Medizinische Versorgung

Welcher Kinderarzt in Heidenheim schließt und was das für Eltern und Kinder bedeutet

Zwölf Kinder- und Jugendärzte gibt es derzeit noch im Landkreis Heidenheim. Ab Ende März ist es eine Ärztin weniger und auch ein Hausarzt geht in den Ruhestand. Was Familien jetzt tun können:

Eltern, die eine Kinderarztpraxis suchen, stehen derzeit vor einer schwierigen Situation, und auch bei den Hausärzten verschlechtert sich die Lage in Heidenheim: Ende März schließen Dr. Ute Heinemann und Dipl. med. Thomas Heinemann ihre Familienpraxis an der Bühlstraße. Während sie als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin tätig war, kümmerte er sich um erwachsene Patientinnen und Patienten. „Nach fast drei Jahrzehnten ambulanter Tätigkeit in Heidenheim werden wir in den Ruhestand gehen und uns um unsere lange aufgeschobenen gesundheitlichen und persönlichen Belange kümmern“, so Ute Heinemann.

Trotz intensiver Bemühungen sei es nicht möglich gewesen, Nachfolger für die Praxis zu finden. „Dies ist auch der Gesundheitspolitik geschuldet, und der Ärztemangel wird sich leider weiter zuspitzen“, sagen die beiden Mediziner. „Das bereits bestehende Versorgungsdefizit wird nun noch spürbarer“, bestätigt auch Dr. Stephan Wolf, Vorsitzender der Kreisärzteschaft. Bislang gab es im Landkreis Heidenheim zwölf Kinder- und Jugendärzte, elf in Heidenheim und einen in Herbrechtingen.

Ein flächendeckendes Problem

Die Lage ist laut kassenärztlicher Vereinigung in ganz Baden-Württemberg ähnlich: „Das Thema Kinder- und Jugendärztemangel ist ein flächendeckendes Problem, so wie auch der Hausarztmangel“, heißt es im Versorgungsbericht 2023. Zwar sei die Zahl der Kinderärzte steigend, allerdings nehme auch die Teilzeitarbeit und die Tätigkeit im Angestelltenverhältnis in diesem Bereich zu. Auf der anderen Seite gebe es einen Mehrbedarf in der Versorgung, der beispielsweise in der Ausweitung von Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen, aber auch in der Zunahme von ADHS und psychosozialen Problemen begründet liege. „Sicherlich spielt auch die immer weiter abnehmende Fähigkeit der Eltern, den Schweregrad von Krankheiten der Kinder richtig einzuschätzen, eine Rolle“, so die kassenärztliche Vereinigung.

Was können Eltern tun?

Was bedeutet das nun für die Patientinnen und Patienten der Praxis Heinemann und generell für Eltern, die einen Kinderarzt suchen? „Sie können nur alle im Kreis noch verbliebenen elf Kinderärzte höflich um Übernahme bitten, denn es gibt keine Verpflichtung, Patienten anzunehmen“, sagt Dr. Stefan Wolf. Sollte sich gar keine Kinderarztpraxis finden, könne man auch den eigenen Hausarzt fragen, es gebe sehr viele pädiatrieerfahrene Allgemeinärzte und -ärztinnen. „Wenn alle Stricke reißen, müssen Eltern womöglich längere Fahrten in Kauf nehmen und in Ulm nach einer Praxis suchen“, so der Vorsitzende der Kreisärzteschaft. In der größeren Stadt sei die Versorgungslage noch besser.

Mit drei Kindern plötzlich ohne Kinderarzt

Wie sich die erfolglose Suche darstellt, schildert eine Patientin der Praxis Heinemann, deren beide Söhne bisher von Dr. Ute Heinemann versorgt wurden. Ende März, wenn die Praxis schließt, erwartet die Heidenheimerin das dritte Kind. „Von allen Kinderärzten bekommen wir nur die Aussage, dass es ihnen leidtue, sie aber keine Patienten mehr aufnehmen“, erzählt die Frau. „Ich bekomme auch keinen Platz nur für unser dann ebenfalls privatversichertes Neugeborenes“, schildert sie. „Ende März stehen wir dann also mit drei Kindern plötzlich ohne Kinderarzt da“, so die Heidenheimerin. Und das gehe allen anderen Patienten der Praxis auch so. „Mit wem man spricht, jeder wird von allen Seiten abgelehnt“, sagt die Mutter.

Diese Situation bedauert nicht zuletzt das Ehepaar Heinemann, das trotz intensiver Bemühungen keine Nachfolger finden konnte. „Bis Dezember hatten wir noch gehofft, eine andere Lösung zu finden“, so die beiden Ärzte. Dr. Stefan Wolf, der selbst als Facharzt in Heidenheim tätig ist, sieht keine kurzfristige Lösung des Problems, obwohl er selbst versucht, auf lokaler Ebene „dem Problem und der düsteren Prognose entgegenzuwirken.“ Die Strukturen müssten aber an anderer Stelle verändert werden: „Ich kann nur hoffen, dass auch die große Politik bald erwacht und erkennt, dass sie den Arztberuf wieder attraktiver gestalten muss, wenn man in den kommenden Jahren noch weiter ärztlich versorgt sein will“, so Dr. Wolf.

Patientinnen und Patienten der Praxis Heinemann können ihre Akten bis März persönlich in der Praxis anfordern. Diese können dann im April werktags von 9 bis 12 Uhr abgeholt werden. Bis Ende März haben die beiden Ärzte noch Sprechstunde wie gewohnt, in der durch die Infektzeit derzeit auch großer Andrang herrscht.

Als Lektüre zum Thema empfiehlt Dr. Ute Heinemann das Buch des Kinder- und Jugendarztes Steffen Lüder, der unter dem Titel „Who cares? Wie unser Gesundheitssystem das Leben unserer Kinder gefährdet“ die Problematik aufgreift.

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