Nach dem mutmaßlichen Angriff auf einen 24-Jährigen vor einer Heidenheimer Bar im vergangenen Jahr wird der Prozess gegen zwei junge Männer vor dem Landgericht Ellwangen fortgesetzt. Den 27- und 22-jährigen Angeklagten wird gemeinschaftlicher besonders schwerer Raub vorgeworfen. Laut Anklage sollen sie den Mann im April dieses Jahres nachts vor einer Bar in der Heidenheimer Innenstadt abgepasst und ihn nach Geld oder Drogen gefragt haben. Als dieser klarmachte, dass er keines der beiden Dinge habe, sollen sie ihn mit einem Schlagstock und Fäusten attackiert und ihm eine Gucci-Mütze gestohlen haben.
Beide Beschuldigten befinden sich mittlerweile in Untersuchungshaft, dem Jüngeren wurde diese im Laufe des Prozesses wegen mutmaßlicher falscher Alibizeugnisse seiner Freundin und deren Begleiterin zusätzlich angeordnet. Zudem bestand von Seiten des Gerichts der Verdacht auf Fluchtgefahr.
Zeugenidentifikation und Widersprüche
Ein Polizeibeamter berichtete, wie er den Zeugen identifiziert hatte. Weil der Geschädigte den Nachnamen seines Freundes nicht kannte, forderte der Beamte ihn auf, über Google Maps nach der Wohngegend des Mannes zu suchen. Anschließend konnte der Freund über das Melderegister eindeutig ermittelt werden. Der Beamte bestätigte zudem, dass der Geschädigte angegeben habe, die mutmaßlichen Täter mithilfe seines Freundes über Snapchat erkannt zu haben – ein klarer Widerspruch zu der Darstellung, die der Zeuge im Gericht abgegeben hatte.
Denn der 23-jährige Freund des Geschädigten machte deutlich, dass er mit der Identifizierung der Angeklagten nichts zu tun gehabt habe. Bei der ersten polizeilichen Vernehmung hatte der Geschädigte jedoch betont, ein Freund habe ihm bei der Identifizierung der Täter geholfen. Demnach habe er dem Kumpel über Snapchat beschrieben, wie die beiden Männer aussehen, woraufhin dieser geäußert habe, dass es sich um bestimmte Personen handeln könnte.
Zweifel an der Darstellung
Vor Gericht schilderte der Zeuge, das Opfer habe ihn am Abend des Vorfalls sowie später in der Nacht angerufen und berichtet, geschlagen und beraubt worden zu sein. Er habe ihm geraten, Polizei oder Rettungsdienst zu verständigen, da er aus der Vergangenheit wisse, dass der Geschädigte häufig stark trinke. Vier Tage später habe er ihn dann zufällig im Bus getroffen, wo dieser ihm ein Snapchat-Profilfoto gezeigt habe, auf dem er angeblich einen der Täter erkannt haben wollte. Der Zeuge erklärte jedoch, dass das Bild aus seiner Sicht nicht passen könne und er keinen der Angeklagten kenne.
Die Bemerkung über einen möglicherweise libanesischen Täter sei lediglich eine allgemeine Aussage gewesen, sagte er – ohne Bezug zu einer konkreten Person. Außerdem habe er sich bereits eine Zeit lang bewusst vom Geschädigten distanziert, weil ihm dessen Lebensstil mit häufigem Alkoholkonsum und nächtlichem Feiern nicht guttue.
Geschädigter bleibt bei seinen Angaben
Der Geschädigte zeigte sich in seiner Aussage überzeugt von seiner Version der Ereignisse. Er betonte, die Aussage seines Freundes stimme und das, bevor er überhaupt wusste, was dieser ausgesagt hatte. Die Bemerkung über einen möglichen libanesischen Täter sei von seinem Freund gekommen, habe sich aber erledigt, nachdem er ihm ein Bild gezeigt habe.
Seine Identifikation der Angeklagten bezeichnete er als zweifelsfrei und erklärte gegenüber des älteren Angeklagten „dem seine Fresse könnte ich niemals vergessen“. Er sagte, den Namen dieses Angeklagten im Zuge der polizeilichen Vernehmung auf den Bildern, die ihm vorgelegt wurden, gesehen zu haben. Den Zweiten habe er über einen Post auf der Social-Media-Plattform Instagram wiedererkannt.
Persönliche Einschätzungen und Beweisführung
Obwohl er nicht mehr wisse, wie viel er getrunken habe, beharrte er darauf, in der Tatnacht nicht betrunken gewesen zu sein. Die beiden Frauen, die im ersten Termin ein Alibi präsentiert hatten, bezeichnete er als „zu hundert Prozent Lügnerinnen“.
Zwischen dem Geschädigten und der Verteidigung kam es mehrfach zu hitzigen Wortwechseln. Manuel Reiger, der Verteidiger des 22-jährigen Angeklagten, warf ihm vor: „Wissen Sie, was erstaunlich ist, jedes Mal, wenn man Ihnen etwas vorhält, ändert sich etwas. Sie wissen, dass Sie vor Gericht die Wahrheit sagen müssen?“ Der Geschädigte betonte daraufhin, dass die beiden Zeuginnen auch wussten, dass sie richtig aussagen müssten. Zudem erklärte er, er wolle auf keinen Fall Unschuldige beschuldigen und sprach einen der Angeklagten direkt an, was die Verteidigung sofort unterband. Abschließend fragte er das Gericht, ob es nicht Beweis genug sei, dass bei einem der Angeklagten eine Gucci-Mütze gefunden worden sei. Er kündigte an, Schmerzensgeld sowie Ersatz für die Mütze durch einen Zivilprozess zu fordern.
Ausblick auf den nächsten Verhandlungstermin
Das Gericht kündigte an, zu Beginn des kommenden Verhandlungstages eine Einschätzung zum bisherigen Stand der Beweisaufnahme öffentlich abzugeben. Zudem wurde ein Gutachten zu Videoaufnahmen aus einem Heidenheimer Casino erstellt, das beim nächsten Mal vorgestellt wird. Erst nach Abschluss dieser Beweisaufnahme will die Kammer ein Urteil treffen.