Nach wenigen Songs hob „Eisbrecher“-Sänger Alexander Wesselsky am Freitagabend beim „Rock am Härtsfeldsee“ zu einer Liebeserklärung mit einer kleinen Spitze an. Wunderbar familiär gehe es im Hintergrund zu, das Essen sei toll, als Musiker fühle man sich wohl – auch wenn man die Sprache vor Ort kaum verstehe.
Die Fans im gut gefüllten Zelt verstanden „Alexx“ umso besser, vom ersten Akkord an hatte „Eisbrecher“ das Publikum im Griff. Flankiert von einer ausgeklügelten Lichtshow und ausgestattet mit sehr druckvollem Sound stampfte das Quintett als Hauptband des Abends durch sein Programm.
„Eisbrecher“ in der Sommerhitze
Mit dem Label „Neue deutsche Härte“ fühlt sich die Band angeblich nicht sehr wohl, allerdings passt diese Schublade nur zu gut: Die kantigen Riffs, starren Beats und elektronischen Elemente vertragen sich gut mit Bands wie „Rammstein“ oder „Oomph!“, letztere waren 2005 zu Gast am Härtsfeldsee.

Allerdings setzten die fünf „Eisbrecher“ inhaltlich weniger auf Kontroversen als auf Refrains, die sich ohne Anlaufschwierigkeiten mitgröhlen lassen. Das tausendstimmige „Himmel, Arsch und Zwirn“ dürfte jedenfalls bis Dischingen, Frickingen und Dunstelkingen zu hören gewesen sein.
Eine halbe Stunde zuvor hatte mit Max Cavalera ein echtes Metal-Chamäleon die Bühne geräumt. Als Mitgründer der Band „Sepultura“ zählte er am Rande zur ersten Welle des Black-Metal, schrieb später mit Alben wie „Arise“ Thrash-Geschichte und lotete auf „Roots“ die Schnittmengen von Metal und Weltmusik aus. Seit 1997 betreibt er „Soulfly“ und orientiert sich hier eher am Nu-Metal der Neunzigerjahre, verknüpft mit Folk-Elementen seiner brasilianischen Heimat.
Am Härtsfeldsee: Metal aus Brasilien
Im Dischinger Zelt löste die Viererbande viel Bewegung aus, es wurde gehüpft, getanzt, reihenweise wurden Crowdsurfer in Richtung Fotograben durchgereicht. An die Thrash-Wurzeln des Frontmanns erinnerte der rasende Song „Bumba“, zwischendurch spielte Cavalera aber auch solo auf der Berimbau, einer Mischung aus Bogen und Percussion-Instrument.

Den höchsten Arbeitsplatz des Freitags hatte Dirk Meyer-Berhorn. Der Schlagzeuger von „Orden Ogan“ thronte ein Stockwerk über seinen Kollegen hinter den Kesseln und ließ den Bühnenaufbau bisweilen ordentlich wackeln. Mit der „Sauerland“-Hymne von „Zoff“ als Intro hatten die Männer aus dem sauerländischen Arnsberg die Meute schon angeheizt und zogen dann routiniert die Power-Metal-Karte aus dem Ärmel. In Dischingen kam „Orden Ogan“ damit so gut an, dass sogar noch ein etwas späterer Zeitpunkt für den Auftritt denkbar gewesen wäre.
Apropos gerechtfertigt: Im Vorfeld wurde in sozialen Medien geunkt, den Dischinger Veranstaltern falle wohl nichts mehr ein, weil sie für den Festival-Samstag das zweite Jahr in Folge „Warkings“ verpflichtet hatten. Sah man aber vor Ort, mit welcher Leichtigkeit die Band mit ihren absurden Götter-Kostümen das Publikum in Ekstase lotste, kann man nur feststellen: Alles richtig gemacht.
Erste Bands für 2026 verpflichtet
Große Namen der Metal-Welt, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten durchaus auf den „RaH“-Plakaten zu sehen waren, fehlen heutzutage, schon aus Gründen der Kostenentwicklung in Post-Corona-Zeiten. Anderen Festivals hat das Fehlen der „Stars“ immense Probleme bereitet. Dagegen Dischingen: Binnen Tagen ausverkauft, zwei Tage beste Stimmung und ein im Schnitt relativ junges Publikum, das auch in den kommenden Jahren zu Gast sein könnte. Das Familiäre, die günstigen Preise und der Fokus auf partytaugliche Bands scheinen dem Verein Jugend Dischingen den Weg in die Zukunft zu ebnen. Die ersten Meter dieses Wegs sind bereits gepflastert: Dem Vernehmen nach wurden bereits erste Bands für 2026 verpflichtet, die Veranstalter versprechen „Überraschungen“.

Zurück zur Party: „Versengold“ war die einzige Band des Festivals, die auf brachiale Gitarren verzichtete, am Ende des gut einstündigen Auftritts tropfte der Schweiß förmlich vom Zeltdach. Der Folkrock der Bremer mag bisweilen an der Schlagerhaftigkeit kratzen, am Samstag erzeugte die Band aber, unterstützt von viel Licht- und Feuershow, eine enorme Energie, die letztlich sogar die Headliner-Position gerechtfertigt hätte.
Glam-Metal zum Abschluss
Dort aber stand „Kissin‘ Dynamite“. Einst als Schülerband in Burladingen gegründet, haben sich die Männer um Sänger Hannes Braun längst aus dem Schatten der Zollernburg herausgerockt. Nach „Versengold“ überhaupt noch nennenswerte Reaktionen zu erzeugen, war schon ein kleines Kunststück, aber der Fünfer schaffte es, mit viel Engagement und ihrem stark an die 80er erinnernden Glam-Metal die wirklich letzten Reserven aus der feiernden Meute zu holen.
„Es war wieder mal überragend“, zieht Ralf Eberhardt als Sprecher des Festivalteams am Sonntag ein Fazit. Es habe keinerlei Vorfälle gegeben. Trotz der immensen Hitze am Samstag sei die Stimmung da sogar noch besser gewesen. Und dass sich Bands auf der Heimreise noch rasch per Mail melden und schreiben, wie gut es ihnen auf dem Härtsfeld gefallen hat, erfreut dann auch erfahrene Festivalmacher.