Die Nachricht hat diese Woche große Aufmerksamkeit auf sich gezogen, auch wenn sie von außerhalb des Landkreises Heidenheim kam: Im benachbarten Altheim hat die 31-jährige Bürgermeisterin Selina Holl nach zwei Jahren ihr Amt niedergelegt. Als Grund nannte die Verwaltungswirtin die anhaltende Kritik an ihrer Person und das damit verbundene Misstrauen gegenüber ihrer Arbeit und ihren Mitarbeitenden.
Dabei ging es offensichtlich nicht objektiv um die Arbeitsleistung der jungen Frau, sondern um die Frage, wie sie ihr Privatleben mit ihrem Amt in Einklang bringt. Skandalös ist dabei nicht nur die Tatsache, dass in Altheim öffentlich thematisiert wurde, mit wem sie liiert ist, und zu welchem Zeitpunkt sie ein Kind bekam, sondern auch, dass diese höchst privaten Dinge mit ihrer Arbeit in Verbindung gebracht wurden. Der Druck wurde dabei so groß, dass Selina Holl in ihrer Rücktrittserklärung schreibt, sie habe zum Zeitpunkt ihrer Wahl mit der Familienplanung abgeschlossen gehabt – was selbstverständlich niemanden etwas angeht.
Um die Absurdität dieser Vorgänge zu verdeutlichen, stellen wir uns vor, es würde sich um den 31-jährigen Bürgermeister Severin Holl handeln. Er trennt sich nach seiner Wahl von seiner Frau, mit der er ein Kind hat. Seine neue Partnerin wird schwanger und er nimmt einen Monat Elternzeit, um die ersten Wochen mit dem neuen Baby mitzuerleben. Danach kehrt er ins Rathaus zurück.
Würde man infrage stellen, dass Severin Holl genug Kapazitäten für seine Arbeit hat? Würde jemand fragen, wie er die Kinderbetreuung organisiert? Und käme jemandem die Frage in den Sinn, wie die zukünftige Familienplanung von Severin Holl aussieht?
Die Tatsache, dass für Männer und Frauen unterschiedliche Maßstäbe gelten, ist auch deshalb offensichtlich, weil es im Landkreis Heidenheim schon sehr viele private Umstände im Leben von Bürgermeistern gab, die noch nie zu einem Rücktritt geführt haben, und selten öffentlich thematisiert wurden. Wobei es wünschenswert wäre, wenn professionelle Unfähigkeit Auswirkungen auf die weitere Laufbahn hätte. Aber das ist oft weder in der Verwaltung noch in der Wirtschaft der Fall – zumindest nicht bei Männern.