Hausgeräte der BSH

Für die Rüstungsindustrie: Kommen Teile aus Giengen über Umwege in Russland an?

Roderich Kiesewetter, Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Aalen-Heidenheim (CDU), moniert, dass Russland aus Hausgeräten wie Kühlschränken Mikrochips ausbaut, um sie in der Rüstungsindustrie einzusetzen. Was sagt dazu die BSH, Europas größter Hersteller von Hausgeräten?

Für die Rüstungsindustrie: Kommen Teile aus Giengen über Umwege in Russland an?

Als Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die EU einige Sanktionen gegen Russland verhängt, die unter anderem den Import und Export bestimmter Waren verbieten. Spezielle Maschinen und Fahrzeuge, Technologien für die Energiewirtschaft, Armeeausrüstung oder Güter mit doppeltem Verwendungszweck, die für zivile und militärische Zwecke genutzt werden könnten – um nur ein paar Beispiele zu nennen – dürfen seither nicht mehr aus der EU nach Russland geliefert werden. Andersherum dürfen aus Russland Güter wie Kohle, Stahl und Rohöl nicht mehr in die EU eingeführt werden.

In einer Diskussionsrunde des Deutschlandfunks monierte jüngst Roderich Kiesewetter, CDU-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Aalen-Heidenheim, dass es eine „quasi indirekte Sanktionsumgehung gibt“, da Russland beispielsweise Mikrochips aus Haushaltsgeräten wie Kühlschränken ausbaut, da diese Waren nicht sanktioniert sind oder aus Drittländern, insbesondere aus Kasachstan, Armenien und der Türkei, bezogen werden.

Kiesewetter: deutlicher Anstieg der Exporte nach Armenien und Kasachstan

Kiesewetter war fast 30 Jahre lang bei der Bundeswehr, ist Quereinsteiger in der Politik und seit 2009 direkt gewählter Abgeordneter, Außen- und Sicherheitspolitiker. Vor dem Hintergrund des Krieges fungiert er als Sprecher für Krisenprävention der CDU/CSU-Fraktion und besuchte seit Kriegsbeginn schon mehrmals die Ukraine.

Seinen Informationen zufolge hat Armenien in den ersten acht Monaten 2022 mehr Waschmaschinen aus der EU importiert als 2020 und 2021 zusammen. „Der Import war scheinbar so dringend, dass diese mit dem Flugzeug aus der EU eingeflogen werden mussten“, erklärt Kiesewetter auf Anfrage.

Kasachstan habe zwischen April und November 2022 fast sechsmal so viele Waschmaschinen aus der EU gekauft wie im Vorjahr. Bis August 2022 habe Kasachstan Kühlschränke im Wert von mehr als 21 Millionen Dollar aus der EU importiert, mehr als dreimal so viel wie im selben Zeitraum 2021.

Die Zahlen, ergänzt er, gingen auf das Statistische Amt der Europäischen Union, die Eurostat, zurück. Berichtet worden sei darüber vor allem in internationalen Medien wie dem „Time Magazine“ mit Sitz in den USA.

BSH: keine Angaben zu Exportzahlen

Angefragt bei der BSH und damit dem europaweit größten Hersteller von Haushaltsgeräten, der im Giengener Werk seit 75 Jahren Kühlschränke produziert, erklärt eine Sprecherin, dass die BSH „grundsätzlich keine Aussage zu Exportzahlen mache“. Sie verweist lediglich darauf, dass zur Aufrechterhaltung der Exportkontrolle umfangreiche interne Vorschriften und Verfahren etabliert worden seien. „Unser Ziel ist es, innerhalb unseres Einflussbereichs zu verhindern, dass BSH-Produkte am Ende der direkten oder indirekten Lieferkette sanktionswidrig eingesetzt werden.“

BSH-Werke in Russland stillgelegt

Zur BSH gehören auch zwei Werke in Russland und eins in der Ukraine. Der Großteil des Geschäfts mit russischen Kunden, beschreibt die Sprecherin, sei wegen der Sanktionen eingestellt worden. Beide Fabriken in St. Petersburg seien stillgelegt worden, der Kundenservice würde aufrechterhalten.

Was hat sich dadurch bei den Lieferungen verändert? Kasachstan und weitere zentralasiatische Länder seien bislang im Wesentlichen aus Russland beliefert worden. „Vor dem Hintergrund der Wirtschaftssanktionen und des weitgehend zum Erliegen gekommenen Russlandgeschäfts bedienen wir, wie andere Unternehmen auch, den Bedarf der zentralasiatischen Länder nun möglichst aus anderen Ländern“, heißt es seitens der BSH. Parallelimporte erfolgten typischerweise ohne Kenntnis des Herstellers und aus Ländern, die keine Sanktionen gegen Russland verhängt haben.

BSH: Ausbau von Mikrochips „nicht naheliegend“

Über den Umfang möglicher Parallelimporte habe die BSH weder zuverlässige Angaben noch sei es möglich, solche Zahlen im russischen Markt zu erheben. Den Ausbau sanktionierter Komponenten wie Mikrochips halte das Unternehmen nicht für naheliegend, da dies vergleichsweise aufwendig und teuer sei. „Bei den von uns verbauten Mikrochips handelt es sich oftmals um Massenware, die über Großhändler, etwa in China, vertrieben wird“, erklärt die Sprecherin.

Dass der Weg von Haushaltswaren über Kasachstan nach Russland möglich ist, zeigen Kiesewetter zufolge etwa Recherchen zum Unternehmen Elix-St. aus Stuttgart, das laut Presseberichten im Januar dieses Jahres 2598 Mikrochips an das Unternehmen Da Group 22 in Kasachstan transformierte, das wiederum vom Sohn der Stuttgarter Unternehmen geführt würde.

Von dort aus sei die exakt selbe Anzahl an Mikrochips anschließend nach Russland transformiert worden, wie auch das „Organized Crime and Corruption Reporting Project“ schreibt, das mittels investigativer Recherchen vor allem Korruption aufdecken will.

Auf eine entsprechende Nachfrage Kiesewetters bei der parlamentarischen Staatssekretärin wegen des Falls in Stuttgart erhielt er lediglich die Rückmeldung, dass die Bundesregierung zu Einzelfällen keine Auskünfte erteilt.

Kieswetter: noch kein Verstoß gegen die Sanktionen

Kiesewetter betont, dass Unternehmen, denen nicht bewusst ist, dass vermutlich Geräte über die Türkei in Russland ankommen, nicht gegen die Sanktionen verstoßen, weil sie bisher noch keine extraterritorialen Wirkungen gegenüber dritten, nichtsanktionierten Staaten entfalten. Er weist aber darauf hin, dass im elften geplanten Sanktionspaket solche Sanktionen gegen Drittstaaten geben wird, sofern sich die EU einigen könne.