Zwei Opern, zwei verschiedene Welten und doch haben sie etwas gemeinsam: beides sind Familiendramen, ein gemeinsames Ensemble und eine Regisseurin. Vera Nemirova inszeniert Richard Strauss’ antike Tragödie Elektra und Giacomo Puccinis böse Komödie Gianni Schicchi im Rahmen der diesjährigen Opernfestspiele.
Zwei Opern, eine Handschrift
„Die Doppelaufführung war wirklich eine besondere Herausforderung – ich bin seit über 25 Jahren dabei, aber das war auch für mich etwas Neues“, sagt Regisseurin Vera Nemirova über das ambitionierte Projekt. Während Gianni Schicchi Tempo, Leichtigkeit und Spielfreude verlangt, braucht Elektra Zeit, Tiefe und emotionale Wucht, so die Regisseurin. Zwei Werke, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten – und dennoch teilen sie ein zentrales Thema: Familie. „Komödie und Tragödie – aber beides sind Familiengeschichten“, betont Nemirova.
„Elektra braucht totale Konzentration – körperlich, psychisch, emotional. Gianni Schicchi hingegen lebt von Tempo, Ideen, Witz und bösem Humor.“ Dass beide Werke mit demselben Ensemble einstudiert wurden, ist ungewöhnlich: „Normalerweise gibt es zwei verschiedene Casts, hier aber spielen alle beide Produktionen. Das war spannend – und fordernd“, betont die Regisseurin. Auch der Bühnenbildner, Harald Thor sei für beide Stücke zuständig gewesen. Allerdings unterscheiden sich die Kostümbildnerinnen der beiden Werke, bei Gianni Schicchi ist es Christina Lelli und bei Elektra Marie-Luise Strandt.
Einfach war die Probenzeit nicht – vor allem Elektra bereitete Sorgen. „Ein bisschen Bauchschmerzen hatten wir schon“, gibt die Regisseurin zu. „Wir hatten zwar anfangs mehr Zeit, aber durch die begrenzte Verfügbarkeit der Hauptdarstellerin wurde es hinten raus doch knapp.“ Trotzdem bleibt sie zuversichtlich: „Ich denke, wir werden es schaffen.“ Und eines steht für Nemirova fest: „Am Ende denkt man immer, man hatte zu wenig Zeit. Aber man muss auf diesen Moment zwischen Publikum und Künstlern warten – der ist nicht planbar. Das ist der Zauber des Theaters.“
Von Heiterkeit bis Abgrund
Die Doppelaufführung ist nicht nur künstlerisch, sondern auch räumlich eine Besonderheit: Während Gianni Schicchi im Congress Centrum (CC) gezeigt wird und auch die Pause dort ihren Platz findet, wird Elektra im Rittersaal des Schlosses Hellenstein aufgeführt. „Für Elektra ist der Rittersaal wie gemacht. Es gibt Türen links und rechts und sogar die Gänge stimmen überein.“ Der Wechsel funktioniert fließend: Nach dem Pausengetränk im Foyer des CCs werden die Zuschauer von den Darstellern selbst in den Rittersaal geleitet. Nemirova betont, dass dies ganz praktisch sei, weil alle im CC geschminkt werden.
Man muss auf diesen Moment zwischen Publikum und Künstlern warten – der ist nicht planbar. Das ist der Zauber des Theaters.
Vera Nemirova, Opern-Regisseurin
Natürlich erfordert diese räumliche Trennung einiges an Organisation: Bühnenbilder wurden doppelt gebaut, Instrumente müssen transportiert oder sogar doppelt bereitgestellt werden. Das einzige, was sich nicht planen lässt, ist das Wetter. „Ich hoffe sehr, dass es zur Premiere schön bleibt – ich bin nur dafür hier und möchte Elektra unbedingt einmal im Rittersaal erleben“, so Nemirova. Nach der Premiere kehrt sie nach Berlin zurück – in ihren wohlverdienten Urlaub.
Regiearbeit als Verantwortung
Regie bedeutet für Nemirova mehr als bloßes Inszenieren. „Ich bin dafür zuständig herauszufinden, warum, wann und wie eine Figur handelt. Ich bin für das Gesamtbild verantwortlich – für die Glaubwürdigkeit der Geschichte.“ Ihr eigener Weg ins Theater war vorgezeichnet: als Tochter eines Opernregisseurs und einer Opernsängerin war sie schon als Kind in Proben und Aufführungen dabei. Mit 23 schloss sie ihr Regiestudium an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin ab.
An ihrer Seite arbeitet Fabienne Schröm als Regiehospitantin. Eine wertvolle Erfahrung, wie Nemirova meint: „Man bekommt Einblicke in alle Bereiche der Oper. Ich empfehle es jedem, der Regie machen möchte.“
Doppelaufführung: Gianni Schicchi und Elektra
Gianni Schicchi (Puccini): Buoso Donati ist tot – und seine raffgierige Verwandtschaft stürzt sich auf das Erbe. Doch das Testament enttäuscht: Alles geht ans Kloster! Rinuccio fürchtet um seine Zukunft mit Lauretta. Da hat Gianni Schicchi, Laurettas schlauer Vater, eine Idee – mit einem Trick will er das Erbe neu „verteilen“ …
Elektra (Richard Strauss): Elektra will den Mord an ihrem Vater Agamemnon rächen. Ihre Mutter Klytemnästra und deren Geliebter Aegisth haben ihn ermordet. Elektra wartet sehnsüchtig auf die Rückkehr ihres Bruders Orest, um das blutige Unrecht zu sühnen – bis er plötzlich vor ihr steht …
Die Premiere ist am Freitag, 4. Juli, ab 19:30 Uhr. Weitere Aufführungen finden am 6.7., 11.7., 12.7., 18.7. und 25.7. statt.