Mikroabenteuer

Kälte-Kick für Körper und Geist: So geht Planschen in der Gefriertruhe

Zugegeben, ganz koscher wirkt das nicht: Im Sommer freiwillig in eine umfunktionierte Gefriertruhe zu steigen, zu frieren. Doch Eisbaden soll zahlreiche gesundheitliche Vorteile bergen. Und ein Abenteuer ist es allemal. Wie sich der Sprung ins kalte Wasser anfühlt – und was er tatsächlich bringt. Ein Selbstversuch.

Kälte-Kick für Körper und Geist: So geht Planschen in der Gefriertruhe

Ein mehr oder minder warmer Sommertag an der Brenz in Königsbronn – und ich stehe vor einer eisigen Herausforderung: Atmen, Frieren, Konzentrieren. Oder besser gesagt: Eisbaden im Sommer. Die Spielregeln: Erst zwei Minuten reglos in der Brenz verweilen, dann selbiges in einer mit eiskaltem Wasser gefüllten Gefriertruhe wiederholen.

Klingt nach einer verrückte Idee, aber zum einen soll Eisbaden ja zahlreiche gesundheitliche Vorteile mit sich bringen. Und zum anderen ist es die mir angeborene Kombination aus Entdeckergeist und Neugier, die mich dazu treibt, dieses kleine Abenteuer zu wagen.

Kälteschock und Fluchtreflex

In Badelatschen und Schwimmbekleidung stehe ich also am Ufer der Brenz und achte bewusst auf meine Atmung – tief durch die Nase ein, und etwa doppelt so lange aus. Wie beim Meditieren kann der Atem auch hier als eine Art Anker fungieren. Ich weiß, dass ich mich gleichzeitig konzentrieren, aber auch entspannen muss, damit mich die Kälte nicht übermannt.

Jetzt geht es los: Ein erster Schritt und meine Füße tauchen ins Wasser. Dass es nur neun Grad kalt ist, spüre ich sofort. Angenehm ist das nicht. Als das Wasser meinen Bauchnabel erreicht, durchzuckt mich ein plötzlicher Schauder. "Bist du verrückt geworden?", schreit eine plötzlich sagenhaft laute Stimme der Vernunft mich an. Doch lasse ich mich davon nicht abschrecken, sondern wage den nächsten Schritt ins Wasser. Und noch einen. Mein Körper ist jetzt bis zum Hals unter Wasser. Die Kälte fühlt sich an wie tausend winzige Nadelstiche auf meiner Haut. Mein Atem ist unregelmäßig, mein Herz schlägt schneller. Ich spüre einen Fluchtreflex und würde am liebsten direkt wieder ins Trockene eilen. Es ist, als würde mein Körper alle Alarmglocken läuten, um mich vor dieser eiskalten Umgebung zu warnen.

Dann erinnere ich mich wieder ans Atmen, ans bewusste Atmen: tief und regelmäßig ein und aus. Das ist im Warmen um einiges leichter, doch je länger und disziplinierter ich mich darauf konzentriere, desto ruhiger werde ich. Ich spüre tatsächlich, wie sich mein Puls verlangsamt. Die Kälte ist noch immer unangenehm, doch zugleich spüre ich eine Woge der Belebung, und ein Gefühl der Euphorie erfüllt mich.

Wirkung auf Körper, Seele und Geist

Die Reaktion meines Körpers auf die Kälte ist tatsächlich ein physiologischer Schutzmechanismus. Der Körper zieht die Blutgefäße zusammen, um den Wärmeverlust zu minimieren und lebenswichtige Organe zu schützen. Gleichzeitig werden Endorphine freigesetzt, um mit der Stressreaktion umzugehen und ein angenehmes Gefühl zu erzeugen. Trotz des Kälteschocks fühle ich mich erstaunlich lebendig und voller Energie. Wissenschaftlichen Fakten bestätigen, dass Eisbaden tatsächlich eine positive Wirkung auf Körper, Seele und Geist hat. Es regt die Durchblutung an und fördert eben die Ausschüttung von Endorphinen, die für euphorische Gefühle sorgen.

Bevor ich die kühle Brenz verlasse – zwei Minuten sind vorüber – spüre ich eine innere Ruhe und Gelassenheit, die mich überkommt. Ich denke an gar nichts, fühle mich aber extrem lebendig. Ergibt Sinn, denn Eisbaden soll tatsächlich auch dabei helfen, Stress abzubauen und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern.

Das kalte Wasser stimuliert das autonome Nervensystem und aktiviert den "Kampf- oder Fluchtmodus". Dieser Mechanismus führt zu einer erhöhten Ausschüttung von Neurotransmittern wie Serotonin und Noradrenalin, die die Stimmung verbessern und Stress abbauen.

Die ungewöhnliche Erfahrung in der Gefriertruhe

Nach meiner ersten eisigen Erfahrung am Fluss bin ich aber noch nicht fertig. Ich suche nach einer noch extremeren Erfahrung und weiß, wo ich sie finde. Bei Adrian Bader, der das Eisbaden zu seiner täglichen morgendlichen Praxis gemacht hat. Auf E-Bay hat der gebürtige Essinger eine alte Gefriertruhe gekauft, sie mit Wasser befüllt und zur Eisbad-Truhe umfunktioniert. Das Wasser darin ist noch kälter, die Temperatur beträgt vier Grad Celsius.

Ein Blick sagt mehr als tausend Worte. Hier etwa: "Hilfe" Katharina Horrer

Jetzt wird's also ernst. Ich denke, ich weiß, was mich erwartet. Doch als ich bis zum Hals in das Wasser tauche, ist es, als würde die Kälte mich in einem eisigen Griff festhalten. Mein Körper zuckt, mein Atem stockt und ich kämpfe darum, ihn unter Kontrolle zu bringen. Ich stelle fest: Das ist nochmal ein ganz anderes Level – hier soll sich mal jemand auf irgendetwas anderes als Flucht konzentrieren.

Sei's drum: Um mein Nervensystem zu beruhigen und dem Körper zu signalisieren, dass alles in Ordnung ist, versuche ich, mich wieder aufs Atmen zu besinnen. Doch diesmal will es nicht klappen. Es gelingt mir zwar, überhaupt mal wieder Luft zu bekommen. Doch an regelmäßige, tiefe Atmung ist nicht zu denken. Unmöglich. Und diesmal verlasse ich die Kälte auch schon vor Ablauf der zweiminütigen Frist, nach knapp eineinhalb Minuten. Im Duell "Eiserner Wille gegen eisige Kälte" hat die Kälte gesiegt.

Die unerwartete Erkenntnis

Nachdem ich die Gefriertruhe verlassen habe und mich langsam aufwärme, spüre ich eine unglaubliche Vitalität und Klarheit in mir. Ich fühle mich erfrischt und energetisiert, als hätte ich einen Neustart für meinen gesamten Körper erlebt.

Das Eisbaden löst eine Kettenreaktion von biochemischen Prozessen im Körper aus. Die Durchblutung wird angekurbelt, was dazu führt, dass Sauerstoff und Nährstoffe effizienter durch den Körper transportiert werden. Gleichzeitig werden Entzündungsreaktionen reduziert, was zu einem gesteigerten Wohlbefinden und einer verbesserten Immunität führt.

Eisbaden mag wie eine verrückte Idee erscheinen und angenehm ist es definitiv nicht. Doch von meinem Flussabenteuer bis hin zum ultimativen Kältekick in der Gefriertruhe habe ich nicht nur meine Komfortzone verlassen und meine Grenzen überlistet, sondern auch die erstaunliche Wirkung des Eisbadens auf Körper, Seele und Geist erlebt. Klarheit, Freude und eine Menge Energie waren die sofortige Belohnung. Und wer morgens schon ins Eisbad gesprungen ist, den dürfte im Verlauf des Tages so schnell nichts aus der Bahn werfen. Also, warum nicht mal selbst eintauchen und die Kälte umarmen? Es ist ein Abenteuer, das einen sicherlich nicht kaltlässt.

Eisbaden: Der Sprung ins kalte Nass muss geplant sein

Eisbaden sollte man am besten in einer Gruppe oder mindestens zu zweit machen. Generell sollte das eisige Bad nicht länger als fünf Minuten dauern. Während des Bades sollte man bestenfalls eine Badekappe oder eine Mütze aufsetzen, keinesfalls jedoch mit dem Kopf untertauchen. Anschließend viel Bewegung und warme Kleidung sind obligatorisch. Für Personen mit hohem Blutdruck kann Eisbaden riskant sein. Allgemein sollten Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen kalte Gewässer meiden.