Da sitzen Drachen auf den Rücken. Oder Totenköpfe auf dem Unterarm. Wieder andere haben sich den Knöchel mit einer Sternchenreihe geschmückt. Oder die Rippen mit Lilien. Tattoos sind so vielfältig, wie die Menschen, die sie tragen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Einzig die körpereigene Fläche definiert das absolute Maximum.
Und was früher verpönt war, als Szene galt, hat sich längst aus einem Milieu in die Mitte der Gesellschaft bewegt. Tattoos sind salonfähig geworden, wie man so schön sagt. Mit Tattoo wird man nicht mehr automatisch abgestempelt oder karrieretechnisch abgestraft (zumindest gibt es ja immer gewisse Verdeckungsmöglichkeiten). Und zu einer gewissen Spezies gehört man mit Tattoo schon lange nicht mehr.

Er hat ordentlich Erfahrung: Tattoos sind Kayas große Leidenschaft
Von diesem Wandel kann „Kaya“, wie Kai Lauber seit Kindertagen genannt wird, ein Liedchen singen. Er ist nicht groß, wenn er da so hinter seiner gläsernen Ladentheke in seinem Nattheimer Studio steht. Die Tattoos, die unter dem T-Shirt hervorschauen und der gezopfte Bart sind jedoch ein Statement. Doch der harte Kerl spricht sanftes Schwäbisch und sein Lächeln ist herzlich.
Und wenn eines feststeht, dann dies: Tattoos sind seine große Leidenschaft. An seinem Körper gibt es kaum mehr freie Fläche, lässt er wissen. Sogar im Gesicht sitzt ein Sternchen auf der Wange. Das hat er sich 2004 stechen lassen.
Mit 17 Jahren hat er sich seine erste Ausrüstung gekauft
Kaya war der erste Tätowierer im Landkreis Heidenheim. Seit 40 Jahren ist der gebürtige Heidenheimer offiziell aktiv. Erst nebenberuflich, seit 1997 selbstständig und seit 2002 in Nattheim mit einem eigenen Studio vertreten. Angeboten wird hier „alles“, wie Kaya sagt. Dazu gehören etwa Tattoos, Plugs (eine Art Schmuck, der in gedehnte Ohrlöcher eingesetzt wird), Permanent Make-up, sogenannte Anchors (Körperschmuck, der unter die Haut implantiert wird), Kayas Frau Monika Lauber ist für die Piercings zuständig.
Das erste Tattoo würde ich jetzt nicht im Gesicht stechen.
Tätowierer Kaya aus Nattheim
Wie kommt man dazu? Eine kreative Ader hatte der heute 58-Jährige schon als Kind. Er hat viel und gerne gezeichnet – zu dieser Zeit noch nicht wissend, wohin ihn dieses Talent führen wird. Mit 13 Jahren hatte er sich selbst sein erstes Tattoo gestochen, ein Kreuzchen am Oberarm. Sein Treiben machte die Runde, er tätowierte Freunde, sogar in der Schule. Während es heute Kunsthaut und dergleichen für Übungszwecke gibt, hat Kaya sein Handwerk an sich und Bekannten ausprobiert. Ganz nach dem Prinzip Learning-by-doing – eine offizielle Ausbildung gibt es bis heute nicht.
Er gab seinen Beruf als Drucker auf und machte sich selbstständig
Mit 17 kaufte er sich dann seine erste Ausrüstung und arbeitete fortan nebenberuflich und offiziell als Tätowierer. Nach zwölf Jahren gab er seinen Lehrberuf (Drucker bei Edelmann) auf und wagte den Schritt in die Selbstständigkeit. Er war schon immer fasziniert von Tattoos, wie er sagt. Seine Leidenschaft wurde zum Beruf.
Kaya kennt sich aus mit Nadel und Farbe, mit Technik und Equipment – und ebenso mit den Wünschen und Befindlichkeiten der Menschen. Er erinnert sich: „Früher haben die Leute die Straßenseite gewechselt, wenn einer mit Tattoo vorbeilief, das ist heute nicht mehr so.“ Über die Jahre ist eine Akzeptanz gewachsen. Gleichzeitig haben sich die Grenzen verschoben. „Früher war nicht an ein Gesichtstattoo zu denken, heute mache ich das auch, wenn es der Kunde wünscht“, sagt der Nattheimer.
Von Tribals und Tieren: Die Wünsche der Kunden variieren
Wikinger, Indianer, Tiere, Tribals: Die Wünsche der Kunden bewegen sich in Wellen und variieren. „Es ist immer mal was anderes hoch im Kurs“, sagt Kaya und wirkt so, als könne ihn kein Motiv der Welt aus der Ruhe bringen. Er nimmt die Wünsche seiner Kunden ernst, sensibilisiert aber auch und setzt mitunter Grenzen. „Das erste Tattoo würde ich jetzt nicht im Gesicht stechen“, sagt er. „Man sollte sich das schon gut überlegen. Es gibt immer noch keinen Radiergummi dafür.“
Die Ausrüstung und das Arbeiten an sich haben sich verändert über die Jahre. Wo früher aufwendig Nadeln desinfiziert werden mussten, steht heute Einmal-Werkzeug bereit. „Da hat sich so unheimlich viel getan“, sagt Kaya. Auch der Markt ist heute anders. Wenn Kaya an die Anfangszeit zurückdenkt, kann er sich an einen Kollegen in Ulm, an einen in Augsburg und an zwei Kollegen in München erinnern. Heute gibt es fast überall Tattoostudios. „Das macht was“, sagt er.
Tattoos sind Schmuck.
Tätowierer Kaya aus Nattheim
Für Kaya selbst sind Tattoos in erster Linie Schmuck. „Sie erzählen nicht immer eine Geschichte. Manchmal findet jemand einfach etwas schön“, sagt er. Wenn er sich definieren müsste, würde er sich als Kunsthandwerker bezeichnen. Denn, wenn er Kunden Bilder auf die Haut sticht, vereinen sich Kreativität, Präzision und Handarbeit. Egal, ob Blatt oder Haut oder Leinwand: Das Ergebnis zählt.

Heute weiß er nicht mehr, wie viele Tattoos er gestochen hat, geschweige denn, wie viele Kunden er hatte. „Das füllt sicher ein paar Fußballfelder“, sagt er und lacht. Ihm geht die Lust nicht aus: „Ich mache das immer noch so gerne. Und solange ich es kann, bleibe ich dabei.“ Seine Frau ergänzt mit einem Augenzwinkern: „Der geht wahrscheinlich nie in Rente.“ Vielleicht ist er eines Tages nicht nur der erste, sondern auch der älteste Tätowierer im Landkreis.