Ein Atemstillstand, ein Schlaganfall, ein schwerer Sturz: Wenn der Notruf eingeht, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. In Herbrechtingen gibt es nun seit wenigen Wochen Helfer, die in kürzester Zeit am Einsatzort sind – oft schneller als der Rettungsdienst: die neuen „Helfer vor Ort“ (HVO).
Sie tragen keinen Blaulichthelm, oft nicht einmal Uniform, aber wenn ihr Melder piept, lassen sie alles stehen und liegen. Verankert ist die Gruppe bei der DRK-Bereitschaft Herbrechtingen. Alle acht Mitglieder arbeiten ehrenamtlich.
„Weil wir schon nach drei bis vier Minuten vor Ort sein können, leisten wir genau in den entscheidenden ersten Minuten Hilfe“, sagt Christian Rose, Leiter der DRK-Bereitschaft Herbrechtingen und Mitglied der neuen Gruppe. Denn selbst unter besten Bedingungen brauche ein Rettungswagen aus Heidenheim oder Giengen in der Regel acht bis zehn Minuten. Eine Lücke, die die HVO-Gruppe schließen wollte.
700 Notfälle im Jahr, 50 schon gemeistert
„Laut Leitstelle gibt es im Stadtgebiet jährlich etwa 700 bis 800 Notfalleinsätze“, sagt Kai Schiller, hauptamtlicher Rettungssanitäter und ebenfalls Teil der Gruppe. Seit dem Start im April habe das Team bereits rund 50 Einsätze übernommen – mal allein, mal zu zweit. Häufige Gründe: Stürze, Herz-Kreislauf-Probleme, allergische Reaktionen oder Schlaganfälle. „In Herbrechtingen gibt es viele Pflegeheime. Da sind wir verhältnismäßig oft im Einsatz“, sagt Rose.
Laut Leitstelle gibt es im Stadtgebiet jährlich etwa 700 bis 800 Notfalleinsätze.
Kai Schiller, hauptamtlicher Rettungssanitäter
Wie viele Einsätze auf sie zukommen, wissen die Ehrenamtlichen nie. „Es gibt Tage, da bleibt der Melder still und Tage mit sechs oder sieben Alarmierungen“, erzählt Schiller. Besonders bei Reanimationen zähle jede Sekunde: „Die ersten drei Minuten sind entscheidend. Danach steigt das Risiko bleibender Schäden rapide.“
Wer helfen will, kann helfen – auch ohne medizinischen Beruf
Was viele nicht wissen: Wer bei den HVO mitmachen möchte, muss kein Rettungssanitäter sein. Ein guter Sanitätshelfer reicht aus. „Der weiß, was zu tun ist und ist für uns genauso wichtig wie jeder andere“, betont Schiller.
Das Team ist so vielfältig wie die Stadt selbst. Fleischereifachverkäuferin, Lehrerin, Zerspanungsmechaniker: Sie alle bringen medizinisches Grundwissen mit und den Wunsch, im Ernstfall zu helfen. Geleitet wird die Gruppe von Lisa Budnick. Die 23-Jährige ist medizinische Fachangestellte und stellvertretende Bereitschaftsleiterin. Mit ihr im Team: Christian Rose, Annika Binder, Alexander Stepanek, Benjamin Binder, Kai Schiller, Susann Nobis und Leonie Duda.
Ehrenamt mit Verantwortung und Kosten
Der Dienst ist freiwillig, der Einsatz groß und die Ausstattung teuer. Für ihren Einsatz erhalten die Mitglieder 20 Euro. Geld, das die Gruppe als „Materialpauschale“ bezeichnet, um verbrauchte Materialien wie Verbandszeug, Sauerstoff etc. ersetzen zu können. Allein: „Ein Notfallrucksack mit Sauerstoff kostet rund 900 Euro, ein Defibrillator etwa 2000 Euro“, sagt Christian Rose, und scherzt: „Wenn wir jeden Helfer so ausrüsten wollten, müssten wir viele HVO-Einsätze fahren.“ Die Finanzierung bleibe ein Thema.
Unterstützung kommt von der Stadt Herbrechtingen. Bürgermeister Daniel Vogt, zugleich erster Vorsitzender des DRK-Ortsverbands, steht hinter dem Projekt. Nach den Sommerferien will sich die Gruppe bei einer Vorstandssitzung offiziell vorstellen und ihre bisherigen Erfahrungen teilen.
Hoffnung auf Verstärkung
Ganz neu ist die Idee der schnellen Hilfe in Herbrechtingen nicht: Die Feuerwehr leistet bereits seit über zehn Jahren sogenannte „First Responder“-Einsätze. Bei den Einsatzstichwörtern „Reanimation“ oder „Bewusstlosigkeit“ rücken sie aus. Nun bieten die Helfer vor Ort Verstärkung. „Gerade bei Reanimationen ist jede helfende Hand Gold wert. Das ist körperlich anstrengend und echte Teamarbeit“, sagt Schiller.
Trotz des gelungenen Starts denkt Lisa Budnick schon an die Zukunft: „Wir freuen uns über Verstärkung – besonders über medizinisch vorgebildete Menschen aus Herbrechtingen.“ Wer Interesse hat, kann sich direkt bei ihr melden – per Mail an hvo@drk-herbrechtingen.org oder telefonisch unter 0151.184-11534.