Nach der Hauptversammlung

Wie der SV Bolheim ins Chaos stürzte

Nach der gescheiterten Vorstandswahl vom vergangenen Freitag ist der SV Bolheim handlungsunfähig. Das Amtsgericht Heidenheim ist mittlerweile eingeschaltet. Dabei geht es nicht nur um rechtliche Fragen.

Am Freitagabend um 22.16 Uhr war klar, dass der Sportverein Bolheim vor dem Abgrund steht. In diesem Moment beschloss Thilo Eckermann die Hauptversammlung des SV und musste feststellen, dass der größte Bolheimer Verein keinen Vorstand mehr hat. Kurz zuvor hatten die amtierenden Vorstandsmitglieder, neben Eckermann, Erich Reichard und Richard Koch, bekannt gegeben, dass sie sich nicht erneut zu Wahl stellen. Neue Kandidaten fanden sich unter den 91 anwesenden stimmberechtigten Mitgliedern nicht.

Welche Tragweite dieser Fakt hat, schienen am Freitag noch nicht alle Mitglieder in vollem Umfang verstanden zu haben. Klar ist: Der durchaus krisenerprobte SV Bolheim steht im 125. Jahr seines Bestehens vor seiner größten Herausforderung.

Demnächst könnte ein Notvorstand eingesetzt werden

Am Montagmorgen, zweieinhalb Tage nach der desaströsen Hauptversammlung, erklärt Thilo Eckermann auf Anfrage, dass der Hauptverein „im Außenverhältnis nicht mehr handlungsfähig“ ist. Es gibt ohne Vorstand niemanden, der den Verein offiziell vertritt. Übers Wochenende, so der Ex-Vorsitzende weiter, wurde das Versammlungsprotokoll erstellt und noch am Montag dem Amtsgericht Heidenheim übermittelt.

Angesichts der Tragweite – der Verein hat fast 1000 Mitglieder – wird im nächsten Schritt womöglich ein sogenannter Notvorstand bestellt, der nach einem Ausweg suchen muss. Die Lage ist durchaus komplex: Es gibt nicht nur die Abteilungen und Vereinsmitglieder, sondern ein Angestelltenverhältnis in der Geschäftsstelle, einen Pachtvertrag mit dem Betreiber der Sportgaststätte, dazu Liegenschaften wie das sanierungsbedürftige Vereinsheim.

Denkbar ist, dass es den Versuch geben wird, in einer außerordentlichen Hauptversammlung doch noch einen Vorstand zu wählen. In letzter Konsequenz könnte der nun eingeschlagene Weg das Ende des Vereins bedeuten.

Der Streit im SV Bolheim schwelt seit Jahren

Der Unfrieden brach offenbar nicht wie ein plötzliches Gewitter über den SV herein. Langjährige Mitglieder berichten, dass es seit langem unterschiedliche Strömungen im Verein gab. Die Zukunft des Vereinsheims aber auch die Machtverteilung im Hauptverein hatten wohl schon länger für Diskussionen gesorgt. Noch im Februar zeigten sich Eckermann und Reichard nach einer Klausursitzung optimistisch, gemeinsam mit den Abteilungen einen gedeihlichen Weg für den Verein finden zu können.

Wenige Minuten nach Beginn der Hauptversammlung am Freitag ließ sich jedoch erahnen, dass aus der erhofften Harmonie nichts werden würde. Vielmehr versanken weite Teile der Sitzung in wüsten Zwischenrufen, Vorwürfen und Beleidigungen.

Entzündet hatte sich der Streit an einem Satzungsänderungsantrag, den die Abteilungen Turnen, Fußball, Wintersport, Radsport, Gymnastik und Tischtennis offenbar am 7. März eingereicht hatten. Dieser sah vor, die Stimmverhältnisse im Hauptverein zu verändern. Laut SV-Satzung gehören dem Ausschuss die Vorstandsmitglieder des Hauptvereins sowie die Abteilungsleitenden oder deren Stellvertretende an. Ziel des Antrags war, die Zahl der Ausschussmitglieder an der Zahl der Abteilungsmitglieder zu orientieren. Danach hätten mitgliederstarke Abteilungen mehr Stimmen im Hauptausschuss gehabt als kleine Abteilungen wie etwa die Kegler.

Die Clubhaussanierung geriet zum Nebenschauplatz

Wie Thilo Eckermann in der Hauptversammlung erklärte, war der Antrag zwar fristgerecht eingegangen, aber nicht unterschrieben gewesen. Neben diesem Formfehler habe ein eigens konsultierter Jurist des Landessportbundes auch inhaltliche Mängel festgestellt. Man habe den Änderungsantrag schlicht nicht zur Abstimmung zulassen dürfen, so Eckermann. Ab diesem Moment kippte die Stimmung. Eckermann betonte zwar mehrmals, dass der Antrag inhaltlich zwar legitim sei, aber die falsche Form habe, den Unmut mancher Mitglieder konnte das jedoch nicht mehr besänftigen.

Darunter litt auch der womöglich wichtigste Tagesordnungspunkt, die Sanierung des Clubhauses. Dort herrscht dringender Handlungsbedarf, weil die betagte Ölheizung nach übereinstimmenden Aussagen auf dem sprichwörtlich letzten Loch pfeift und im kommenden Jahr ihre Zulassung verliert, sofern sie noch so lange durchhält. Der zu diesem Zeitpunkt noch amtierende Vorstand empfahl der Versammlung eine Sanierung, die im ersten Schritt vor allem die Erneuerung der Heizung und den Einbau neuer Fenster im Gaststättenbereich vorsah, um die Heizkosten zu senken.

Auch ein Appell von Bürgermeister Vogt fruchtet nicht

Neben kleineren Maßnahmen wären in den nächsten Jahren Angeboten zufolge Sanierungskosten in Höhe von 140.000 Euro angefallen. Eine Alternative wäre der Abbruch und Neubau gewesen, wobei den Kalkulationen zufolge allein der Abbruch schon 180.000 Euro gekostet hätte. Die Zahlen, die der Vorstand zusammen mit dem internen Projektleiter Claus Schneider erarbeitet hatte, wurden jedoch weitgehend angezweifelt. Während die Kostenansätze manchen unglaubwürdig erschienen, betonten einzelne Abteilung, dass sie das Clubhaus überhaupt nicht nutzten. Sprich: Es herrschte nicht einmal Konsens darüber, ob die Immobilie überhaupt benötigt wird.

In einer Familie rauft man sich zusammen.

Daniel Vogt, Bürgermeister

Mit einer Mehrheit von 69 Ja-Stimmen zu 18 Nein-Stimmen wurde schließlich beschlossen, über die Sanierung in einer außerordentlichen Versammlung zu beraten, wenn ein Gesamtkonzept vorliege, das auch weitere sanierungsbedürftige Bereiche wie die sanitären Anlagen umfasse. Ob es dazu noch kommt, ist nun offen, zumal auch Projektleiter Schneider nicht weiter am Sanierungskonzept arbeiten wird.

Herbrechtingens Bürgermeister Daniel Vogt richtete gegen Ende der Versammlung einen eindringlichen Appell an die SV-Mitglieder. „In einer Familie rauft man sich zusammen“, so Vogts Aufruf an die sportliche Familie. Er forderte die Anwesenden auf, sich einen Ruck zu geben und für den Vorstand zu kandidieren. Sein Vorstoß blieb ohne Ergebnis.

Ehrungen für langjährige Mitglieder

Trotz des ernüchternden Versammlungsergebnisses wurden etliche SV-Mitglieder geehrt. Franz Glagla wurde für zahlreiche Verdienste in den Abteilungen Turnen und Wintersport zum Ehrenmitglied ernannt. Für 50 Jahre Mitgliedschaft wurden geehrt: Max Brandner, Friedhelm Bühler, Siegfried Förstner, Gerhard Herdeg, Barbara Kalb, Doris Kraft, Hans Werz und Georg Schiele. Die Ehrung für 40 Jahre erhielten: Rosa Rau, Wolfgang Drechsler, Cornelia Drechsler, Thomas Vörös, Steffen Decker, Mario Berger, Heiderose Brolli und Christian Aumüller. Für 25 Jahren wurden ausgezeichnet: Hannah Wittmann, Andreas Lindner, Thilo Eckermann, Daria Illenberger und Gerhard Häußler.

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