Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage
Eine halbe Woche nach dem Aufstand der russischen Söldnergruppe Wagner gegen die Armeeführung in Moskau hat ein Bericht über mögliche Mitwisser im russischen Militär für Aufsehen gesorgt. Der Kreml wies die Darstellung der «New York Times», wonach laut US-Sicherheitskreisen mehrere hochrangige Generäle Bescheid wussten, aber am Mittwoch als «Spekulationen und Tratsch» zurück.
Bei dem russischen Raketenangriff auf ein beliebtes Café in der ostukrainischen Stadt Kramatorsk wurden mindestens zehn Menschen getötet - drunter auch drei Kinder.
Wie Moskau bestätigte, traf unterdessen ein Gesandter des Vatikans in der russischen Hauptstadt für Gespräche über eine mögliche Lösung des Konflikts ein. In Warschau gibt es Sorgen über die Anwesenheit der Wagner-Söldner im Nachbarland Belarus. Profitieren könnte davon nach Ansicht von US-Experten jedoch der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko.
Kreml weist US-Bericht über Vorab-Information zurück
Moskau wies einen Bericht der «New York Times» als «Spekulation» zurück, wonach Russlands Vize-Generalstabschef Sergej Surowikin von dem Aufstandsplan des Söldnerchefs Jewgeni Prigoschin vorab gewusst haben soll. «Es gibt jetzt um diese Ereignisse herum viele unterschiedliche Spekulationen und Tratsch», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen. Die US-Zeitung hatte zudem unter Berufung auf US-Geheimdienste berichtet, es gebe Anzeichen dafür, dass auch andere russische Generäle von Prigoschins Plänen gewusst haben könnten.
Wagner-Chef Prigoschin hatte am Samstag zwischenzeitlich unter anderem die südrussische Stadt Rostow am Don besetzt und ließ seine Kämpfer dann Richtung Moskau marschieren. Rund 200 Kilometer vor der russischen Hauptstadt gab er überraschend auf. Vermittelt hatte in dem Konflikt der belarussische Machthaber Lukaschenko. Prigoschin und seinen Söldnern wurde von Kremlchef Wladimir Putin Straffreiheit zugesichert. Prigoschin ist nach Angaben Lukaschenkos inzwischen in Belarus eingetroffen. Lukaschenko hat auch den Kämpfern der Söldnertruppe Aufnahme in seinem Land angeboten.
Tichanowskaja: Prigoschin in Belarus nicht sicher
Die im Exil lebende belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja glaubt nicht, dass Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin nach seinem gescheiterten Aufstand in Russland nun eine sichere Zuflucht in ihrer Heimat gefunden hat. Prigoschin habe Kremlchef Wladimir Putin «gedemütigt» und dieser habe anschließend klargestellt, dass er Verrätern nicht vergebe, sagte sie der Deutschen Welle. Wenn Putin dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko die Order gebe, Prigoschin loszuwerden, dann werde er dies tun, sagte sie.
Die Präsenz Prigoschins in Belarus stufte Tichanowskaja als Sicherheitsrisiko für ihr Land ein, ebenso wie die Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus. Dies sollte dem Westen Sorgen bereiten und breiter debattiert werden, sagte sie.
Zivile Opfer nach russischem Raketenangriff auf Kramatorsk
Mindestens zehn Menschen kamen in der osktukrainischen Stadt Kramatorsk durch einen russischen Raketenangriff auf ein Café am Dienstagabend ums Leben. Unter den Opfern, die aus den Trümmern gezogen wurden, seien auch drei getötete Kinder, teilten die Behörden am Mittwochmorgen mit. Zudem gab es nach offiziellen Angaben mindestens 56 Verletzte.
Nach Angaben ukrainischer Medien soll das zerstörte Café nahe dem Hotel «Kramatorsk» ein beliebter Treffpunkt für freiwillige Helfer, ausländische Journalisten und Soldaten gewesen sein.
Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte den neuen Anschlag auf die Stadt Kramatorsk in seiner abendlichen Videoansprache am Dienstag als weiteres Kriegsverbrechen verurteilt. «Solcher Terror beweist uns und der ganzen Welt immer wieder, dass Russland für all seine Taten nur eines verdient: Niederlage und Tribunal.»
Moskau richtet drohende Worte an Republik Moldau
Derweil richtete die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, drohende Worte an die Ex-Sowjetrepublik Moldau. Wenn Moldau vorhabe, sich zu einem «logistischen Hub» für die Armee der benachbarten Ukraine zu machen, lade sie damit Gewalt und Chaos zu sich nach Hause ein, sagte Sacharowa bei ihrem wöchentlichen Pressebriefing am Mittwoch.
Vor einigen Wochen hatten kremlnahe Medienkanäle behauptet, die proeuropäische Präsidentin Moldaus, Maia Sandu, hätte vorgeschlagen, dass die ukrainische Armee moldauisches Staatsgebiet für militärische Zwecke nutzen dürfe. Chisinau hat diese Aussagen aber längst als Falschnachrichten zurückgewiesen. Sacharowa kritisierte kürzlich zudem die geplante Reduzierung russischer Diplomaten in Moldau.
Kreml bestätigt Gespräche mit Vatikan-Gesandten zur Ukraine
Wie der Kreml bestätigte, traf am Mittwoch ein Gesandter des Vatikans zu Gesprächen über eine mögliche Lösung des Konflikts um die Ukraine in Moskau ein. «Wir schätzen die Bemühungen und Initiativen des Vatikans sehr (...)», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen. Papst Franziskus hatte Kardinal Matteo Zuppi zum Sonderbeauftragten des Vatikans für den Ukraine-Krieg ernannt und nach Moskau geschickt.
Kremlchef Putin habe seinen außenpolitischen Berater Juri Uschakow beauftragt, die Gespräche mit Zuppi über eine politisch-diplomatische Lösung des Konflikts zu führen, sagte Peskow.
Als Gesandter des Oberhauptes der katholischen Kirche werde Zuppi am Mittwoch und Donnerstag Russland besuchen, um «Gesten der Menschlichkeit» zu fördern, hatte der Heilige Stuhl mitgeteilt. Die Reise soll demnach dazu beitragen, «eine Lösung für die derzeitige tragische Situation und Wege für einen gerechten Frieden zu finden».
US-Institut: Lukaschenko kann von Wagner-Kämpfern profitieren
Der belarussische Machthaber Lukaschenko kann nach Einschätzung von Militärexperten aus den USA von den russischen Wagner-Kämpfern in seinem Land profitieren. Mit diesen versuche er wahrscheinlich, seinen Spielraum zu erweitern und der Absicht des Kremls - nämlich Belarus über den Unionsstaat zu absorbieren - entgegenzuwirken, schrieb das Institut für Kriegsstudien (ISW) mit Sitz in Washington am Dienstag (Ortszeit). Russland und Belarus sind in einem Unionsstaat verbunden, wobei der kleinere Partner weitgehend von Moskau abhängig ist.
Polens Präsident besorgt über Wagner-Söldner in Belarus
Die Anwesenheit russischer Wagner-Söldner sowie die vom Kreml geplante Stationierung von Atomwaffen in Belarus verändern nach Ansicht von Polens Präsident Andrzej Duda die Sicherheitsarchitektur der Region. Die Nato müsse hier sehr wachsam sein, sagte Duda in Kiew nach einem Gespräch mit Selenskyj und dem litauischen Staatschef Gitanas Nauseda. Die Frage sei, welches Ziel die Verlegung der Wagner-Kämpfer in Polens Nachbarland wirklich habe. «Sollen sie der Besetzung von Belarus dienen? Sollen sie vom Norden aus eine weitere Bedrohung für die Ukraine bilden(...)? Oder sollen sie auch eine potenzielle Bedrohung für unsere Länder, für Nato-Staaten wie Polen sein?»
Das EU- und Nato-Mitglied Polen hat eine 418 Kilometer lange Grenze zu Belarus. Duda sagte in diesem Zusammenhang, Belarus betreibe seit zwei Jahren bereits einen «hybriden Angriff» auf die polnische Grenze. Im Spätsommer und Herbst 2021 war die Situation dort eskaliert: Tausende von Menschen versuchten, illegal in die EU zu gelangen. Die Europäische Union beschuldigt Lukaschenko, in organisierter Form Migranten aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze gebracht zu haben, um Druck auf den Westen auszuüben.
Kreml: Militärberater weiter in Zentralafrikanischer Republik
Russische Militärberater werden nach Kremlangaben ihre Arbeit in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) fortsetzen. Der russische Staat habe in dem Land nichts mit dem «Geschäft» der Wagner-Armee zu tun, sagte Kremlsprecher Peskow am Mittwoch nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen. Peskow reagierte damit auf die Verhängung neuer Sanktionen durch die US-Regierung gegen die private Wagner-Armee in Afrika. «Überall, wo Wagner tätig war, hat es Tod und Zerstörung gegeben», hatte die US-Regierung mitgeteilt.
Biden verspricht sich: Putin verliert den Krieg im Irak
In einer Äußerung über Kremlchef Wladimir Putin brachte US-Präsident Joe Biden unterdessen den Irak und die Ukraine durcheinander. Auf die Frage eines Reporters, inwieweit die jüngsten Ereignisse den russischen Präsidenten geschwächt haben, antwortete Biden am Mittwoch: «Es ist schwer zu sagen, aber er verliert eindeutig den Krieg im Irak. Er verliert den Krieg zu Hause.» Biden sprach vor seiner Abreise nach Chicago im Garten des Weißen Hauses mit den Journalisten, die mit ihren Fragen auf den Aufstand der Söldnertruppe Wagner gegen die russische Armeeführung abgezielt haben dürften. Auf die Nachfrage einer Reporterin, ob Putin heute schwächer ist als vor all den Ereignissen, sagte Biden: «Ich weiß, dass er es ist.»
Der US-Präsident machte zudem deutlich, dass er Putin global für zunehmend isoliert hält. «Er ist in der ganzen Welt ein bisschen zu einem Paria geworden.» Das gelte nicht nur für die Nato- und EU-Staaten.