Jubiläum

Unter dem Schutz des Papstes: Ausflugstipps in Heidenheims Nachbardörfer mit 800-jähriger Geschichte

Gleich mehrere Dörfer im Alb-Donau-Kreis und im Landkreis Neu-Ulm feiern in diesem Jahr Jubiläum: Sie erinnern an die erste urkundliche Erwähnung vor 800 Jahren. Viel Historisches aus dem Jahr 1225 gibt es naturgemäß zwar nicht mehr zu sehen, ein Besuch bei unseren Nachbarn lohnt sich trotzdem.

Von A wie Altheim/Alb bis W wie Wippingen: Mehr als 80 Orte – die meisten auf der Ostalb und im Donauried gelegen – stehen in einer Urkunde, die seit 800 Jahren in den vatikanischen Archiven in Rom aufbewahrt wird. Für viele dieser Gemeinden ist dieses päpstliche Schriftstück die erste urkundliche Erwähnung ihrer Existenz. Papst Honorius III. bestätigte 1225 mit seinem Pergament dem Kloster Oberelchingen, dass es direkt dem päpstlichen Stuhl unterstellt ist. „Das heißt, da hatte jetzt auch kein Bischof mit reinzureden“, erläutert Dr. Marie-Kristin Hauke, die im Stadtarchiv Ulm das Sachgebiet Mittelalter und Frühe Neuzeit betreut.

Das Kloster genoss dadurch eine herausgehobene Stellung und war „ein wichtiger Bezugspunkt, auch im Vergleich zur Reichsstadt Ulm“, so Hauke. Das war entscheidend für den Erhalt des Klosters, auch um möglichen Angriffen vorzubeugen: „Wenn ihr uns angreift, dann legt ihr euch direkt mit dem Papst an“, erläutert die Historikerin die Bedeutung der Urkunde von 1225. Mittelbar erstreckte sich diese Schutzwirkung auch auf die zum Kloster dazugehörigen Dörfer. „Deshalb war es ja so wichtig, dass die alle in der Urkunde erwähnt wurden“.

Wie lebte die Dorfbevölkerung vor 800 Jahren?

Die große Politik der damaligen Zeit war geprägt von den Kreuzzügen, als Kaiser regierte Friedrich II. – „stupor mundi“ (das „Staunen der Welt“) – aus dem schwäbischen Adelsgeschlecht der Staufer. „Und 1226 ist beispielsweise Franz von Assisi gestorben und auch der Minnegesang fällt in diese Zeit“, erläutert Marie-Kristin Hauke. Wie die Menschen in den Dörfern und Weilern damals allerdings gelebt haben, „das ist ganz schwierig zu sagen“, fügt sie an. Aber so viel weiß man immerhin: „Es war von sehr harter Arbeit geprägt. Männer sind im Schnitt 35 Jahre alt geworden“. Frauen sind aufgrund der Sterblichkeit bei Geburten häufig sogar noch früher gestorben, „die hygienischen Verhältnisse waren in keiner Weise mit unsrigen zu vergleichen“.

Sehr anschaulich nacherlebbar wird die Geschichte des Klosters Oberelchingen im Rahmen einer Führung unter der Leitung von Richard Ambs. Der 82-Jährige war 35 Jahre lang Kreisarchäologe des Landkreises Neu-Ulm und Kreisheimatpfleger. Ihm ist es zu verdanken, dass die seit Jahrhunderten auf einem Dachboden schlummernden Klosterschätze gerettet wurden. Seit 2022 sind diese Gemälde, Heiligenfiguren und Kleidungsstücke im Klosterdepot, einen Steinwurf von der Klosterkirche entfernt, zu besichtigen.

Die Stadt Ulm hatte schon ihre Finger ausgestreckt.

Richard Ambs, Archäologe

Diese Pfarr- und Wallfahrtskirche wurde im zwölften Jahrhundert von Benediktinern errichtet. 1225 habe man das Kloster bewusst unter den Schutz des Papstes gestellt, „um zu verhindern, dass Landesherren zugreifen. Die Gefahr bestand immer wieder, die Stadt Ulm hatte schon ihre Finger ausgestreckt“, erläutert Ambs. Wurde die Klosterkirche zu Zeiten Honorius III. noch im romanischen Stil erbaut, erhielt sie im 15. Jahrhundert gotische Maßwerkfenster und wurde nach dem 30-jährigen Krieg barockisiert.

Richard Ambs, früherer Kreisarchäologe des Landkreises Neu-Ulm. René Rosin

Quasi zu Füßen des Elchinger Klosterberges liegt Weißingen, eines der Dörfer, das in diesem Jahr Jubiläum feiert. Sein tatsächliches Alter sieht man dem Ort, der jetzt ein Stadtteil von Leipheim ist, nicht wirklich an. Sehenswertes hat er trotzdem zu bieten. Denn Weißingen liegt mitten in den Donau-Auen und ist von zahllosen Seen umgeben. Erkunden lässt sich diese Landschaft am besten über den Donauradweg. Kleiner Tipp: Wer im Frühjahr durch die Auen radelt, kann sich ein paar Blätter Bärlauch mitnehmen, ganze Teppiche breiten sich dann in den Buchenwäldern aus.

Ein Hauch von Toskana in Göttingen

Verlässt man Oberelchingen und seine Klosterkirche in nördlicher Richtung, landet man nach nicht einmal zwei Kilometern im Langenauer Ortsteil Göttingen. Das Dörfchen liegt in einer Senke zwischen Hügeln, entlang schmaler Straßen wachsen Pinien, im Hintergrund ragt ein Kirchturm empor – für einen kurzen Moment fühlt man sich wie in der Toskana. Direkt an der Hauptstraße steht hier die evangelische Kirche St. Martin. Das Außergewöhnliche an diesem Gotteshaus ist nicht nur die erhaltene Untermauerung der mittelalterlichen Wehranlage mit dem sogenannten „Gigl“, also dem Torbau in Fachwerkbauweise.

Die evangelische Kirche in Göttingen. Foto: René Rosin

Denn das Untergeschoss des Kirchturmes könnte nach Einschätzungen von Historikern aus der Zeit stammen, in der Honorius III. seine Oberelchinger Urkunde aufsetzen ließ und in ihr auch Göttingen als Klosterbesitz ausweisen ließ. Wer es gern noch ein bisschen älter hat: An der Westfassade des Kirchenschiffes zeichnen sich unter weißer Wandfarbe bis in etwa Brusthöhe mehrere große steinerne Quader in der Kirchenwand ab, die sogar römischen Ursprungs sein sollen.

Nur wenige Kilometer hinter der Kreisgrenze bei Heldenfingen liegt Altheim/Alb. Dort feiert man das runde Jubiläum mit vielen Veranstaltungen und hat aus diesem Anlass sogar einen eigenen Bierkrug herausgegeben. Größte architektonische Attraktion des Dorfes ist die evangelische Marienkirche, deren romanische Ursprünge nur wenige Jahre nach der ersten urkundlichen Erwähnung des Ortes selbst belegt sind.

Sinngarten mit Arboretum in Altheim

Neben weiteren Fachwerkhäusern, darunter dem alten Rathaus, lohnt sich ein Abstecher nach Altheim aber noch aus einem ganz anderen Grund: Denn nur wenige Meter neben der Marienkirche haben Gabriele Dengler und Wolfgang Knapp aus einer 3500 Quadratmeter großen kargen Wiese mit einigen Obstbäumen darauf in nur 13 Jahren mit viel Fleiß und Hingabe ein wahres Paradies erschaffen und es „Sinngarten mit Arboretum“ genannt.

Gabriele Dengler und Wolfgang Knapp haben in Altheim ihren Sinngarten geschaffen. Foto: René Rosin

Hier gedeihen auf engstem Raum Hunderte verschiedener Pflanzen aus allen Erdteilen. Hinter jedem Busch gibt es etwas Neues zu entdecken, in einem kleinen Teich rudert eifrig der Krötennachwuchs durch das Wasser, zwischen den Sträuchern und Bäumen herrscht hohe Flugdichte, verursacht durch zahllose Wildbienen, Hummeln, Libellen und Vögel. Am Boden schnüffeln drei Hunde durchs Gras und wenige Meter weiter scharren Hühner. Es ist hier so pittoresk und idyllisch, man will eigentlich gar nicht mehr weg.

Kirche mit jahrhundertealten Fresken in Lautern

Nur drei Kilometer Luftlinie südlich der A8 liegt im Kleinen Lautertal der winzige Weiler Lautern, ein Ortsteil von Blaustein. Hier, ganz am Ende des Tales, dort wo das Flüsschen Lauter aus dem Karstgestein entspringt, steht malerisch zwischen den Felshängen die Kirche „Zu Unserer Lieben Frau“. Einen Kirchenbau vermutet man hier zwar schon zu karolingischer Zeit, aber tatsächlich bestätigt ist eine Pfarrei erst mit der Urkunde von Papst Honorius III. Die Kirche ist tagsüber geöffnet, hat sehr schöne jahrhundertealte Fresken und einen von der Ulmer Schule im Jahr 1509 gebauten Flügelaltar vorzuweisen.

Am Ende des kleinen Lautertals liegt malerisch die Kirche „Zu Unserer Lieben Frau“. Foto: René Rosin

Das Kleine Lautertal selbst ist ein 280 Hektar großes Naturschutzgebiet und eignet sich ideal für eine Wanderung, das Auto einfach auf den Parkplatz am Lautertalweg am Ortsausgang von Blaustein abstellen und die knapp 3,5 Kilometer bis zur Kirche zu Fuß gehen. Wem das noch nicht reicht: In knapp drei Kilometern Entfernung stößt man auf die architektonisch interessante „Pischek-Brücke“, eine dreibögige Gewölbebrücke, erbaut im Jahre 1908.

Von hier sind es wiederum nur wenige Hundert Meter bis nach Bermaringen, einem weiteren Jubiläumsdorf. Der Ort hat ein paar schöne Fachwerkhäuser vorzuweisen und an manchen Ecken bietet sich dem Besucher ein geradezu malerisches dörfliches Ensemble dar. So als ob man eine Reise zurück in die Vergangenheit gemacht hätte. Zugegeben: vielleicht keine 800 Jahre. Dafür ist der alte Traktor, der hinter einem alten Stall steht, dann doch zu jung.