Nein, die kleine Straße in Mergelstetten, in der er lebt, ist nicht nach ihm benannt. Und Rudi Weber hat sich seine Heimat auch nicht nach dem Straßennamen ausgesucht. Dass Rudi Weber in der Webergasse wohnt, ist also reiner Zufall. „Eigentlich war alles eine Aneinanderreihung von Zufällen“, erzählt er, während er mit seiner Lebensgefährtin Karin Bosch auf der Terrasse seines Hauses sitzt. Direkt zu seinen Füßen fließt der Brenzkanal, ein paar hölzerne Treppen führen hinunter zum Wasser, am Ufer liegt ein Boot.
Lässt man den Blick schweifen, sieht man nichts, außer natürlicher Idylle. Am Ufer der Brenz-Halbinsel, die den Kanal vom Fluss trennt, schwimmt eine Entenfamilie mit Küken, Vögel zwitschern, auch einen Eisvogel sieht Rudi Weber immer wieder. Nur am Hintergrund, in dem höhere Wohngebäude die Bäume, Büsche und Sträucher der Halbinsel überragen, lässt sich erkennen, dass das Haus nicht mitten in der Natur, sondern mitten in einer Ortschaft steht. Vom Lärm der Paul-Hartmann-Straße ist kaum etwas wahrzunehmen, nur die Glocken im Turm der Christkönigkirche, der alles überragt, sorgen regelmäßig für eine Unterbrechung der Unterhaltung. Angenehm kühl ist es hier, „die Temperatur hinten am Wasser liegt immer ein paar Grad unter der vorne vor dem Haus“, sagt Weber.

Doch zurück zu den Zufällen: Im Jahr 2012 sind Weber und Bosch in ihr neu gebautes Haus eingezogen. Schon Jahre zuvor war Rudi Weber regelmäßig in der Webergasse, hat hier viele Stunden verbracht. Das liegt an seinem Hobby, dem er schon seit Jahrzehnten nachgeht: dem Schnapsbrennen. Nachdem die Brennerei in Gussenstadt, in der er über viele Jahre hinweg das Obst von zahlreichen Streuobstwiesen im Landkreis in Hochprozentiges verwandelte, geschlossen hatte, fand er in der Webergasse eine Brennerei, die zum Verkauf stand. 2008 erwarb er sie. Damals wohnte er noch in der Heidenheimer Meeboldstraße. „Das war reiner Zufall, hat aber sehr viele Vorteile mit sich gebracht. Ich hatte meine eigene Brennerei, und die lag auch noch näher an meinem Wohnort.“
Wie zu allem kann Weber auch dazu eine Anekdote erzählen: „Der Zoll, der Brennereien regelmäßig kontrolliert, hat gefordert, dass es nur einen Zugang gibt. Damit soll ausgeschlossen werden, dass man mit schwarz Gebranntem abhaut, wenn die Beamten an die Tür klopfen. Die Berufsgenossenschaft verlangt aus Sicherheitsgründen aber zwei Ausgänge. Also habe ich die beiden an einen Tisch gesetzt und gesagt, sie sollen das unter sich aushandeln. Der Zoll hat gesiegt“, erzählt Weber und lacht.

Weil er neben der Brennerei auch eine Probierstube für seine edlen Brände schaffen wollte, kaufte der 78-Jährige auch noch ein angrenzendes Gebäude, das früher eine Trafostation, später dann ein Künstleratelier war. Auch diese Gelegenheit war reiner Zufall. Hier entstand ein gemütlich eingerichteter Raum, in dem Kunden die gebrannten Spezialitäten verkosten können, der aber auch für kleinere Feiern geeignet ist. Hier findet sich auch ein Hinweis auf Webers zweite Leidenschaft: eine Vitrine mit zahlreichen alten Fotoapparaten. Kein Wunder, denn Weber war jahrzehntelang als Pressefotograf tätig.
Einige Jahre später stand dann auch das angrenzende Wohnhaus zum Verkauf. „Eigentlich wollten wir in der Meeboldstraße bleiben, aber so einen Zufall muss man nutzen“, erinnert sich Weber. Zunächst war angedacht, das alte Haus zu renovieren, aber die baulichen Voraussetzungen waren zu schlecht. „Karin hat gesagt, dass es wohl besser wäre, neu zu bauen. Also haben wird das alte Haus abgerissen und gebaut“, so Weber: „Es hätte keine bessere Entscheidung geben können. Im Rückblick hat all das einen tieferen Sinn ergeben.“

Seit nunmehr 13 Jahren wohnen Weber und Bosch nun also in ihrem Haus an der Webergasse - neben Brennerei und Probierstube. Das Wohnhaus selbst ist in Holzständerbauweise gebaut und verfügt neben der exklusiven Lage an der Brenz über eine weitere Besonderheit, und auch die ist, klar, reiner Zufall: Da direkt neben dem Brenzkanal eine Grundwasserader durch das Grundstück läuft, hat Weber gleich zwei Brunnen. Im ersten wird Grundwasser abgepumpt, dem die Wärmepumpe drei Grad Celsius entzieht, über den zweiten wird das Wasser wieder zurück in den Kreislauf geführt: „Der Brenz darf man kein Wasser entnehmen, dem Grundwasser schon. Das klingt absurd, ist aber so“, sagt Weber. Die Wärmepumpe heizt nicht nur das Haus, sondern auch Brennerei und Probierstube.

Doch jetzt, im Sommer, wird die ohnehin nicht benötigt. Am Spätnachmittag spendet das Wohnhaus den Schatten. Auf der Brenzterrasse lässt es sich angenehm sitzen. „Vormittags haben wir Sonne, aber dann ist es durch die Brenz sehr angenehm“, sagt Karin Bosch. Dass das vorbeifließende Wasser quasi als Open-Air-Klimaanlage fungiert, liegt auch daran, dass es hier besonders kalt ist. „Nur einen Kilometer weiter nördlich fließt das Wasser aus der Brunnenmühlenquelle in die Brenz und sorgt für die niedrige Temperatur“, so Weber. Das erklärt auch den Fischreichtum in diesem Bereich. „Hier laichen Bachforellen und Regenbogenforellen, bei mir hat jeder Fisch einen Namen. Elfriede ist bestimmt 70 Zentimeter lang“. Eigentlich dürfte Weber auch die Angelrute auswerfen und könnte sich vom Liegestuhl auf der Terrasse aus das Abendessen angeln. „Das mache ich aber nicht, ich schau den Fischen, Vögeln und Enten lieber zu“, so Weber. „Hier ist es keinen Moment langweilig, weil auf der Brenz immer was los ist“, ergänzt Bosch.
Beide sind sich einig: So viel Wohn- und Lebensqualität wie hier in der Webergasse hatten sie noch nie. „In der Meeboldstraße war es auch schön, aber ich wollte nie zurück“, sagt Rudi Weber. In Mergelstetten schätzen sie auch das Miteinander der Menschen. „Man lebt zwar in einem Vorort der Stadt, aber es gibt noch eine lebendige Dorfgemeinschaft, man kennt sich und hilft sich“, sagt Weber: „Hier haben wir alles, was wir brauchen. Unser Superlativ sind unsere paar Quadratmeter.“ So klingt nur jemand, der angekommen ist.
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