Zweiter Anlauf

Klappt es diesmal mit der Windkraft im Teichhau bei Dettingen?

Ein Freiburger Energieunternehmen plant im Waldgebiet Teichhau bei Dettingen den Bau von sechs Windkraftanlagen. Die wichtigsten Fragen wurden jetzt dem Gemeinderat und interessierten Bürgern erläutert.

Manchen dürfte es vorkommen wie ein Déjà-vu: Windkraftanlagen im Teichhau bei Dettingen. Nachdem entsprechende Pläne der ENBW/ODR im Jahr 2017 endgültig gescheitert waren, hatten die Gegner gejubelt – und die Befürworter die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Jetzt wird es wieder spannend: Der Freiburger Energieversorger Badenova unternimmt mit seiner Tochter „Das Grüne Emissionshaus“ (DGE) einen neuen Anlauf: Angedacht sind sechs Windkraftanlagen, allesamt auf Dettinger Gemarkung. Die genauen Pläne wurden am Dienstagabend dem Gerstetter Gemeinde- sowie dem Dettinger Ortschaftsrat vorgestellt. Auch im Zuhörerbereich der Dettinger Lindenhalle war es ordentlich voll – rund 50 Bürgerinnen und Bürger interessierten sich für die Ausführungen von Tamara Raschhofer und Kai Bekel von der DGE. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie hoch sind die Anlagen, die gebaut werden sollen?

Für einen genauen Typ hat man sich laut Projektleiterin Tamara Raschhofer noch nicht entschieden. Zur Auswahl stehen: Vestas V172 mit einer Nabenhöhe von 175 Metern und einer Gesamthöhe von 261 Metern, Enercon E175 (162 Meter, 250 Meter) und Nordex N175 (179 Meter, 265 Meter). Alle drei Anlagentypen, so Kai Bekel, zählen zum Neuesten, was der Windenergiemarkt derzeit zu bieten hat. Es sei daher unwahrscheinlich, dass noch höhere Anlagen gebaut werden.

Wie weit sind die Anlagen von den Ortschaften entfernt?

Von Dettingen soll die nächstgelegene Anlage 1000 Meter entfernt sein, der Abstand zu einigen Einzelgehöften beträgt laut Raschhofer circa 850 Meter. Die Entfernung zu Eselsburg soll 1,5 Kilometer betragen, zum Eselsburger Tal 700 bis 800 Meter. Herbrechtingen liegt den Berechnungen der DGE zufolge in 3,8 Kilometern Entfernung. Vier der sechs geplanten Anlagen haben einen Standort im Wald, zwei im Offenland.

Nicht jedem gefällt das Wiederaufflammen der Windkraftpläne. Vor der Lindenhalle wurde am Dienstag protestiert. Laura Strahl

Wann könnten die Windkraftanlagen in Betrieb gehen?

Im Idealfall, so berichtete Raschhofer, könnten sich die Rotoren Ende 2026 drehen. Aktuell plant die DGE, den Genehmigungsantrag noch diesen Sommer zu stellen. Bereits abgeschlossen ist die artenschutzrechtliche Prüfung des Geländes, weitere Gutachten sollen folgen.

Ist man sich den besonderen Bodenverhältnissen im Teichhau bewusst?

An allen sechs Standorten sind laut DGE Bodenuntersuchungen nötig. Aktuell überlege man, diese Untersuchungen vorzuziehen, um früher über etwaige Probleme Bescheid zu wissen, so Raschhofer. Sollten Höhlen oder Dolinen gefunden werden, müssten diese verfüllt werden, so Bekel weiter. Statiker würden den gesamten Prozess über beteiligt.

Welche Ausgleichsmaßnahmen würden auf den Windradbau folgen?

Eingriffen in die Natur muss die DGE sogenannte Ausgleichsmaßnahmen folgen lassen. Ein Beispiel dafür ist laut Raschhofer der Waldumbau, also die forstwirtschaftliche Veränderung von Waldgebieten. Dabei soll ein Wald etwa durch die Pflanzung anderer Baumarten besser für die Zukunft aufgestellt werden.

Welches Mitspracherecht hat die Gemeinde Gerstetten?

Das Gelände, auf dem die Windkraftanlagen entstehen sollen, gehört Forst BW. Die Gemeinde kann auf die Pläne daher keinen direkten Einfluss nehmen. Im Zuge des Verfahrens kann sie aber als sogenannter Träger öffentlicher Belange eine Stellungnahme abgeben. Auch die Stadt Herbrechtingen hat dieses Recht.

Wie würde die Gemeinde Gerstetten finanziell profitieren?

Raschhofer sprach von vier möglichen Einnahmequellen. Neben der Gewerbesteuer nannte sie die indirekte Wertschöpfung für den Fall, dass im Zuge der Bauarbeiten Unternehmen aus der Region beauftragt werden. Dazu komme eine kommunale Abgabe nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), die Gemeinden im Umkreis von 2,5 Kilometern rund um die Anlagen zusteht. Rechnen könne man hier mit 144.000 Euro pro Jahr. Davon entfallen laut Raschhofer 54 Prozent, sprich 77.000 Euro, auf Gerstetten. Sollte sich die Gemeinde an der zu gründenden Projektgesellschaft beteiligen, also dort Anteile zeichnen, sei zudem mit einer Gewinnausschüttung zu rechnen. Dazu Kai Bekel: „Die Gemeinde ist eingeladen, Miteigentümerin zu werden“, gleiches gelte für Unternehmen und Gewerbetreibende sowie bereits bestehende Bürgerenergiegesellschaften. Die Mehrheit der Anteile soll aber in jedem Fall bei der Badenova bleiben.

Wie könnten Bürger profitieren?

Hier ging Bekel kurz auf eine geplante Plattform ein, über die sich Bürger beteiligen und eine feste Rendite bekommen können. Genaueres könne er zum jetzigen Zeitpunkt dazu allerdings nicht sagen, da noch nicht sicher sei, ob sich dieses Modell tatsächlich umsetzen lasse.

Wären die Windräder aus Sicht des Landesdenkmalamts kein Problem mehr?

Laut Raschhofer steht die DGE mit dem Landesdenkmalamt im Austausch. Aktuell sei die Positionierung der Behörde noch unklar, bei der DGE sehe man aber keinen Konflikt wegen der zum Unesco-Weltkulturerbe erklärten Vogelherdhöhle. Seit der Ablehnung der ersten Windkraftpläne, so Raschhofer weiter, habe es eine Änderung des EEG gegeben, die dem Ausbau erneuerbarer Energien ein „überragendes öffentliches Interesse“ einräume. Bei der Abwägung von Gründen, die für oder gegen den Bau von Windkraftanlagen sprechen, sollen Genehmigungsbehörden erneuerbare Energien seither als vorrangig betrachten.

Gibt es Bedenken, weil die A7 als Einflugschneise für den Flugbetrieb auf der Irpfel genutzt wird?

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens will die DGE auf die Luftfahrtsicherheitsbehörde zugehen.

Spielt die Veränderung des Landschaftsbilds eine Rolle?

„Das Tal ist geschützt, aber nicht der Blick aus dem Tal heraus“, sagte Raschhofer. Zudem werde vom Tal aus ohnehin relativ wenig zu sehen sein.

Welche Vorkehrungen gibt es gegen Schatten- und Eiswurf?

„Durch Sensoren weiß die Anlage, wann die Sonne scheint“, daraufhin schalte sie sich nach kurzer Reaktionszeit ab. Das erklärte Kai Bekel und nannte zudem eine Gesetzesvorgabe, laut der ein Wohnhaus pro Jahr maximal acht Stunden lang von Schattenwurf betroffen sein dürfe. „In Dettingen gehe ich nicht davon aus, dass das ein Thema sein wird“, so Bekel. Kurzzeitig sei Schattenwurf bei Sonnenauf- und -untergang aber möglich. Eiswurf werde ebenfalls durch entsprechende Sensorik verhindert.

Wie lange würden die Anlagen laufen und was passiert mit ihnen, wenn sie ausgedient haben?

Die DGE will laut Raschhauer eine auf 30 Jahre befristete Genehmigung beantragen. Danach sei denkbar, die Anlagen durch neue zu ersetzen oder diese komplett rückzubauen. In diesem Fall würden alle Bestandteile der Anlagen entfernt, also auch das Fundament und die Kabel. Was recycelt werden kann, werde recycelt. Der Rest verbrannt. Bezahlt wird der Rückbau von der Betreibergesellschaft. „Wir müssen dafür beim Landratsamt eine Rückbaubürgschaft hinterlegen“, sagte Bekel.

Wie positioniert sich der Gemeinderat?

Die Mitglieder des Gemeinderats haben den Projektverantwortlichen in der Sitzung am Dienstag sehr viele Fragen gestellt. Letztlich einigte sich das Gremium auf den Beschluss, das Projekt zur Kenntnis zu nehmen und die windenergetische Nutzung im Waldgebiet Teichhau weiterhin zu befürworten. Der Beschluss wurde bei zwei Gegenstimmen und vier Enthaltungen mehrheitlich angenommen.

Wiederauferstehung der Bürgerinitiative?

Mit Plakaten vertreten war am Dienstag auch eine Gruppe von Gegnern der Windkraftpläne im Teichhau. „In den Wald gehören Bäume“ war da zu lesen. Oder: „Stoppt die Zerstörung des Waldes“. An die Mitglieder des Gemeinderats verteilten die Protestierenden ein Schreiben, auf dem um eine Ablehnung des Vorhabens geworben wird. „Die Bürger von Dettingen, Anhausen, Eselsburg und Bissingen sowie ihre Kinder und Enkelkinder werden es Ihnen danken“, war darauf zu lesen. Außerdem Verweise auf „selten gewordene Vogelarten“, die Wichtigkeit von Dolinen für die Entwässerung und sauberes Grundwasser, den Wert von Immobilien in der Nähe von Windkraftanlagen, Mikroplastik, die als zu gering erachtete Windhöffigkeit sowie die als zu enorm erachtete Höhe der Anlagen.

Beim Großteil der Demonstranten, so berichtete einer der Teilnehmer, handle es sich um Mitglieder der Bürgerinitiative, die während der ersten Windkraftpläne aktiv war. Viele der rund 20 Personen kämen aus Dettingen, andere aus Eselsburg und Herbrechtingen. Es sei schwierig zu verstehen, warum jetzt wieder an den Bau von Windkraftanlagen im Teichhau gedacht werden, nachdem das Vorhaben 2017 abgelehnt wurde.

In der Gemeinderatssitzung hatten die Zuhörer keine Möglichkeit, Fragen zu stellen. Dies war im Anschluss an den Vortrag in der Aula der Lindenhalle möglich. Während der Gemeinderat weitere Tagesordnungspunkte abarbeitete, nahmen sich die Referenten der DGE Zeit für die Bürger.

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