Zuschauen, wie Menschen in Krisengebieten leiden? Für das Ehepaar Johann und Marianne Öfele aus Sontheim/Brenz ist das seit vielen Jahren keine Option. 1997 gründete Johann Öfele den „Verein für mehr Humanität und Frieden“. Ziel war es von Anfang an, Hilfsgüter direkt dorthin zu liefern, wo die Not der Menschen am größten ist.
Schwerpunkte sind osteuropäische Länder. Über 300 Fahrten mit vereinseigenem Lastwagen plus Anhänger in Länder wie Rumänien, Kroatien, Serbien oder Ungarn wurden seitdem unternommen, einmal auch nach Griechenland, nachdem dort verheerende Flächenbrände unzählige Menschen in die Armut getrieben hatten. Mit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 rückte auch die Not der Bevölkerung in der Ukraine in den Fokus des Vereins.
Zwei Jahre zuvor hatte allerdings die Corona-Pandemie dafür gesorgt, dass eigene Hilfsfahrten Richtung Osteuropa nicht mehr planbar waren. Strenge Quarantäne-Verordnungen in fast allen Ländern machten jegliches Engagement über die eigenen Landesgrenzen hinaus zunichte. „Wir hätten uns überall, wo wir einreisten, erst einmal in Quarantäne begeben müssen, teilweise bis zu 14 Tage“, erzählt Johann Öfele. In Summe hätte sich die Fahrt durch mehrere Länder so auf rund zwei Monate ausgedehnt: „Eine Tortur, der wir uns nicht aussetzen konnten.“
Wie sollte die Hilfe weitergehen? Den Lastwagen spendete der Verein an das Rote Kreuz von Sarny in der Ukraine – und kam dann bei der Frage, wie die Unterstützung auch ohne eigene Fahrten bewerkstelligt werden kann, auf eine Spur, die nach Remseck im Kreis Ludwigsburg führte. Dort gab es eine soziale Einrichtung, die sich Kinderhilfswerk Ukraine nannte. Zu deren Leiter, Alexander Gruslak, wurde schnell ein vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut, das in eine intensive Zusammenarbeit münden sollte.
2700 Kilometer für eine Familie
Gruslak hatte auf seinem Whatsapp-Status das Foto einer 13-köpfigen ukrainischen Familie abgebildet. Als Text stand darunter: „Der Vater dieser Familie wurde bei einem humanitären Einsatz gestern erschossen.“ Dies berührte Johann Öfele so stark, dass er an seinen Partner schrieb: „Hallo Alexander, wenn Du es schaffst, diese Familie an die Grenze zu Polen zu bringen, hole ich diese Familie ab und sorge für ihre Unterbringung!“
Der in der Ukraine-Hilfe erfahrene Gruslak setzte daraufhin alle Hebel in Gang, um dies zu ermöglichen. Öfele wiederum organisierte zwei Busse, vollgepackt mit Hilfsgütern, um mit Mitarbeitern an den Grenzort Dorohusk zu fahren. Jeweils 40 Stunden war man auf der Hin- und Rückfahrt unterwegs, 2700 Kilometer wurden absolviert.
Nach einer tränenreichen Begrüßung ging es für die schon sehnsüchtig wartende Familie ins unbekannte Deutschland. Die Gesichtszüge der anfangs noch sehr verstörten Kinder entspannten sich mit jedem gefahrenen Kilometer mehr. Öfele war es gelungen, für die Familie in Dillingen-Fristingen ein Haus zum Wohnen zu organisieren.

Große Hilfsbereitschaft in der Heimat
Insgesamt vier solcher Evakuierungsfahrten wurden unternommen. Rund 45 Personen, die vor den Folgen des Ukraine-Krieges flüchten mussten, wurden nach Deutschland gebracht. Verlassen konnte sich Johann Öfele dabei auch auf die große Hilfsbereitschaft in seiner Heimat. Es mangelte nicht am Spenden für die Ukraine, Gundelfinger Gärtner etwa stellten kostenlos Lebensmittel zur Verfügung. Und die evangelische Kirchengemeinde in Sontheim mit Pfarrer Steffen Palmer ermöglichte den ukrainischen Neuankömmlingen eine vorübergehende Unterkunft im Gemeindehaus.
Auch Öfeles nahmen inzwischen eine fünfköpfige ukrainische Familie in ihrem Wohnhaus in der Sontheimer Römerstraße auf. Der Familienvater, Ihor Khamitov, habe ein schwerstbehindertes Kind einer anderen Familie während der dreiwöchigen Flucht bis an die Grenze zu Polen getragen. Familie Khamitov stammt aus der russisch besetzten Hafenstadt Mariupol. „Viktoriia Khamitova sorgt sich um ihre Mutter, die dort noch lebt. Ab und zu kann sie mit ihr telefonieren. Allerdings darf sie das nur in russischer Sprache tun, versucht sie es auf Ukrainisch, bricht die Verbindung sofort ab“, berichtet Marianne Öfele.
Inzwischen gibt es keine Evakuierungsfahrten mehr in Richtung Ukraine. Aber in Zusammenarbeit mit dem Kinderhilfswerk in Remseck organisiert der „Verein für mehr Humanität und Frieden“ jährlich mehrere Fahrten mit dem vereinseigenen Transporter und bringt die gesammelten Hilfsgüter samt Anhänger dorthin. In Remseck werden dann die ukrainischen Sattelzüge beladen, um die Hilfsgüter in die Kriegsregion zu fahren.
Fünf Sattelzüge nach Ungarn
Mehrere Stunden am Tag ist der 72-jährige Johann Öfele noch immer damit beschäftigt, Material abzuholen, Transporter zu beladen, vor Ort Ukrainer zu betreuen oder Fahrten zu planen. Kliniken, Klöster und viele andere Einrichtungen melden sich bei ihm, um beispielsweise medizinisches Equipment zur Verfügung zu stellen. Insgesamt konnten dieses Jahr aus den Landkreisen Dillingen und Günzburg fünf Sattelzüge mit Krankenhausbetten und medizinischen Gerätschaften nach Ungarn und weitere osteuropäische Krankenhäuser versendet und gespendet werden.
Zweimal im Jahr fährt Johann Öfele mit aktiven Helfern noch ins rumänische Cighid, wo seit vielen Jahren ein Behindertenheim unterstützt wird. In eine ganz andere Richtung verläuft ein weiteres Schwerpunkt-Projekt des Vereins. Über die Königsbronnerin Helene Dingler, die sich seit Jahren für Uganda engagiert, knüpfte man Kontakt zu Bruder Günther Nährich, einem ausgebildeten Krankenpfleger, der in dem afrikanischen Land tätig ist. Seitdem unterstützt der Sontheimer Verein in Uganda das St.-Kizito-Hospital in Karamoja, einem der ärmsten Teile des Landes. Schon fünf Container gelangten vom Brenztal aus nach Afrika. Vom Röntgengerät bis zum Unimog reichte die Palette der gelieferten Hilfsgüter.
Die Aufgaben des „Vereins für mehr Humanität und Frieden“ haben sich im Laufe der Jahre etwas verlagert – die Not aber ist geblieben. Und solange das so ist, wollen Johann und Marianne Öfele mit Helfern in ihrem Engagement auch nicht nachlassen. „Wenn man schenkt, wird man selbst beschenkt“, hat Marianne Öfele erfahren. Und: „Wer mit Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Hintergründen zu tun hat, fürchtet das Fremde nicht mehr; Vorurteile bauen sich schnell ab.“
200 Mitglieder unterstützen den Verein
Aus einer privaten „Rumänien-Hilfe“, die er mit Unterstützung der katholischen Kirche ab 1990 betrieben hatte, entstand der „Verein für mehr Humanität und Frieden“. Er wurde von Johann Öfele 1997 gegründet und zählt derzeit etwa 200 Mitglieder. Die meisten davon sind passive finanzielle Unterstützer, einige beteiligen sich an den Hilfsfahrten überwiegend in osteuropäische Länder.
Sitz des Vereins ist der Gundelfinger Ortsteil Peterswörth. Dort befindet sich auch eine Lagerhalle, in der Hilfsgüter gesammelt und zum Weitertransport aufbewahrt werden. Die Kontaktanschrift lautet: Verein für mehr Humanität und Frieden e. V., Peterswörtherstraße 82a, 89423 Gundelfingen-Peterswörth.