Dass die Opernfestspiele in dieser Saison ungewöhnliche Wege beschreiten, zeigt sich ja schon daran, dass die geradezu gegensätzlichen Opern „Gianni Schicchi“ und „Elektra“ und das auch noch an unterschiedlichen Spielorten kombiniert werden. Das Eröffnungskonzert am Donnerstagabend im Festspielhaus mit dem Titel „Sinn und Sinnlichkeit“ stimmte darauf bestens ein: Es war ungewöhnlich.
Erstklassig, das war es auf jeden Fall. Mit Sopranistin Leah Gordon, die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, Dirigent und Festspielleiter Marcus Bosch als den Ausführenden lag das Konzert schließlich auch in bewährten und höchste Virtuosität versprechenden Händen. Aber ist es ein Vorurteil, von einem Konzert, mit dem in eine Saison gestartet wird, ein Programm zu erwarten, das der Freude darüber Ausdruck gibt? Zumal ja die Freude über die Auszeichnung mit dem „Oper Award“ für das beste Festival noch hinzukommt. Beim Publikum jedenfalls war die Freude, die gespannte Erwartung auf das Kommende deutlich spürbar: Nur wenige Plätze waren freigeblieben. Zumindest im ersten Teil des Abends aber musste diese Freude sehr stark verinnerlicht ausgelebt werden.
Tod und Vergänglichkeit
„Vier letzte Lieder“ von Richard Strauss in ein Eröffnungsprogramm aufzunehmen, das darf schon ungewöhnlich genannt werden. Tod und Vergänglichkeit, die in den vertonten Gedichten von Heine und Eichendorff thematisiert werden, sind nicht eben beflügelnde Themen, mögen sie auch hier nicht in der schwermütigsten Schwermut daherkommen, sondern eher von Ruhe und Gelassenheit geprägt sein. Diese wusste das Orchester auch hervorragend umzusetzen, und die den Liedern „Frühling“, „September“, „Beim Schlafengehen“ und „Im Abendrot“ innewohnende Getragenheit kam ausdrucksstark rüber, wohl feierlich, aber doch auch sehr nachdenklich stimmend. Leah Gordons Sopran, der in Heidenheim bekannt und für seine Strahlkraft sehr geschätzt ist, passte sich dem wohl an, denn angesichts seiner Möglichkeiten wirkte er ein wenig verhalten und zurückgenommen.

Der zweite Teil des Abends gehörte Rachmaninows Sinfonie Nr. 2 e-Moll op. 27. Mit ihrem Tumult und Tempo, dem ungestümen Aufbäumen, dramatischen Wechseln und besänftigenden Passagen, war sie so recht geeignet, das Publikum immer wieder zu packen, aufzuwühlen, Erwartungen zu wecken und ganz anders als erwartet zu erfüllen, und auch wieder zart zu berühren. Nie lässt das Werk zur Ruhe kommen, nicht das Orchester, nicht das Publikum. Die Leidenschaft, mit der das Orchester diese Herausforderungen immer wieder meisterlich parierte, sie war in etwa gleichzusetzen mit der Leidenschaft, mit der das Publikum sich von diesem höchsten Genuss ergreifen ließ. Statt Jubel und Überschwang eben Tiefe und Tiefgang – warum nicht diesen anderen ungewöhnlichen Weg wählen. Das Publikum ging ja äußerst angetan mit, denn wie das Orchester diesen weder leicht herzustellenden noch leichthin zu genießenden Tiefgang präsentierte, das war schon meisterlich.
Träumerei und Spieltisch
Begonnen hatte der Abend mit einer Komödie: Aus Richard Strauss’ Oper „Intermezzo“ gab die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern vier sinfonische Zwischenspiele. Selten wird diese Oper aufgeführt, und so ist auch diese Auswahl durchaus ebenfalls ungewöhnlich zu nennen. „Reisefieber und Wanderszene“ als Auftakt in den Abend, darin steckte Aufbruch und beschwingte Leichtfüßigkeit, die auch der „Fröhliche Beschluss“ vermittelte. Dazwischen steckte Wärme und Ruhe, fließend zwischen ein bisschen Wehmut und ein bisschen Erhabenheit und auch wieder viel Opulenz bei der „Träumerei am Kamin“, während es „Am Spieltisch“ eckig, kantig, harsch und rau zuging.
Viel Applaus gab es am Ende, noch ganz unter dem überwältigenden Eindruck des Rachmaninows, „Bravo“-Rufe und Ovationen im Stehen. Die Leistungen der Ausführenden haben es verdient, und das Publikum ist eben einfach stolz auf „seine“ Opernfestspiele, die hier mit ihrer Ungewöhnlichkeit überrascht haben.
Und schließlich kam sie auch noch, die überbordende Freude über die Eröffnung der Saison, die nach außen dringen durfte. Kaum war der Schlussakkord des Konzerts verklungen, spielte Saxofonist Lee Mayall mit seinen Musikern zum Fest für alle Besucher auf – gewohnt gut, gewohnt mitreißend. Das kam halt nur ein bisschen plötzlich. Und der Gegensatz schon auch sehr ungewöhnlich.
Karten gut gemischt
Ein kleines Missgeschick hatte sich im Vorfeld des Eröffnungskonzerts ereignet. Frühere Eintrittskarten wiesen noch 20 Uhr als Beginn des Konzerts aus, der war jedoch bereits um 19:30 Uhr. Die Festspiele hatten noch gesondert Hinweisbriefe verschickt, so waren es glücklicherweise nur wenige Besucher, die sich auf 20 Uhr einstellten. Sie verpassten allerdings den Willkommensgruß von Bürgermeisterin Simone Maiwald, die die Festspiele offiziell eröffnete.
Überraschend kam auch, dass an der Bar des Festspielhauses nur noch mit Karte bezahlt werden kann. „Das ist die Gelegenheit, sich als Samariter zu zeigen. Wer seine Karte dabei hat, lädt einfach jemand ohne Karte ein“, scherzte Festspielleiter Marcus Bosch.