Paprika und Heimatgefühle

Warum ein 87-jähriger Itzelberger Hunderte Paprikas züchtet

Anstelle von Blumen säumen Hunderte Paprika-Pflanzen seinen Balkon: Andreas Krukenfelner aus Itzelberg verbindet viel mit dem für Ungarn typischen Gemüse. Er züchtet es gemeinsam mit seiner Tochter Sandra Bohms. Ein Vater-Tochter-Projekt der besonderen Art.

Warum ein 87-jähriger Itzelberger Hunderte Paprikas züchtet

Im Englischen gibt es ein Sprichwort: „Home is where the heart is“ – Zuhause ist dort, wo das Herz ist. Schon seit Jahrzehnten wohnt Andreas Krukenfelner – gebürtiger Ungar – in Itzelberg. An seine alte Heimat erinnert er sich noch genau: „Ich war neuneinhalb Jahr alt, als wir gehen mussten.“ Die Krukenfelners – eine ungarn-deutsche Familie – wurden nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben und landeten in Königsbronn. Wie so viele Familien waren sie gezwungen, alles hinter sich zu lassen und an einem fremden Ort neu anzufangen. Heute, im Alter von 87 Jahren, denkt Andreas Krukenfelner immer noch häufig an die alte, ungarische Heimat, auch wenn er sich in seiner "neuen" Heimat wohlfühlt: Seit den 1960ern wohnt Krukenfelner in Itzelberg.

Das Schöne: Seine alte Heimat gedeiht sozusagen überall um ihn herum. Ein Blick auf das Itzelberger Wohnhaus lässt erahnen, was gemeint ist: Anstelle von Blumen sprießen dort Paprika aus den Kübeln am Balkongeländer. Kleine, größere, besonders scharfe, eher milde, rote, grüne, gelbe, weiße, sogar schwarze Paprikas gedeihen überall auf dem Grundstück. Es sind knapp zehn verschiedene Sorten und insgesamt Hunderte Pflanzen. „Die kleinen Gelben sind besonders scharf“, sagt Krukenfelner bei einer Tour über das Grundstück. „Und die hier hat mein Enkel vor zwei Jahren aus Ungarn mitgebracht – nicht ganz so scharf.“

"Die Gelben sind besonders scharf, da muss man ein Bisschen aufpassen. Aber nach ein paar Minuten geht´s dann meistens schon wieder", sagt Krukenfelner grinsend. Rudi Penk

Ein Vater-Tochter-Projekt

Wenn der Itzelberger von seinen Paprika erzählt, strahlt er und man merkt, dass er mit Herzblut bei der Sache ist. Für ihn hat das etwas mit seiner alten Heimat zu tun. Der Geschmack von Paprika ist irgendwo auch der Geschmack seiner Kindheit in Ungarn. Außerdem liebt der 87-Jährige das Gärtnern. Dass Tochter Sandra Bohms seine Leidenschaft teilt und engagiert am Paprika-Projekt beteiligt ist, freut ihn umso mehr. Ein Vater-Tochter-Projekt.

"Seit ich denken kann, hat mein Vater Paprikas im Garten gehabt und wir haben immer scharf gegessen. Wir lieben Paprika. In den vergangenen Jahren hat er nochmal stark aufgestockt“, sagt Bohms. "Es wurden zunehmend mehr Sorten und mehr Paprika-Pflanzen." Beim täglichen Vesper am Abend sei das geliebte und für Ungarn so typische Gemüse schon längst nicht mehr wegzudenken. Bohms lebt seit dem Tod ihrer Mutter – und Ehefrau Krukenfelners – bei ihrem Vater, damit er nicht alleine ist. Langweilig wird es beiden selten, denn mit der Paprikazucht und mit der Verwertung gibt es immer genug zu tun.

Doch wozu die große Mühe, wenn man sich das Gemüse auch einfach im Einzelhandel kaufen könnte? "Weil’s was Eigenes ist und weil es rundum gut tut", sagt Bohms. Abgesehen von kulinarischer Freude bedeutet die Zucht für sie auch Verbindung zur Natur. "Und irgendwie ist es so, als würde man den eigenen Babys beim Wachsen zusehen", sagt sie. Wenn die ersten Paprika zu sehen sind, sei das ein besonderer, aufregender Moment. Außerdem sei alles rein Bio. "Ich tue meinem Körper etwas Gutes, bin eins mit der Natur, verbunden mit meinem Vater und ich esse mit mehr Liebe." Das tue ihr extrem gut, sagt Bohms. "Jede schwere Gießkanne, die ich dafür tragen muss, ist es wert."

"Jede schwere Gießkanne, die ich dafür tragen muss, ist es wert."

Sandra Bohms

Die Kunst des Einmachens

Und was tun Tochter und Vater mit der Fülle an Paprikas? Krukenfelner schmunzelt: „Es sind nicht nur Paprikas.“ In dem Garten des Itzelbergers findet sich zahlreiches weiteres Gemüse wie Zucchinis, Bohnen, Gurken, Tomaten, Brokkoli, Kohlrabi und Lauch. Die Ernte ist also noch üppiger. Krukenfelners Tipp: Meister im sauren Einmachen von Gemüse sein. „Darum kümmert sich Sandra“, sagt er. Ach, und wen es interessiere, wie scharfe Gurken schmecken: „Erst Gurken ins Glas, dann oben drauf scharfe Paprika“, sagt der 87-Jährige. „Ein prima Geschmack!“

Die Spezialität des Hauses ist jedoch das selbstgemachte Paprikapulver, das den Geschmack von Ungarn in die Küche bringt. Die Herstellung: ein echtes Familienritual. Krukenfelner: „Sandra fädelt die kleinen, scharfen Paprikaschoten an Seilen auf.“ Das sieht nicht nur hübsch aus, sondern dient vor allem dazu, dass die kleinen Schoten trocknen. Wenn sie „strohtrocken“ sind, sagt Krukenfelner, "übernehme ich". Zwei Mal mahlt er die Schoten mit einer alten Kaffeemühle zu einem hauchfeinen, aromatischen Pulver. Damit wird im Hause Krukenfelner nicht gespart, denn das Essen darf dort ruhig scharf sein. Das Pulver findet auch bei der Zubereitung gefüllter Paprika Anwendung. Oder wenn die Tochter mal wieder Letscho macht, ein ungarisches Nationalgericht. „Das gibt es zum Beispiel morgen“, sagt Bohms, und lächelt.

Nicht nur nützlich, sondern auch schön: So werden die kleinen Paprika aufgefädelt, um zu trocknen. Rudi Penk

Die Paprikas in Andreas Krukenfelners Garten sind nicht nur eine Ernte, sondern ein lebendiges Erbe seiner ungarischen Kindheit. Hier, umgeben von grünen Gärten und scharfen Paprikaschoten, kann man meinen, dass der Spruch "Home is where the heart is" lebendig wird. Für Andreas Krukenfelner und seine Tochter Sandra Bohms ist ihr kleines Stück Paradies in Itzelberg ein Ort, an dem sie ihre Liebe zur Natur und ihre Leidenschaft für Paprikas teilen. Zuhause, eben.

Alle Paprika auf dem Grundstück Krukenfelners haben etwas gemein: Ihnen fehlen die Makel. Im Gespräch mit der HZ hat der 87-Jährige sein Geheimnis für makellose Paprika verraten.
Von Paprika und Heimatgefühlen - Ungarndeutscher aus Itzelberg und seine Paprika-Pflanzen. Foto: Rudi Penk Rudi Penk

Das Geheimnis des makellosen Gemüses

Was aber ist das Geheimnis hinter dem makellosen Gemüse? Keine Pestizide, kein Kunstdünger, sondern die Kraft der Natur. "Ich dünge grundsätzlich mit Brennnesseln, zerhackt und vermischt mit getrocknetem Kaffeesatz“, verrät Krukenfelner nach kurzem Überlegen. Das sei sein Geheimnis, das er auch einem Blumengärtner verraten habe. Ein Schmunzeln verrät, dass Krukenfelner dieses Geheimnis gerne teilt.