Opernfestspiele Heidenheim

Fantastisch ohne Fantastik: die Kinderoper „Aschenputtel räumt auf“ in der Stadtbibliothek Heidenheim

Die Kinderoper der Opernfestspiele Heidenheim wird erstmals in der Stadtbibliothek gezeigt. „Aschenputtel räumt auf“ schafft dort den Drahtseilakt zwischen niederschwelligem Mitmach-Theater und qualitativ hochwertiger Unterhaltung.

Entgegen der landläufigen Meinung lebt ein Märchen nicht von Magie. Entfernt man die gute Fee, den bösen Wolf, den vergifteten Apfel aus der Gleichung, bleibt in der Regel eine klare, universelle Botschaft übrig. Die Guten sind gut, die Bösen böse und Eltern aus Prinzip furchtbar. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Geschichte von Aschenputtel auch ohne Zauberei und Fantastik resoniert. Das wusste schon Gioachino Rossini Anfang des 19. Jahrhunderts, als er mit „La Cenerentola“ eine Opernversion des Märchenklassikers verfasste, die auf übernatürliche Elemente verzichtet. Und das weiß man auch bei der Jungen Oper der Opernfestspiele Heidenheim, die dieses Jahr mit einer Version ohne Fantastik, aber mit viel Fantasie aufwartet. „Aschenputtel räumt auf“ hatte am Mittwochabend Premiere.

Stadtbibliothek statt Opernzelt im Brenzpark

Ihrer Verpackung merkt man direkt an, dass das eine andere Junge Oper ist, als sie es in den vergangenen Jahren gewesen ist. Kein Auftragswerk, sondern ein Musiktheaterstück, das seit genau 20 Jahren über die Opernbühnen zieht, wird hier gezeigt. Dieses „hier“ meint auch nicht länger das Opernzelt im Brenzpark, denn erstmals bildet der Margarete-Hannsmann-Saal der Stadtbibliothek den Rahmen. Soweit zum Überzug dieser „Aschenputtel“. Wie sieht der Inhalt aus? Ziemlich kindgerecht, um es vorwegzunehmen. Und ziemlich gut, um das gleich hinterherzuschieben.

Angelina, zumeist Aschenputtel genannt und von der Mezzosopranistin Neelam Brader verkörpert, fristet ihr tristes Dasein unter der Fuchtel von Don Magnifico und ihren beiden garstigen Stiefschwestern. Ihr einziger Vertrauter: der Gärtner Paolo, dessen Part von Bariton Uli Bützer gespielt wird.

Uli Bützer in einer Doppelrolle als Gärtner Paolo und Don Magnifico (im Bild). Foto: Oliver Vogel

Jörg Schade und Franz-Georg Stähling haben diese „Aschenputtel“-Version zu einer überaus kurzweiligen und selbstreferentiellen Geschichte umgedichtet. Uli Bützers Paolo fungiert dabei nicht nur als Gärtner, sondern zugleich als Erzähler, Moderator, Vorleser und Kinderanimateur. Denn überhaupt ist der Interaktions-Teil hier enorm hoch. In einer strikten Regelmäßigkeit spricht Paolo das Kinderpublikum direkt an und erbittet es um Rat und Tat – welche er auch stets erhält.

Zwischendrin erhalten die Kinder noch den ein oder anderen Opern-Crashkurs. Wie Theater ist so eine Oper, erfahren wir da, nur wird dabei eben gesungen. Alles sehr einleuchtend, alles sehr niederschwellig. Leider bleibt aufgrund dessen gerade der Gesangsaspekt bei „Aschenputtel räumt auf“ zumindest in der ersten Hälfte doch merkbar hinter dem zurück, was möglich ist. Gesungen wird hier vergleichsweise wenig. In den vergangenen Jahren hat die Junge Oper ihrem jungen Publikum mehr zugemutet, insbesondere als 2022 die „Wurst“ aufgetischt wurde. Auch kleinen Kindern darf und sollte man mehr zutrauen.

Eine österreichische Aschenputtel

Denn musikalisch braucht sich „Aschenputtel“ weder vor Würsten noch hinter Fleischtheken zu verstecken. Maximilian Zimmermann näht als musikalischer Leiter zusammen, was zusammengehört. Er selbst am Klavier ist zudem alles, was dieses Stück instrumental braucht, um zu glänzen. Neelam Braders österreichische Wurzeln lässt sie ihrer Aschenputtel sprachlich auf überaus sympathische Art und Weise angedeihen und auch gesanglich ist sie mit ihrem klangschönen Mezzosopran Rossinis Musik mehr als gewachsen. Uli Bützer kennt man im Landkreis Heidenheim bereits von seinen Gastspielen beim Herbrechtinger Liederfrühling und weiß daher, dass sein farbenreicher Bariton nicht enttäuscht. Selbst wenn Bützer seine Paolo-Schürze abstreift und in den Morgenmantel des Don Magnificos schlüpft, hält er zudem ein Charmelevel, das sogar den Bösewicht der Geschichte beinahe liebenswürdig wirken lässt.

All dies spielt sich vor einem ebenso simplen wie kunterbunten Bühnenbild ab. Rund ein Dutzend übergroße, aus Schaumstoff geschaffene Lego-Steine bilden die Kulisse der Inszenierung. Diese werden ganz getreu des Baukistenprinzips im Verlauf des Stücks aufgebaut, zerlegt und umgebaut und dienen wahlweise als Garten, Schlossküche oder auch als Kutsche. Würde man es nicht besser wissen, könnte man meinen, die farbenfrohe Kulisse wurde aus Kontrastgründen gezielt für das Schwarz des Margarete-Hannsmann-Saals entworfen.

Das Trio hinter „Aschenputtel räumt auf“: (von links) Maximilian Zimmermann (musikalische Leitung), Neelam Brader (Aschenputtel) und Uli Bützer (Paolo, Don Magnifico). Foto: Oliver Vogel

Was bleibt, wenn Aschenputtel nach einer knackigen Stunde aufgeräumt hat, ist ein Musiktheaterstück, dass sich gerne trauen dürfte, etwas mehr Musik als Theater zum Besten zu geben. Unterm Strich – und das bestätigt der Applaus des begeisterten Publikums – funktioniert diese Chose musikalisch, gesanglich und nicht zuletzt dramaturgisch ausgesprochen gut. Auch ganz ohne Magie.

Aufführungstermine und Eintrittskarten

Weitere Vorstellungen von „Aschenputtel räumt auf“ in der Stadtbibliothek Heidenheim: 27. und 30. Juni (jeweils ab 9.30 Uhr), 3. Juli (9.30 und 11.30 Uhr), 5. Juli (15 und 17 Uhr) und 6. Juli (15 Uhr). Alle anderen Vorstellungen sind bereits ausverkauft. Karten gibt es unter anderem im Pressehaus in Heidenheim sowie unter hz-ticketshop.de.

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