Manchmal sind es Zufälle, die den Lauf der Dinge verändern. Hätte sich Bürgermeister Jürgen Mailänder nicht beim gleichen Friseur wie Dr. med. Sebastian Göbel die Haare schneiden lassen, wäre das Projekt „Die Grüne Aue“ womöglich nie in Hermaringen gelandet. Inzwischen steht die Praxis vor einer möglichen Erweiterung. Geplant ist ein Neubau für rund 20 Millionen Euro. Die Pläne sind zwar fertig, aber momentan fehlt noch die finanzielle Grundlage für die Umsetzung.
Ursprünglich planten Göbel und seine Frau Dr. Anne-Gritli Göbel-Wirth ein innovatives medizinisches Versorgungszentrum – das Projekt „Die Grüne Aue“ – in Bamberg zu realisieren. Die Vorbereitungen waren bereits weit fortgeschritten, es fehlten lediglich noch Gespräche zur finalen Abstimmung. Doch nur vier Tage vor dem Corona-Lockdown rief Mailänder das Ärzte-Ehepaar an. Der Friseur hatte ihm von ihrer Idee erzählt – und sein Interesse war geweckt.
Wenige Tage später reisten die Initiatoren nach Hermaringen, um dem Bürgermeister ihr Konzept vorzustellen. Ursprünglich waren sie lediglich auf der Suche nach einem Ort für eine hausärztliche Versorgung. Doch schnell wurde deutlich: Die Idee hatte das Potenzial für mehr. Mailänder zeigte sich offen – und legte damit den Grundstein für ein Projekt, das inzwischen überregionale Aufmerksamkeit erregt. Zu diesem Zeitpunkt war ein Gebäude für die Praxen in Hermaringen bereits im Bau – ein geplanter Erweiterungsbau für das Projekt war von Anfang an vorgesehen. Für Anne-Gritli Göbel-Wirth zeigt diese Entwicklung, dass aus kleinen Impulsen große Bewegungen entstehen können, wenn Menschen bereit sind, neue Wege mitzugehen.
Das steckt hinter „Die Grüne Aue“
Das Ziel der Bürgergenossenschaft „Grüne Aue Hermaringen“, die heute über 500 Mitglieder zählt, war von Anfang an klar: Das Ärzte-Ehepaar wollte keine Privatpraxis eröffnen, sondern ein Versorgungsmodell schaffen, das durch die Gemeinschaft getragen wird. Statt dass Patienten einzeln für jede Leistung zahlen, zahlen die Mitglieder Beiträge. Aus diesen gemeinschaftlichen Mitteln werden dann die Kosten für die Sprechstunden übernommen.
„Im Gesundheitssystem wird vieles nur durchgeschleust und ist sozusagen ein Feuerlöscher-System“, erklärt Göbel-Wirth. „Man ist vielleicht drei Minuten in der Praxis, die AOK zahlt – und dann ist es gut.“ Das wollte man ändern. Denn Hausarzt zu sein, soll hier ein erfüllendes Erlebnis bieten, bei dem zu spüren ist, dass man Zeit und Würde erhält, so die Initiatorin.
Das Projekt ist so ausgelegt, dass es sich organisch weiterentwickelt und nicht nur auf einen Neubau setzt. Im Vorstand und Aufsichtsrat engagieren sich neun Personen mit ganz unterschiedlichen Perspektiven, die gemeinsam an der Weiterentwicklung arbeiten. Wie Göbel-Wirth sagt: „Leben ist immer herausfordernd.“ Und genau darauf will die „Grüne Aue“ Antworten geben – durch Gemeinschaft und ein echtes Alleinstellungsmerkmal.

Neubau für 20 Millionen geplant
Nun plant die Bürgergenossenschaft unter dem Namen „Lebensgarten Grüne Aue“ einen Neubau für rund 20 Millionen Euro. Geplant sind mehr Sprech- und Behandlungszimmer, die Raum bieten, um ganzheitlich für die Gesundheit der Menschen zu sorgen. Es soll nicht nur um Behandlung gehen, sondern auch darum, wie Menschen aktiv mehr für ihre Gesundheit tun können, so Göbel.
Verschiedene Angebote sind geplant, darunter Workshops für Familien, Ernährungsberatung, Treffpunkte zum Austausch und gemeinsames Lernen. Zudem soll es die Möglichkeit geben, längere Zeit vor Ort zu verbringen, mit Übernachtung und Verpflegung, um Krankheiten intensiver behandeln zu können, ohne dass ein Krankenhaus nötig ist. Göbel meint, dass dies beispielsweise bei Schüben chronischer Erkrankungen notwendig sein kann und deshalb Patientenbetten ebenfalls eingeplant sind.
In einem Teil des Erweiterungsbaus wird das Therapeutikum mit dem Angebot an ambulanter integrativer Familienmedizin, Kunst- und Körpertherapie sowie Beratung untergebracht, ergänzt durch Geburtshilfe und Sterbebegleitung. Das Kulturcafé soll einen Ort für den Büchertreff geben, der derzeit im Café Cut in Giengen stattfindet. Außerdem können dort auch kulturelle Veranstaltungen ausgerichtet werden, so Susanne Roschy, ehemalige Volkshochschulleiterin in Giengen. Natürlich soll der Neubau auch einen Platz für mehr Sprech- und Behandlungszimmer sowie Seminarräume bieten, um Patientinnen und Patienten über das Thema Gesundheit aufklären zu können. Eine Kinderkrippe ist auch geplant – da nach dem Bau eines neuen Kindergartens in Hermaringen aktuell kein Bedarf besteht, soll diese zunächst für die Kinder der Mitarbeitenden zur Verfügung stehen und bei Bedarf erweitert werden.
Aktueller Stand der Dinge
Aktuell sind viele Details des Baus noch offen. Die Pläne für den Bau seien zwar fertig, das Geld fehle aber noch. „Eigentlich können wir jederzeit mit dem Bau beginnen“, so Göbel-Wirth. Ein Fundraising ist derzeit in Planung. Zudem werde nach Sponsoren und Spendern gesucht, die das Projekt finanziell unterstützen sollen.
Besonders wichtig ist dem Team, dass der Neubau ebenerdig geplant wird. Nur so können alle Beteiligten auf einem Stockwerk zusammenarbeiten, sich austauschen und in enger Interaktion bleiben, so die Initiatorin. Die Gestaltung der Räume sei dabei ein wesentlicher Faktor: Bilder an den Wänden, Bäume vor den Fenstern sollen eine heilsame Atmosphäre schaffen – ein Prinzip, das „Healing Architecture“ genannt wird. Das Dach werde begrünt, und die Architektur folge einer halbrunden Form, in der ein geschützter Park entsteht, so Roschy.
Im Zentrum des „Lebensgartens Grüne Aue“ wird ein großer Garten mit Heilpflanzen, Gemüse und Beerensträuchern entstehen. „Wenn man beispielsweise mit Kindern da ist, kann man mit ihnen draußen sitzen und warten“, so Göbel-Wirth.
Übersicht über die Bürgergenossenschaft
Am 27. Mai 2022 wurde die gemeinnützige Bürgergenossenschaft „Grüne Aue Hermaringen eG“ gegründet – die erste Bürgergenossenschaft Deutschlands, die erweiterte Gesundheitsversorgung anbietet. Zum Kernteam gehören Anna Lotta Rohmeyer, Dr. med. Anne-Gritli Göbel-Wirth, Dr. med. Sebastian Göbel und Dr. med. Kai Näbert. Die geschäftsführenden Vorstandsmitglieder sind Bürgermeister Jürgen Mailänder, Dr. med. Anne-Gritli Göbel-Wirth, Heike Rabl, Daniela Pröll und Susanne Roschy. Der Aufsichtsrat wird von Lothar Lang als Vorsitzendem geleitet. Weitere Mitglieder sind Anna Lotta Rohmeyer, Martin Birzele und Dr. med. Kai Näbert.