Man tut dem Örtchen Ballmertshofen kein Unrecht an, wenn man es als überdurchschnittlich ländlich wahrnimmt. Und doch ist das, ja: Dorf Gastgeber eines ebenso bunt, lebendigen wie langlebigen Festivals, das Gäste von weither anzieht und mittlerweile bereits das Halb-Jahrhundert-Jubiläum plant. Die erste Annäherung an das ländliche Phänomen ergibt sich bei einem hinführenden Bummel über die Parkplätze: Die Autos kommen aus ganz Deutschland, teils gar aus dem benachbarten Ausland.
Was führt die Menschen unterschiedlichen Herkommens und auch ganz unterschiedlichen Alters aufs metropolenferne Härtsfeld? Die Organisatoren versprechen „ein Wochenende des Films, der Freude, der Fantasie“ – doch das ist ein bisschen trocken formuliert, wenn man sich umschaut und das bunte, tiefenentspannte und absolut friedvolle Leben auf dem Gelände rings um das ehemalige Schulhaus beobachtet – und das selbst bei diesmal sehr durchwachsenem Wetter. Bereits am Freitagnachmittag fanden sich viele Besucher ein, die auf von ortsverbliebenen Filmfestfreunden zur Verfügung gestellten Wiesen ihre Zelte oder Wohnmobile aufstellten. Ein bisschen Woodstock gehört hier zur Tradition.
Traditionell werden viele und nicht in jedem Lichtspielhaus zugängliche Filme gezeigt. Im ehemaligen Musiksaal des Schulhauses oder, wenn es geht, gerne auch Openair. Auch solcherlei cineastische Innovationen haben Tradition, wie der Sebastian-Kneipp-Gedächtnislauf, ein Fußballmatch Filmfest gegen Dorf, gemeinsames Essen und dreimal Lagerfeuer – bis jeweils tief in die Nacht.
Das Idol der Filmcrew
Gehuldigt wird in Ballmertshofen dem Säulenheiligen des Filmfests – Bob Dylan. Wie sehr dessen Stern von Anbeginn an das Festival erhellt hat, machte Udo Legner, mit seinen ehedem drei Schwestern, die Köpfe des Festivals, bei seinem „Bob-Dylan-Vortrag“ am Sonntagmittag deutlich – mit Rückblicken, Anekdoten und fotografischen Belegen.
Legner hat am selben Tag Geburtstag wie sein Idol, ist jedoch ein klein wenig jünger. Ein Foto zeigte ihn mit einer Gruppe weiterer örtlicher Fans beim Besuch des ersten Auftritts Dylans in Deutschland, 1978 auf dem Zeppelinfeld Nürnberg: „Nicht zufällig am einstigen Aufmarschort der Nazis“. Dabei hielt die Gruppe ein Banner mit der Aufschrift „Ballmertshofen grüßt Bob Dylan“ hoch. Damals war Legner 24 Jahre alt – also in einem Alter, in dem derlei dorfpatriotische Aufwallungen eher selten sein dürften.
Seither ist die Liebe zum Songpoeten eine „Never ending Story“, die einhergeht, unverbrüchlich mit der „verhaltenen Zuversicht“, der Literatur-Nobelpreisträger, mehrfach eingeladen, möge irgendwann einmal persönlich nach Ballmertshofen kommen: „Vielleicht nächstes oder übernächstes Jahr?“ Musikalisch brillant illustriert wurde Legners Geschichten vom Heidenheimer Folkduo „You`n`me“: Andreas Antoniuk und Riccarda Lang trugen einige Dylan-Songs vor, die selbst sie, nach eigenem Bekenntnis, noch vor wenigen Wochen gar nicht kannten. Auch Finessen der Texte und seiner Biographie kamen dabei zur Sprache.
Das Jubiläum steht bevor
Im Jahr 2027 kann das Filmfest seine 50. Realisierung feiern. Und quasi als Festschrift wird passenderweise ein Film vorbereitet, den der bayerische Filmemacher Walter Steffen (lebt am Starnberger See, war heuer mit seinem Film „Ein stummer Hund will ich nicht sein!“ im Festspielprogramm) verantwortet und der teilweise mit Leader-Geldern der EU finanziert wird. Er war angereist mit einem dreiköpfigen Filmteam, um in Mitschnitten, Interviews und weiteren Aspekten Belege zu sammeln für die Einzigartigkeit dieser dörflichen Kultur-Orchidee.