Heidenheimer Mordfall Maria Bögerl

Genspur führt direkt zum Täter: Zwei Ermittler arbeiten noch immer an dem Fall

Am 12. Mai 2020 jährt sich die Entführung Maria Bögerls zum zehnten Mal. Zwei Kriminalbeamte beschäftigen sich immer noch mit dem grausamen Verbrechen - und sind sicher, dass der Fall gelöst werden kann. Welchen Spuren sie nachgehen und was sie über den Täter wissen:

Genspur führt direkt zum Täter: Zwei Ermittler arbeiten noch immer an dem Fall

Dieser Fall ist lösbar – das ist die feste Überzeugung von Kriminaldirektor Thomas Friedrich. Er ist als letzter Leiter der mittlerweile aufgelösten Sonderkommission (Soko) „Flagge“ im Fall der Entführung und Ermordung von Maria Bögerl noch immer für die Ermittlungen zuständig. Er und Kriminalhauptkommissar Michael Bauer, der sich als Sachbearbeiter mit ungefähr der Hälfte seiner Arbeitszeit diesem Kriminalfall widmet, sind die letzten beiden Ermittler bei der Kriminalpolizei in Ulm, die sich noch permanent mit dem zehn Jahre zurückliegenden Verbrechen beschäftigen. Wobei beschäftigen aus Sicht von Friedrich sicherlich das falsche Wort ist: „Wir brennen für diesen Fall, er lässt uns keine Ruhe“, sagt der 54-jährige Polizeibeamte.

Mordfall Maria Bögerl: viele Fragen offen

Im Fall Bögerl sind sehr viele Fragen offen: Diese beginnen damit, dass der Täter ein für eine Entführung relativ geringes Lösegeld von 300 000 Euro in einer außergewöhnlichen Stückelung gefordert und sich nach einem ersten Telefonat am 12. Mai 2010 kurz vor 11.30 Uhr mit dem Ehemann und Kreissparkassen-Vorstandsvorsitzenden Thomas Bögerl nie wieder gemeldet hat. Sein Entführungsopfer hat er mit Messerstichen getötet, offenbar schon vor dem Zeitpunkt, zu dem das Lösegeld an einer Behelfsausfahrt der Autobahn hätte abgelegt werden sollen. Was ging da schief? Niemand kann diese Fragen bislang beantworten.

Während die vielen Rätsel dieses Falles noch immer die Phantasie und Neugierde vieler Menschen im Landkreis Heidenheim anregen, sind sie für die hinterbliebenen Kinder des Ehepaars Bögerl ein Trauma, das auch nach zehn Jahren immer noch nachwirkt. Ein Gespräch mit unserer Zeitung haben die beiden abgelehnt.

Polizei kennt die DNA des Mörders

Wer ist der Täter im Mordfall Bögerl? Die Polizei kennt seine Identität, zumindest seine genetische. „Wir haben an unterschiedlichen Orten DNA-Spuren gesichert, die eindeutig dem Täter zuzuordnen sind“, erläutert Kriminaldirektor Friedrich. Sobald es der Polizei gelingt, eine DNA-Probe vom richtigen Mann zu nehmen, ist der Täter überführt. Über 10 000 Spuren liegen der Polizei im Mordfall Bögerl vor. „Mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit haben wir auch den Namen des Täters schon in unserem System“, meint Friedrich.

Was tun die Ermittler, um diese beiden Informationen in Übereinstimmung zu bringen? „Wir setzen auf digitale Spuren“, sagt Michael Bauer. Von allen Orten, die mit der Tat zu tun hatten, habe man Funkzellendaten erhoben. „Das sind knapp eine Million digitale Daten“, so der Polizeibeamte. Ziel sei es nun, das Handy des Täters aus dieser Fülle von Informationen herauszufiltern. „Die Zusammenarbeit mit den Datenanalysten ist eine sehr spannende Sache“, so der Kommissar.

Auch neue Hinweise im Fall Bögerl kommen nach wie vor bei der Polizei an, „im Durchschnitt zwei bis drei pro Monat“, berichtet Bauer. Oftmals seien dies Menschen, die sich bislang nicht getraut haben, sich bei der Polizei zu melden. Dies ist ein Moment, auf das Ermittler bei sogenannten „Cold Cases“ (kalten Fällen) setzen: Dass ein Mitwisser nach zehn Jahren aussagt, weil sich beispielsweise sein persönliches Verhältnis zum Täter geändert hat oder ihn das schlechte Gewissen plagt, kann durchaus zur Lösung eines Falles beitragen. Auch „Kommissar Zufall“ ist manchmal mit im Spiel, wenn ein viele Jahre zurückliegendes Verbrechen doch noch aufgeklärt werden kann. „Natürlich würden wir uns auch darüber freuen“, sagt Kriminaldirektor Friedrich. Noch lieber wäre ihm aber ein „Arbeitssieg“, denn der Aufwand, den die Polizei in diesen Fall gesteckt hat, ist immens: Hunderte von Polizeibeamten arbeiteten über Jahre in zwei aufeinanderfolgenden Sokos, und selbst heute gibt es immer noch Aktionen, bei denen auf die Schnelle ein großes Kontingent an Polizeibeamten zusammengezogen wird – wie beispielsweise bei den Hausdurchsuchungen im Januar in der Nähe von Crailsheim.

Ermittlungen im Fall Maria Bögerl: Keine Ende in Sicht

Gibt es einen Zeitpunkt, an dem die Polizei aufhören würde, am Fall Bögerl zu arbeiten? „Solange wir noch vernünftige Ansätze und Ermittlungsschritte haben, sind weder wir noch die Staatsanwaltschaft Ellwangen bereit, das Verfahren vorläufig einzustellen“, sagt Thomas Friedrich. Es bleibt also der Notizblock auf dem Nachtkästchen der Ermittler liegen, auf den Gedanken notiert werden, die den beiden in wachen Stunden nachts durch den Kopf gehen. Vielleicht wird auch eines Tages die entscheidende Verknüpfung darauf stehen, die die DNA-Spuren mit dem Täter verbinden.

Von der Soko “Flagge” bis zum letzten Ermittler im Fall Maria Bögerl

Am 17. Mai 2010 wurde die aus 80 Kriminalbeamten bestehende Sonderkommission “Flagge” gegründet. Namensgebend war eine Deutschlandfahne, die der Täter zur Markierung der Geldablage-Stelle bei Nietheim verwendet hat. Die 155 mal 88 Zentimeter große Flagge war mit einer Paketschnur an einem langen Ast festgebunden.

Die Soko war der Polizeidirektion Heidenheim zugeordnet, ab Januar 2012 der Landespolizeidirektion in Stuttgart. Nach fünf Jahren und einer Reform der Polizei in Baden-Württemberg übernahm das neue Polizeipräsidium Ulm die Soko und bestückte sie mit neuem Personal – auch, um noch einmal neue Blickweisen auf den Fall zu ermöglichen. Nach zwei Jahren wurde die Soko in eine Ermittlungsgruppe überführt, die nochmal ein Jahr lang mit 15 bis 20 Polizeibeamten an dem Fall arbeitete. Von den darauf folgenden zwei Hauptsachbearbeitern ist nun noch Michael Bauer als letzter Ermittler übrig