Was bislang geschah

Leiche in Italien, einbetonierte Körperteile: die Chronologie der Sontheimer Mordfälle über 17 Jahre

2008 verschwindet ein 22 Jahre alter Mann aus Mergelstetten spurlos. 2019 wird sein Schwiegervater für seine Tötung verurteilt – und die von zwei weiteren Männern. Und nochmal sechs Jahre später ist endlich klar, was mit seiner Leiche geschah. Rekonstruktion eines außergewöhnlichen Kriminalfalls.

Seit mehr als sechs Jahren sitzt er in Haft, der heute 60-jährige Haupttäter in den sogenannten Sontheimer Mordfällen: Teilweise gemeinsam mit seinen Söhnen hat er zwischen 2008 und 2019 drei Männer getötet, zerstückelt und die Leichen entsorgt. Der Mann wurde in allen drei Fällen schuldig gesprochen – auch für die Tötung seines Schwiegersohns im Jahr 2008. Bis vor kurzem war nicht klar, wohin er die Leiche des damals 22 Jahre alten Mannes gebracht hatte. Mit der Identifikation eines vor 17 Jahren gefundenen Toten in Südtirol ist nun aber auch diese Frage geklärt. Das vorläufige Ende eines außergewöhnlichen Kriminalfalls, der im Winter 2008 begann:

13. Februar 2008: Der Schwiegersohn des damals 43-jährigen Täters verschwindet im Alter von 22 Jahren spurlos, nachdem er zuletzt noch im Haus der Familie zum Mittagessen eingeladen war. Später wird das Gericht davon ausgehen, dass der Vermisste von seinem Schwiegervater erwürgt worden ist und dieser seine Leiche auf zunächst unbekannte Weise entsorgt hat. Mit der Tochter des Täters hat der junge Mann zwei kleine Kinder. Die Beziehung soll problematisch gewesen sein.

21. Februar 2008: Zwei Arbeiter entdecken in einer Böschung an der Südspur der Brennerautobahn in Südtirol eine Leiche: Sie ist in einen Karton gesteckt worden, mit Tape umwickelt, der Kopf wurde abgetrennt und fehlt. Anhand der Kleidung und der mutmaßlichen Fahrtrichtung auf der Südspur der Autobahn geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass die Leiche aus dem deutschen Raum stammt. Ermittlungen dazu laufen aber ins Leere, das Verfahren wird von der Staatsanwaltschaft Bozen archiviert. Die Ermittler in Deutschland denken auch bei den späteren Ermittlungen zu den Sontheimer Mordfällen nicht an einen Zusammenhang, da sie den Leichnam des Vermissten zwischen Neapel und Rom vermuten.

31. Oktober 2014: Der nun 49-jährige Familienvater tötet erneut. Dieses Mal aber handelt er nicht allein: Seine beiden Söhne sind dabei und helfen dem Vater. Opfer ist erneut ein Lebensgefährte der Tochter, zum Todeszeitpunkt 38 Jahre alt. Sie schlagen in einer Garage auf ihr Opfer ein und erdrosseln es anschließend mit einem Seil. Die Leiche des Mannes zerstückeln sie, bewahren sie bis 2015 in Beton gegossen in Fässern auf und bringen die Leichenteile erst 2015 nach Sizilien, um sie dort im Wald zu entsorgen.

Mitte Mai 2019: Ein 59 Jahre alter Mann wird von seinem Chef als vermisst gemeldet. Einige Tage später wird unter anderem auf dem Gelände der Entsorgungsfirma Hörger in Sontheim/Brenz nach dessen Leiche gesucht. Der nun 54-jährige Haupttäter und sein 32-jähriger Sohn gestehen die Tötung des Vermissten, eines Bekannten. Auch der jüngste Sohn der Familie wird kurze Zeit später festgenommen: Es hatte sich im Laufe von Zeugenbefragungen herausgestellt, dass zwei weitere Männer aus dem Umfeld der Familie in den vergangenen Jahren spurlos verschwunden sind: 2014 der Freund der Tochter, bereits 2008 ihr Ehemann und Vater ihrer beiden Kinder. Der beschuldigte Familienvater gesteht alle drei Tötungen. Im Garten seines Sontheimer Wohnhauses werden derweil Leichenteile gefunden: Kopf, Hände und Füße des dritten Opfers.

Der Fall, der alles ins Rollen brachte, war das Verschwinden eines 59-Jährigen im Jahr 2019. Auf dem Gelände der Firma Hörger wurde nach den sterblichen Überresten des Mannes gesucht. Foto: Archiv/Dennis Straub

26. November 2019: In Ellwangen startet der Mordprozess gegen alle drei Angeklagten. Im Zuge der Verhandlung gibt der Hauptangeklagte zwei der Morde zwar erneut zu, bestreitet aber plötzlich, mit dem Verschwinden seines Schwiegersohnes 2008 etwas zu tun zu haben – wenngleich seine Söhne und die Tochter das Gegenteil behaupten und er die Tat zuvor bereits gestanden hatte. Es wird viele Verhandlungstage, Zeugen und Sachverständige brauchen, um aus etlichen kleinen Mosaiksteinchen ein Bild zu formen. Nicht alle Widersprüche in den Aussagen der Angeklagten werden sich bis zum Ende des Prozesses auflösen lassen.

Dezember 2019: Nach einer weiteren Aussage der Tochter vor Gericht rückt ihr Cousin zwischenzeitlich in den Fokus: Dieser lebe in Sizilien, sei aber im Zeitraum des Verschwindens ihres Ehemannes 2008 in Sontheim bei ihren Eltern gewesen, danach wieder zurück nach Italien gefahren. Die Staatsanwaltschaft versucht, den Mann, der in Sizilien wegen Drogendelikten in Haft sitzt, zu vernehmen. Sämtliche Bemühungen schlagen aber fehl. Die Tat aus 2008 wird nun vom restlichen Prozess abgetrennt und soll extra verhandelt werden – Angeklagter bleibt lediglich der Vater.

20. Dezember 2019: Die beiden angeklagten Brüder, 33 und 31 Jahre alt, werden zu 15 bzw. zu neun Jahren Haft verurteilt – der ältere wegen zweifachen Mordes und der jüngere lediglich wegen Beihilfe zum Mord. Das Urteil gegen den Hauptangeklagten kann erst einige Tage später gesprochen werden, er musste notärztlich behandelt und in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Kurz danach wird er wegen der beiden Morde 2014 und 2019 zu lebenslanger Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt.

Das Haus der Täter-Familie war mehrfach zum Tatort geworden. Im Garten wurden später Leichenteile gefunden. Foto: Markus Brandhuber

11. Februar 2020: Das Urteil im Fall des 2008 verschwundenen Schwiegersohns fällt separat: Zehn Jahre wegen Totschlags für den Vater. Laut Gericht habe man keine Mordmerkmale nachweisen können. Es wird erneut Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Leiche des Opfers bleibt weiterhin verschwunden.

2024: Die Polizei in Ulm wendet sich an die Ermittler in Bozen (Südtirol), um doch noch einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Leichenfund aus 2008 und den Sontheimer Mordfällen zu untersuchen. Fotos von der Kleidung des Opfers und von körperlichen Merkmalen werden der Tochter des Verurteilten vorgelegt, sie identifiziert die Leiche anhand dessen als ihren 2008 verschwundenen Ehemann. Letzte Gewissheit bringt ein DNA-Abgleich.

Juni 2025: Der neue leitende Oberstaatsanwalt in Bozen, Axel Bisignano, gibt erst jetzt die Ermittlungsergebnisse in diesem Fall bekannt. Er ist gerade seit ein paar Tagen im Amt, war 2008 aber als ermittelnder Staatsanwalt mit dem Leichenfund an der Brennerautobahn betreut.

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