Theaterring Heidenheim

„Die Physiker“ in der Waldorfschule Heidenheim: kongeniales Schauspiel und unverschämte Zwischenrufe

Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker“ stand am Dienstag auf dem Programm in der Waldorfschule Heidenheim. Der Abend überzeugte durch hervorragende schauspielerische Leistungen – und verärgerte durch respektloses Verhalten einiger Zuschauer.

Ob Friedrich Dürrenmatt sich dieser Tage wohl mal wieder im Grab umdreht? Während Christopher Nolans Historienfilm „Oppenheimer“ über den Vater der Atombombe reihenweise Preise einheimst, wird hierzulande laut darüber nachgedacht, ob Deutschland nicht bald eigene Atomwaffen brauchen wird. Nukleares Aufrüsten, die schwelende Bedrohung durch einen Atomkrieg – Umstände, die Dürrenmatt während der Entstehung der Tragikomödie „Die Physiker“ um 1960 begleiteten. Und Umstände, welche der „Physiker“-Inszenierung des Tournee-Theaters Thespiskarren in der Heidenheimer Waldorfschule traurige Aktualität verleihen.

Nichtsdestotrotz – oder vielleicht gerade deswegen – gelang dem Ensemble die Dürrenmatt'sche Gratwanderung zwischen absurd und apathisch, zwischen Lachern aus vollem Munde und Lachern, die einem im Hals stecken bleiben.

Grandiose schauspielerische Leistung in der Waldorfschule Heidenheim

Die drei Bewohner des Irrenhauses Les Cerisiers, Möbius (Peter Bause), Newton (André Vetters) und Einstein (Stephan Bürgi), sind bekanntlich alles andere als geisteskrank. Der Physiker Möbius gibt vor, wahnsinnig zu sein, um die Welt vor seinen Erfindungen zu schützen. Seine Weltformel könnte die Vernichtung der gesamten Menschheit bewirken. Newton und Einstein trachten nach ebenjener wissenschaftlichen Errungenschaft und inszenieren aus diesem Grunde ebenfalls ihre Geisteskrankheiten.

Das Schauspieler-Trio schafft es auf famose Art und Weise, den eigenen Irrsinn vorzugaukeln. Selbst wer im Publikum um die bevorstehende Enthüllung der Geheimnisse weiß, fiebert dieser doch entgegen. Besonders überzeugend: Peter Bause, der selbst als Stimme der Vernunft niemals dröge wirkt, sondern sich in seiner Darbietung ein gewisses Maß an kalkuliertem Chaos vorbehält.

Rund 600 Zuschauerinnen und Zuschauer wohnten der Inszenierung von "Die Physiker" bei. Rudi Penk

Kongenial auch die Leistung von Hellena Büttner in ihrer Verkörperung der Irrenärztin Fräulein Doktor Mathilde von Zahnd. Mit beeindruckender Präsenz vollzieht sie den fließenden Übergang Zahnds von der resoluten, aber fröhlichen und zeitgleich einfühlsamen Ärztin zur gewissenlosen, völlig der Realität entrückten Schurkin.

Letztlich siegt Zahnd als die einzig wahre Verrückte in der Irrenanstalt. Das Gebäude wird zum Gefängnis der drei Physiker – und zu dem des Publikums. Das reduzierte, aber effektive Bühnenbild suggeriert, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer selbst Insassen der Anstalt sind. Diese gleicht einer Gummizelle, rundum mit Polstern tapeziert. Wo die Physiker sind, sind in der Inszenierung von Herbert Olschok auch wir.

Zwischenrufe sorgen für Verärgerung bei Publikum

Ein rundum anregendes Stück, das – zum großen Bedauern vieler Anwesender – immer wieder von Zwischenrufen und mehr als fraglichem Verhalten einiger junger Zuschauer geprägt war. „Die Physiker“ steht dieses Jahr auf dem Prüfungsplan der Realschulen im Land, was die Präsenz zahlreicher Schulklassen, auch von außerhalb des Landkreises, erklärte. Nun sollen an dieser Stelle sicherlich nicht alle Schülerinnen und Schüler über einen Kamm geschert werden. Der versteinerten Mimik des Ensembles während der abschließenden Verbeugung war ein gewisses Maß an Irritation dennoch klar und deutlich abzulesen.

Eine Reaktion, die auch von vonseiten der Stadt Heidenheim wahrgenommen wurde. „Dass Einzelne im Publikum nach Ende des Stücks und während des Applaudierens störend in Erscheinung getreten sind, ist bedauerlich“, sagt der städtische Pressesprecher Stefan Bentele. „Solche Reaktionen Einzelner schmälern aber weder den Applaus, noch den Zuspruch des überwiegenden Teils des Publikums, das die Aufführung und das Schauspiel genossen hat.“

Richtig, der hervorragenden schauspielerischen Leistung des Ensembles soll dies keinen Abbruch tun. Ihm und dem überwiegenden Teil des Publikums zuliebe kann man sich nur wünschen, dass jene Störenfriede eine kleine Lektion in Sachen Theater-Etikette erhalten. Denn, um Johann Wilhelm Möbius zu zitieren: „Was einmal gedacht wurde, kann nicht zurückgenommen werden.“ Und was einmal gesagt wurde, schon gleich gar nicht.

So geht es weiter beim Theaterring Heidenheim

Die „Dorfpunks“ markieren die nächste Station in der Reihe des Theaterrings. Das Gastspiel des Landestheaters Tübingen findet am Dienstag, 12. März, ab 19.30 Uhr im Konzerthaus statt. Den Abschluss der Saison macht das Berliner Kriminal Theater am Donnerstag, 18. April, ab 19.30 Uhr mit „Das Paket“, ebenfalls im Konzerthaus. Karten für beide Aufführungen gibt es unter anderem im Pressehaus in Heidenheim sowie unter laendleevents.de.