Wahl im kommenden Jahr

Hermaringens Bürgermeister Jürgen Mailänder wird nicht mehr kandidieren

Wenn voraussichtlich am 1. Februar 2026 in Hermaringen ein neuer Bürgermeister oder eine neue Bürgermeisterin gewählt wird, dann wird der Name von Amtsinhaber Jürgen Mailänder nicht mehr auf dem Stimmzettel stehen. Nach 24 Amtsjahren kandidiert der 61-Jährige nicht mehr. Im Interview spricht er unter anderem darüber, was auf seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin zukommt.

Herr Mailänder, eines der größten Probleme in Deutschland ist der Mangel an Wohnraum. Welche Optionen hat Hermaringen, wenn es um den Wohnungsbau geht? Es gab hier ja Diskussionen um Einschränkungen aufgrund des Bundesimmissionsschutzgesetzes.

Es ist jetzt erfreulicherweise Bewegung in die Sache gekommen. Ein relativ neues Gerichtsurteil besagt, dass neu hinzukommende Bewohner für sich kein Klagerecht ableiten können, wenn um diese Immissionsquelle herum bereits seit vielen Jahren eine Wohnbebauung besteht, sich bislang niemand darüber beklagt hat und die Immissionen nicht gesundheitsgefährdend sind. Das hat sich die Baurechtsbehörde beim Landratsamt bei Fragen der Genehmigungsfähigkeit zu eigen gemacht, allerdings nicht pauschal, das ist jedes Mal eine Einzelfallbetrachtung. Das eröffnet für uns die Möglichkeit, die vorübergehend auf Eis gelegten Projekte zur Innenentwicklung wieder in den Bereich des Möglichen zu rücken. Für Neubaugebiete wäre noch Platz gegenüber der Güssenhalle und theoretisch im Gebiet zwischen dem Klausenweg und der B492.

Wenn man auf die Zahl der Einwohner blickt: Welche Entwicklungsmöglichkeiten gibt es da noch?

Das ist eine spannende Frage, die ja alle Gemeinden betrifft. Wir haben festgestellt, dass wir - etwa zwei Jahrzehnte zurückblickend – leicht zugelegt haben, von 2222 bei meinem Amtsantritt auf jetzt 2330. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir unsere Einwohnerzahl mindestens halten bzw. leicht steigern. Die 2000-Einwohner-Marke ist so etwas wie eine kritische Größe. Denn da geht es ja auch darum, welche Einrichtungen der Daseinsvorsorge man erhalten kann, egal, ob das ein Supermarkt oder eine Tankstelle ist.

Daran gleich anknüpfend: Wie beurteilen Sie die Gewerbeentwicklung im Dorf?

Wir sind sehr zufrieden. Wir waren in den vergangenen Jahren immer unter den ersten drei, was die Gewerbesteuerkraft pro Einwohner in den Gemeinden des Landkreises angeht. Ich glaube, in diesem Jahr sind wir sogar wieder Spitzenreiter. Neben unseren bereits bestehenden guten Mittelständlern hat uns die Ansiedlung der Firma Hauff-Technik - auch was die Zahl der Arbeitsplätze angeht - einen Schub gegeben. In Kürze wird die Kling-Unternehmensgruppe ihre neue Firmenzentrale bei uns bauen. Allerdings ist es heutzutage auch sehr schwierig, die Gewerbeentwicklung vorhersagen zu können. Momentan verfügen wir noch über etwa drei Hektar voll erschlossene Gewerbefläche, die wir jederzeit vermarkten könnten. Ansonsten wird es dann schon schwierig mit der weiteren Entwicklung. Zum einen haben wir topografische Hindernisse und andererseits sind wir von einer Vielzahl von Schutzgebieten umschlossen.

Seit 24 Jahren leitet Jürgen Mailänder die Geschicke der kleinsten eigenständigen Gemeinde des Landkreises Heidenheim. René Rosin

Wie schätzen Sie die Möglichkeit eines interkommunalen Gewerbegebietes mit Sontheim ein?

Da gibt es momentan noch überhaupt keine Überlegungen. Das ist ja auch eine regionalplanerische Frage, ob der Regionalplan oder die übergeordnete Behörde so etwas überhaupt zulassen würden.

Wenn Sie auf Ihre 24 Jahre als Bürgermeister zurückblicken: Wie beurteilen Sie die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung in dieser Zeit?

Zumindest gefühlt gab es in den vergangenen zehn bis 15 Jahren eher Verschlechterungen. Immer mehr ist zu spüren, dass viele Dinge, die man früher selbst entscheiden durfte oder zusammen mit dem Landratsamt entscheiden konnte, auf höhere Ebenen gelegt werden. Der Regionalverband spricht sehr viel mit, das Regierungspräsidium spricht sehr viel mit. Egal, an welcher Ecke man etwas anfangen möchte, in der Regel tauchen sehr oft Hindernisse auf. Mein Eindruck ist, dass die übergeordneten Behörden heute weniger von Pragmatismus geprägt sind, als früher. Heute geht es immer gleich darum, dass es da ja ein Gesetz gebe und dass etwas nicht gehe. Man hat Angst davor, seinen Ermessensspielraum zu nutzen.

Gibt es weitere Faktoren?

Hinzu kommen die finanziellen Belastungen, die durch Aufgaben entstehen, die vom Bund und vom Land auf die Kommunen abgewälzt werden. Gleichzeitig aber stattet man die Kommunen diesbezüglich nicht mit ausreichend finanziellen Mitteln aus. Und beinahe täglich haben wir mit unsäglichen Dokumentations-, Berichts- und Kontrollpflichten zu kämpfen. Das erschlägt uns, das bindet große zeitliche, finanzielle und personelle Ressourcen. Wenn ich auf meine Anfangszeit als Bürgermeister zurückblicke – welche Vorschriften es vor 15 bis 20 Jahren noch nicht gab! Und die Welt hat sich trotzdem gedreht und es ist niemand zu Schaden gekommen.

Das Antlitz Hermaringens hat sich durch eine umfangreiche Ortskernsanierung - wie hier im Bereich des Mühlenhofes – in der Amtszeit von Bürgermeister Jürgen Mailänder stark verändert. René Rosin

Hermaringen ist die kleinste eigenständige Gemeinde im Landkreis. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund ihre Widerstandskraft, was die zukünftige Eigenständigkeit mittel- und langfristig angeht?

Die beurteile ich aus heutiger Sicht sehr gut. Wir haben gemeinsam mit dem Gemeinderat in den zurückliegenden 24 Jahren immer versucht, die Rahmenbedingungen so zu nutzen, dass diese Eigenständigkeit nie in Gefahr gerät. Das haben übrigens auch schon meine Vorgänger gemacht. Gleichzeitig haben wir unsere Infrastruktur auf den neuesten Stand gebracht und ausgebaut, um für alle Altersgruppen attraktiv zu bleiben. Das aus meiner Sicht Entscheidende ist immer, dass man eine ausreichende Finanzausstattung hat. Wenn das mal nicht mehr der Fall sein sollte, kann so etwas einem tatsächlich einmal das Genick brechen. Wir haben immer darauf geschaut, den Finanzrahmen zu optimieren. Beispielsweise durch die Ansiedlung von Unternehmen, die uns Gewerbesteuer einbringen, durch die optimale Nutzung von Zuschussprogrammen oder die Bemühungen, die Einwohnerzahl leicht zu steigern. Und das Thema Windkraft wollen wir, neben unserem Beitrag zum Klimaschutz, auch dazu nutzen, unseren Haushalt langfristig zu stabilisieren.

Das erschlägt uns, das bindet große zeitliche, finanzielle und personelle Ressourcen.

Jürgen Mailänder

In welcher Form soll diese Wertschöpfung zum Wohle der Hermaringer Gemeindekasse aussehen, mit welchen jährlichen Einnahmen kalkulieren Sie?

Dem Gemeinderat und mir war es von Anfang an wichtig, dass von Windrädern auf Hermaringer Gemarkung die gesamte Bürgerschaft profitiert und nicht nur ein paar Wenige. Deshalb auch die Errichtung im und vor dem kommunalen Wald. Die Pachteinnahmen und die zu erwartende Gewerbesteuer sollen allen Bürgerinnen und Bürgern über kommunale Investitionen zugutekommen. Wie hoch diese sein werden, ist derzeit noch Spekulation, da wir noch nicht wissen, wie viele Windräder genehmigt werden, aber es wird sich auf jeden Fall lohnen. Gleichzeitig streben wir eine direkte Beteiligung der Bürgerschaft am Windpark an, entweder über unsere Bürgerenergiegenossenschaft oder in anderer Weise. Nähere Überlegungen hierüber machen jedoch erst Sinn, wenn wir wissen, wie viele Windräder letztlich erstellt werden. Darüber hinaus wollen wir den Windpark auch dazu nutzen, um unsere Klimaziele zu erreichen. Auch in der kommunalen Wärmeplanung soll er eine Rolle spielen. Aber auch hier stehen wir noch am Anfang, sodass nähere Ausführungen hierzu noch nicht möglich sind.

Was werden die größten Herausforderungen für ihre Nachfolgerin oder ihren Nachfolger sein, um Hermaringens Eigenständigkeit wahren können?

Die Finanzkraft erhalten, wie auch immer. Wobei wir da natürlich auch gleich wieder beim Punkt kommunaler Selbstverwaltung sind. Das funktioniert natürlich nicht, wenn Bund und Land einem diese Finanzkraft ständig wegnehmen. Nehmen Sie zum Beispiel die Kreisumlage: Die angedachten Steigerungen aufgrund der Defizite im Klinikum oder wegen sonstiger steigender Kosten halten die Kommunen auf Dauer nicht durch. Wenn die Kreisumlage auf 43 Punkte steigt, sind das für uns mehrere Hunderttausend Euro, die uns dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Wie sollen wir diese Summe ausgleichen, wir haben ja keine vergleichbaren Einnahmensteigerungen. Das sind allerdings externe Einflüsse, die mein Nachfolger oder meine Nachfolgerin kaum beeinflussen kann. Wichtig wird also sein, dass man das Vermögen der Gemeinde in Schuss hält und weiterhin die sich bietenden Zuschussprogramme nutzt. Ebenso wichtig ist es, die Vereine zu unterstützen, damit Hermaringen auch weiterhin lebendig und attraktiv bleibt. Und der im kommenden Jahr startende flächendeckende Breitbandausbau sollte gut begleitet werden.

Wie macht man das konkret, das „Vermögen der Gemeinde“ in Schuss halten?

So wie man es privat auch machen würde: Man wartet nicht so lange, bis die Schäden so groß sind, dass eine Reparatur oder Erneuerung sehr teuer wird. Wir haben in den vergangenen 24 Jahren sehr viel gemacht. Sieht man einmal vom Bauhof ab, haben wir keinerlei Sanierungsstau. Sämtliche Gemeindebauten sind neu oder saniert, energetisch und brandschutztechnisch auf dem neuesten Stand, barrierefrei und besitzen eine Eigenverbrauchs-PV-Anlage. Eine der Hauptaufgaben wird zukünftig sein, die Leitungsinfrastruktur zu erneuern. Wir haben da zwar bereits begonnen, sind aber noch lange nicht am Ende.

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