Durch Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen

Planlos, aber gut vorbereitet: Wie zwei Hermaringer in der dunklen Jahreszeit zum Nordkap reisten

Zum äußersten Rand des europäischen Festlandes fahren, das wollten Kai Hönig und Fritz Gauger aus Hermaringen. Da sie weder mit einer genauen Route, noch mit Unterkünften oder sonstigen Annehmlichkeiten planten, mussten sie auf alles vorbereitet sein.

Eine Reise ins Blaue hinein, das ist heute ein Ding der Vergangenheit. Gibt es doch kaum einen Ort auf der Welt, über den man sich nicht bis ins letzte Detail informieren könnte; mit Kartendaten, Listen der besten Sehenswürdigkeiten und Reiseblogs als Quelle. Und es hat ja auch viele Vorteile, sich vorher zu informieren: So kann man Tagesetappen planen, Unterkünfte buchen und besser entscheiden, was man für die Reise braucht und was nicht.

Dass es viel Spaß machen kann, all das nicht zu tun, das haben die Hermaringer Kai Hönig und Fritz Gauger sich kürzlich selbst bewiesen. Sie traten im Oktober eine insgesamt 8500 Kilometer lange Reise zum Nordkap, einem der nördlichsten Orte Europas, der mit dem Auto zu erreichen ist, an. Die Idee dazu kam ihnen spontan bei einem Gespräch, erzählen die Hermaringer, und da sie die genaue Route dorthin nicht planen wollten, mussten Sie sich eben gut vorbereiten.

Angefangen mit dem passenden Vehikel, in diesem Fall der Ford Ranger von Gauger. Darauf wollte der 24-Jährige das alte, „fast schon historische“ Dachzelt seines Großvaters anbringen. Doch das stellte sich als zu kurz und nicht winddicht heraus, Umstände, die im hohen Norden nicht tragbar gewesen wären. Doch ein Dachzelt musste sein, „denn wir wussten ja nicht, wie wir uns da oben alles vorstellen können, ob man da eher autark unterwegs ist oder ob da alles ausgebaut ist“, so Hönig.

Also wurde ein neues Dachzelt gekauft, und das wurde zum Startschuss für den Rest der extensiven Vorbereitung. „Es ist ein bisschen ausgeartet“, sagt Hönig dazu schmunzelnd. Neben Werkzeugen wie Äxten. Spaten, einer Motorsäge und einer Angel war auch Gerät für den nordischen Winter dabei, zum Beispiel ein Greifzug und Sandbleche. „Wir sind davon ausgegangen, dass im Oktober oder November ja auch mal ein Schneesturm kommen könnte“, so der 31-Jährige.

Der Stauraum auf dem Truck musste nach oben hin erweitert werden, um alles Material mitzuführen. Foto: Gauger/Hönig

Wegen der erwarteten Kälte durften zudem warme Schlafsäcke nicht fehlen. Aber damit nicht genug: Für die langen Nächte im Dachzelt musste auch eine Dieselstandheizung her. Da diese Heizung außerhalb von Zelt und Auto stehen würde, musste sie auch wasserdicht sein, weshalb Hönig und Gauger sie kurzerhand in eine Kiste verbauten, mit Lufteinlässen und einem Warmluftschlauch, der zum Dachzelt führen sollte.

Drei bis vier Monate dauerte es schließlich, bis nach und nach das Material besorgt und ein Konzept zur wasserdichten Unterbringung desselben auf dem Truck entworfen werden konnte. Am Truck verbauten die Hermaringer zum Beispiel ein Alu-Gerüst für alle Boxen, die außen untergebracht wurden; ein System von Arbeitsscheinwerfern, die das ganze Umfeld des Trucks beleuchten können und einen Wassertank.

Am 2. Oktober war dann schließlich alles so weit, und die Reise konnte beginnen. Zunächst fuhren Hönig und Gauger auf der Autobahn bis Rostock, nach einer Übernachtung dort ging es mit der Fähre weiter. Sechs Stunden später setzen die beiden in Trelleborg Fuß auf schwedischen Boden. Einen halben Tag lang ging die Fahrt in Richtung Norden, bevor die beiden zum ersten Mal nach einem Schlafplatz in der Wildnis suchen mussten. Den Besuch von Campingplätzen habe man nicht grundsätzlich ausgeschlossen, so Hönig, vor allem wegen der Möglichkeit einer warmen Dusche. „Aber die scheinen dort alle nur im Juli und August geöffnet zu sein.“ So badeten die zwei Reisenden in den überall auffindbaren Seen oder nutzten Wasser, das zuvor in Flaschen im Motorraum des Trucks erhitzt wurde.

Und wo hielten die beiden dann zum Übernachten an? An ganz unterschiedlichen Orten, erklären Gauger und Hönig: „Meistens fuhren wir abends von der Straße, auf der wir gerade waren ab, dann in einen Wald, und zwei Waldwege weiter fand man dann irgendeine Lichtung oder einen See.“ Das sei natürlich nur möglich, weil große Teile Skandinaviens recht dünn besiedelt sind.

Immer wieder waren Gauger und Hönig abseits der Straßen unterwegs, um Schlafplätze zu finden. Foto: Gauger/Hönig

Am ersten Abend in Schweden entschieden sich die Hermaringer für eine kleine Landzunge, die in einen See hineinragt, als Schlafplatz. Keine besonders gute Idee, berichtet Hönig, denn der Wind habe so auf das Zelt eingeschlagen, dass an Schlaf praktisch nicht zu denken war. Eine Lektion, die bei der Suche nach zukünftigen Schlafplätzen sehr hilfreich war.

Nicht immer gestaltete sich diese Suche einfach. Gauger berichtet von einem Waldweg, der irgendwann einfach aufhörte. „Als die Zweige links und rechts am Auto gestreift haben, habe ich entschieden, dass wir zurückfahren.“ Also ging es mit Allrad und rückwärts wieder raus aus dem Wald.

Manchmal führten diese abenteuerlichen Fahrten auch zu noch abenteuerlicheren Zielen. Zum Beispiel zu einer geschotterten Freifläche mitten im Wald, auf der die Überreste einiger Tierskelette lagen. Hönig theoretisierte, dass hier eventuell immer wieder ein Jäger die Überreste der von ihm geschossenen Tiere abgeladen hat. Gauger gab zu bedenken, dass es sich auch um die Reste einer Wolfsmahlzeit handeln könne. Nachdem sie sich vergewissert hatten, dass die Knochen schon recht alt waren, entscheiden sich Hönig und Gauger schließlich, nicht mehr weiterzufahren und auf der Lichtung zu übernachten.

Rentiere auf den Straßen sind in manchen Teilen Skandinaviens keine Seltenheit. Foto: Gauger/Hönig

Tagsüber kamen die Reisenden auf besser befestigten Straßen gut voran, hielten nur manchmal an, um Rentiere über die Straßen zu lassen oder um besonders schöne Seen, Flüsse und Täler zu besichtigen. Bei einem Fachgeschäft für Scheinwerfer machten Hönig und Gauger einen Boxenstopp, um besonders helle und deswegen in Deutschland nicht zugelassene Scheinwerfer einzukaufen und zu verbauen.

Nach fünf Tagen erreichten die beiden Finnland, und einen Tag später näherten sie sich ihrem Ziel: Die Insel Mageroya, an deren nördlicher Spitze das Nordkap liegt, auf Klippen, die 300 Meter bis zum Meer abfallen. Durch einen Tunnel fuhren sie auf die Insel und kamen spät am Abend schließlich auf der Hochfläche bei der Nordkaphalle an. Ihre „höllisch hellen Scheinwerfer“ könne man sogar auf den Bildern der offiziellen Nordkap-Webcam sehen, erklärt Hönig schmunzelnd.

Das blieb auch bei den wenigen anderen Reisenden, die die Oktobernacht am Nordkap verbrachten, nicht unbemerkt. Ein Deutscher aus Wuppertal kam mit Hönig und Gauger ins Gespräch und lud sie dazu ein, etwas von seinem mitgebrachten Sauerkraut zu essen. Später, auf der Besuchertoilette, traf Hönig auf einen Mann, der im dortigen Waschbecken Kleider wäscht. Ein Gespräch entstand, und es stellte sich heraus, dass der Mann aus Spanien kommt und „innerhalb von sechs oder sieben Monaten zum Nordkap hochgelaufen ist, in Sandalen“.

Am Himmel über dem Nordkap bekamen die Hermaringer Nordlichter zu sehen. Links im Bild der Nordkap-Globus. Foto: Gauger/Hönig

Damit aber noch nicht genug mit den Ereignissen der Nacht: Im Internet stand zu lesen, dass wohl später Nordlichter zu sehen sein würden. „Schlafen konnte man wegen des Winds eh nicht, also sind wir hinausgegangen und haben uns zwei Stunden lang die Nordlichter angeschaut“, sagt Gauger. Auch im späteren Verlauf der Reise konnten sie dieses Naturschauspiel noch mehrmals bestaunen.

Am nächsten Tag begann die Rückreise, die aber deswegen keinesfalls langweiliger ist als die Hinreise. Die Hermaringer hielten an zahlreichen Wasserfällen, Fjorden und machten einen größeren Umweg, um die berühmte Passstraße Trollstigen zu befahren. Um diese Jahreszeit eine Freude, die nicht mit anderen Reisenden geteilt werden muss: „Dort oben war kein Mensch“, sagt Hönig.

Auch eine Drohne hatten Hönig und Gauger zum Fotografieren dabei. Die Aufnahme zeigte die Passstraße Trollstigen. Foto: Gauger/Hönig

Doch trotz Umwegen ging die Fahrt unaufhaltsam nach Süden, bis es schließlich in Schweden wieder an der Zeit war, eine Fähre zu nehmen, diesmal nach Dänemark. Viele Zwischenstopps werden nun nicht mehr gemacht, die Reisenden wollen nach Hause. Nach einer Übernachtung in Büsum treten sie die letzte Etappe an und erreichen schließlich Hermaringen.

Zurück bleiben gute Erinnerungen, aber auch etwas Bedauern. Denn der erhoffte Schnee blieb auf der ganzen Fahrt aus. „Wir hätten das gerne erlebt und wären auch gerne unter solchen Umständen gefahren“, sagt Hönig. Ihre umfangreiche Vorbereitung halten die beiden Männer trotzdem für sinnvoll: So habe man auch bei jeder noch so beschwerlichen Schlafplatzsuche gewusst, dass man es irgendwie wieder auf die Straße schaffen würde. Und den Komfort des beheizten Dachzelts wollten sie in der Kälte nicht missen.

Die jetzt erprobte Ausstattung, da sind sich Gauger und Hönig einig, verlangt jedenfalls nach weiteren Fahrten. Wohin, das wird sich noch zeigen; eine feste Route werden die beiden aber sicher nicht ins Auge fassen.