Leserbrief

Ich bin froh, dass es diese osteuropäischen Betreuerinnen gibt

Leserbrief zum Beitrag „Wer ist die Frau, die bei Jutta Lenz wohnt?“ im überregionalen Teil der gedruckten Ausgabe vom 12. Juli.

Ich bin froh, dass es diese osteuropäischen Betreuerinnen gibt. Ich finde es auch gut, dass das Bundesarbeitsgericht mit seinem Urteil auf eine faire Arbeitszeit aufmerksam gemacht hat. Allerdings fehlt die Antwort der Pflegeversicherung noch.

Die „Live-Ins“, wie sie im Artikel genannt werden, ermöglichen es pflegebedürftigen Menschen, in ihrem vertrauten häuslichen Umfeld wohnen zu bleiben. Um dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts und dem Arbeitszeitgesetz gerecht zu werden, müsste der Idealfall einer Pflegebedürftigkeit so aussehen, dass die pflegebedürftige Person in der Lage ist, zwei bis drei Stunden pro Tag alleine zu sein und auch während einer Nachtruhe von ca. zehn Stunden keine Hilfe braucht. An zwei Tagen pro Woche müsste sie die Tagespflege besuchen oder von Angehörigen betreut werden.

Die Anstellung einer Betreuungskraft durch den Pflegebedürftigen als Arbeitgeber mit fairer Bezahlung würde in diesem Fall Kosten über 3000 Euro/Monat für den Pflegebedürftigen bzw. seine Angehörigen bedeuten. Denn zum Nettogehalt von z.B. 1650 Euro müssen noch die Sozialversicherungsabgaben, die Unfallversicherung, evtl. ein Urlaubsgeld und die Kosten für die Heimfahrten dazugezählt werden und zusätzlich die Anstellung einer Urlaubsvertretung, wenn diese Zeit nicht durch die Angehörigen oder die Kurzzeitpflege überbrückt werden könnte.

Es gibt Familien, die einiges mehr bezahlen, um eine gute Kraft nicht zu verlieren. Wenn allerdings die pflegebedürftige Person wirklich rund um die Uhr eine Betreuung bräuchte, müssten zwei Betreuungskräfte, wenn nicht sogar drei angestellt werden, was wohl für kaum jemand finanzierbar wäre. Ich finde es nicht nachvollziehbar, warum die Pflegeversicherung die Versorgung durch häusliche Betreuungskräfte nicht in ihren Leistungskatalog aufgenommen hat. Denn fest steht, dass es gar nicht genügend Alten- und Pflegeheimplätze gibt, um all die aufzunehmen, die weder durch ambulante Dienste noch durch Angehörige ausreichend versorgt werden können.

Mit Pflegegrad 3 erhält eine Person aktuell 599 Euro Pflegegeld, für einen Altenheimplatz würde die Pflegeversicherung 1319 Euro bezahlen. Mit Pflegegrad 4 gibt es 800 Euro Pflegegeld und fürs Pflegeheim 1855 Euro. Nicht einmal der Betrag aus der Verhinderungspflege wird ausbezahlt, wenn die Betreuungsperson in häuslicher Gemeinschaft mit der pflegebedürftigen Person lebt. Auch der Entlastungsbetrag steht nicht zur Verfügung.

Unverständlich warum die Pflegeversicherung nicht schon längstens dem Rechnung getragen hat, dass es ohne die „Live-Ins“ nicht geht. Deren Finanzierung gehört meiner Meinung nach in den Leistungskatalog der Pflegeversicherung. Dadurch würde auch das Ziel von faireren Arbeitsbedingungen und Entlohnung für die Betreuungskräfte näher rücken.

Elisabeth Memmert, Niederstotzingen