Blick auf den Koalitionsvertrag

So kritisch sieht Apotheken-Besitzer Michael Scheuerlein die Entwicklung der Apotheken in ländlichen Regionen

Seit einem Jahr ist Michael Scheuerlein der Inhaber der Karl-Olga-Apotheke in Heidenheim und der Steinhirt-Apotheke in Steinheim. Im Interview erklärt er seine Sicht auf die Entwicklung der Apotheken und auf Änderungen durch die neue Bundesregierung:

Genau ein Jahr ist es her, dass Dr. Caroline Ausbüttel die Karl-Olga-Apotheke in den Heidenheimer Schloss-Arkaden und die Steinhirt-Apotheke in Steinheim mitsamt den 50 Mitarbeitenden übergab. Der neue Besitzer: Michael Scheuerlein aus Dinkelsbühl. Wieso er den Schritt in die Selbstständigkeit aus Franken auf die schwäbische Alb gewagt hat, weshalb er die Entwicklung der Apotheken in Deutschland sehr kritisch sieht und warum er die neue Bundesregierung zum Handeln nach der Veröffentlichung des Koalitionsvertrages aufrufen möchte, erklärt Scheuerlein im HZ-Interview:

Herr Scheuerlein, Sie sind jetzt seit genau einem Jahr der Inhaber der Karl-Olga-Apotheke. Wie gelang der Übergang und die Übernahme der etwa 50 Angestellten?

Ich bin sehr warmherzig hier empfangen worden, das muss man ehrlich sagen. Mit der Übergabe kam für mich ein neues Betriebssystem, und trotz der vielen Umgewöhnungen hatte das gesamte Team eine Engelsgeduld mit mir. Und auch die Kundschaft hat sich an das neue Gesicht mit dem fränkischen Dialekt gewöhnt.

Richtig, Sie kommen aus der Gegend südlich von Nürnberg. Wie kam es dazu, dass ein Franke gleich zwei Apotheken hier auf der Ostalb übernimmt?

Ich war früher im Pharmagroßhandel tätig und es war früh mein Wunsch, selbstständig zu werden und einfach näher am Patienten zu sein. Also habe ich mich auf die Suche nach einer Apotheke begeben. Gerade ist der Apothekenmarkt in einem Umbruch, da viele Apotheker aufhören. Zusammen mit meinem Bruder Florian und meiner Schwägerin Barbara habe ich mich in einem größeren Radius umgeschaut und eben die Apotheke gefunden, die zu mir und meinen Ansprüchen passt.

Ist die Distanz zu Ihrem Zuhause persönlich auch tragbar für Sie?

Ich pendle, das ist klar. Da ich ein großer Familienmensch bin, bin ich aber froh, dass man schon noch in einer vertretbaren Distanz ist. Ich möchte aber stets vor Ort sein. Anfangs war deswegen das Pendeln schon stressig, das hat sich mittlerweile aber wieder geregelt.

Und Sie sind immer vor Ort?

Hauptsächlich in der Karl-Olga-Apotheke. In Steinheim gibt es zwei leitende Apotheker, die in direkter Absprache mit mir die Verantwortung tragen. Denn ganz ehrlich: Zu viele Köche verderben den Brei und eine gewisse Eigenständigkeit ist allen Beteiligten wichtig. Und auch mir ist die Steinhirt-Apotheke sehr wichtig, gerade weil das Apothekensterben in vollem Gange ist, vor allem in ländlichen Regionen.

Die Karl-Olga-Apotheke in den Heidenheimer Schloss-Arkaden gehört zu den größten Apotheken im Kreis. Rudi Penk

Durch diverse Punkte im Koalitionsvertrag soll unter anderem gegen das Apothekensterben vorgegangen werden. Hat sich das schon bemerkbar gemacht?

Umgesetzt wurde mit der neuen Regierung noch nichts. Klar, wenn man sich die politische Lage anschaut, gibt es sicherlich Wichtigeres. Fakt ist dennoch: Pro Jahr können um die 500 Apotheken schließen. Und das ist katastrophal.

Weshalb schließen so viele Apotheken?

Seit Jahren bekommen Apotheken für verschriebene Arzneimittel denselben Fixbetrag, das sogenannte Apothekenpackungsfixum. Dadurch, dass in vielen anderen Bereichen wie dem Einkauf oder den Personalkosten die Ausgaben steigen, sind diese Summen für kleinere Apotheken häufig nicht mehr tragbar. Solange sich von der Regierung aus nichts an diesen Beträgen ändert, geht das Sterben weiter, auch hier in der Region, wie bereits unter anderem in Giengen gesehen im vergangenen Jahr.

Sehen Sie trotzdem Punkte im neuen Koalitionsvertrag, die Sie positiv stimmen?

Die Auszahlung des Apothekenpackungsfixums soll angehoben werden von 8,35 Euro auf 9,50 Euro. In ländlichen Regionen kann es sogar auf elf Euro steigen. Das wäre gut, ist jedoch nicht an die Inflation gekoppelt. Da muss noch einiges kommen, sonst müssen Patientinnen und Patienten auf dem Land künftig 30 Minuten für ein Medikament durch die Gegend fahren. Dieser und weitere Punkte im Koalitionsvertrag sind umsetzbar, jedoch nur, wenn der Wille von der Seite der Regierung da ist, mit kleineren Schritten damit anzufangen.

Welche weiteren Punkte sehen Sie denn als umsetzbar?

Zum einen wurde festgeschrieben, dass das Skonto-Verbot aufgehoben wurde. Heißt: Im vergangenen Jahr wurde ein Urteil gesprochen, dass besagte, es dürfe keine weiteren Preisnachlässe im Verkauf vom Großhandel an die Apotheken geben. Die Beträge wurden fixiert und der Rohertrag der Apotheken ist immens gefallen durch den teureren Einkauf. Dieses Urteil soll laut dem neuen Koalitionsvertrag aufgehoben werden. So wären die Preise wieder verhandelbar. Da liegt es jetzt auch an der Politik, das Geschriebene in die Tat umzusetzen.

Gibt es zudem noch ein relevantes Thema?

Ja, das Fremdbesitzverbot wurde bestärkt. Das bedeutet, Apotheken dürfen nur von Apothekern geführt werden und nicht von Gesellschaftern oder Fremdfirmen. Das ist für die Apotheken und auch die Kunden extrem wichtig. Denn sobald Fremdkapital im Spiel ist, richtet sich der Fokus auf erfolgreiche Apotheken in Ballungszentren, weit weg vom Patienten auf dem Land. Zudem würden die Preise enorm steigen. Dann wären wir wieder beim Apothekensterben. Um dem entgegenzuwirken, ist das Fremdbesitzverbot so wichtig.

Sind Sie zuversichtlich, dass Ihre Entscheidung hier eine Apotheke zu übernehmen, sich auch in Zukunft bewährt?

Sicherlich. Die Nachfrage ist groß im Kreis und unser Angebot daran angepasst. Natürlich gilt es, sich weiterhin anzupassen und auch sich selbst weiterzuentwickeln. Bei uns steht aber nach wie vor, wie bei sicherlich jeder Apotheke, der Patient im Mittelpunkt. Hoffen wir mal, dass diese Denkweise in Zukunft auch von der Gesetzgebung gestützt wird.

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