mann habe die Abläufe dort sehr gut gekannt.
Umstellung in der Buchhaltung lässt den Schwindel auffliegen
Die Umstellung zur doppelten Buchhaltung sei dem Beschuldigten aber letztlich doch zum Verhängnis geworden, erklärt Heisler. Denn dafür musste eine Eröffnungsbilanz angefertigt werden, die alle Besitztümer der Gemeinde enthält, von der Straße bis zur kleinen Bargeldkasse. Nach langer Arbeit sei diese Bilanz dann im Januar fertiggestellt worden. „Und da ist das Konto mit drauf“, so der Bürgermeister.
Bei ihrer nächsten Überprüfung würde die Gemeindeprüfanstalt einen entsprechenden Nachweis von der Bank verlangen, welche dann melden müsste, dass das Konto nicht existiert. Das habe auch der Beschuldigte erkannt und eine Nachricht an die Gemeindeverwaltung geschrieben, in der er seine Taten gesteht.
Doch warum war das Fehlen des Geldes vorher niemand aufgefallen? „Für so einen Fall gab es bis dato keinen Kontrollmechanismus – weil es so gut gemacht war“, sagt Heisler. Die Bücher hätten ja zu jeder Zeit gestimmt. Besonders wichtig ist dem 40-Jährigen, dass keinem anderen Mitarbeiter der Verwaltung, der er als neuer Bürgermeister erst seit kurzem vorsteht, ein Vorwurf gemacht wird. „Wenn sämtliche Kontrollmechanismen nicht greifen, wenn jemand mit so einer kriminellen Energie an der Quelle sitzt, dann ist nichts zu machen.“
Weniger Rücklagen, weniger Handlungsspielraum
Das Resultat dieser kriminellen Energie ist, dass das Vermögen der Gemeinde effektiv um 1,6 Millionen Euro kleiner ist als gedacht. Das betreffe zwar keine momentan laufenden Projekte, so Heisler, wohl aber jene, die noch in der Zukunft liegen. Dann müsse man „den Gürtel enger schnallen“.
Ob zumindest ein Teil des Geldes noch auffindbar sein könnte, weiß Heisler nicht. Hier sei man von Staatsanwaltschaft und Polizei abhängig, die im Rahmen eines Strafverfahrens ermitteln, und das noch auf unbestimmte Zeit. Dr. Klaus Schwichtenberg, der stellvertretende Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Ellwangen, gibt folgende Auskunft: „In der Tat wird hier ein Verfahren gegen einen Mitarbeiter der Gemeinde Gerstetten wegen Untreue geführt.“ Weitere Auskünfte könnten wegen der laufenden Ermittlungen nicht erteilt werden.
In Gerstetten erwartet man laut Heisler viel von diesem Verfahren. „Natürlich wollen wir möglichst viel von dem gestohlenen Geld zurück.“
Mitarbeiter klagt gegen Kündigung
Bevor der ehemalige Mitarbeiter der Gemeinde Gerstetten als Angeklagter vor Gericht steht, tritt er erst einmal als Kläger auf: Am Freitag begann ein Verfahren an den Kammern Aalen des Arbeitsgerichts Stuttgart, in dem er gegen die außerordentliche und fristlose Kündigung klagt.
Sein Anwalt führte an, dass es sich bei der Veruntreuung um ein „krankheitsbedingtes Fehlverhalten“ handle. „Dass das auf den ersten Blick unschön ist, wissen wir alle“, so der Anwalt weiter. Nun wolle sein Mandant aber dabei helfen, den Schaden wiedergutzumachen. Die Möglichkeit, das direkt bei der Gemeinde zu tun, sei ihm durch die Kündigung genommen worden.
Dr. Frank Hahn, der Anwalt der Gemeinde Gerstetten, wies darauf hin, dass der ehemalige Mitarbeiter während seiner Zeit bei der Gemeinde nie durch Krankheitssymptome oder Fehltage aufgefallen sei. „Die Gemeinde geht davon aus, dass er schuldhaft geklaut hat“, sagte Hahn.
Richterin am Arbeitsgericht Görke fügte hinzu, dass die Gemeinde nicht davon ausgehen könne, dass die angeführte Erkrankung inzwischen verschwunden sei. Dem entgegnete der Anwalt des Ex-Mitarbeiters, dass der Mann sich seit Mitte Februar in Behandlung befinde und auch bereits eine Reha beantragt habe.