Energiewende

Warum das zweite Nahwärmenetz in Gussenstadt erst deutlich verzögert gebaut werden kann

Bei der Energiegenossenschaft Gussenstadt und bei den Einwohnern des Ortes, die einen Nahwärmeanschluss wollen, ist der Unmut groß, weil die Bauarbeiten wohl erst im kommenden Jahr beginnen können.

Seit nunmehr zehn Jahren versorgt die Energiegenossenschaft Gussenstadt den Gerstetter Teilort mit Nahwärme. Oder zumindest einen Teil des Ortes, denn die Abwärme der Biogasanlage, mit der auch Strom hergestellt wird, ist begrenzt. Deshalb wird seit 2022 an der Planung für ein neues Nahwärmenetz gearbeitet. Gebaut werden soll ein Heizkraftwerk im Süden von Gussenstadt nahe der Firma Pfisterer, mit einer Leitung in den Ort und Anschlüssen für jeden Haushalt, der sich beteiligen möchte.

Ein großes Projekt also, das jetzt aber ins Stocken kommt: 2022 wurde noch von einem frühestmöglichen Baubeginn im Jahr 2023 gesprochen, der dann letztlich nicht erreicht wurde. Spätestens 2025 sollte es aber wirklich losgehen. Doch immer noch sind weit und breit keine Bagger zu sehen. Besonders frustriert davon ist Thomas Häcker, der Vorsitzende der Energiegenossenschaft; vor allem deswegen, weil der Grund für die Verzögerung nicht in seinem Einflussbereich liegt: Es fehlt noch die Förderzusage des Bundes. Der entsprechende Antrag liege schon seit vielen Monaten beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), sei aber noch nicht bearbeitet worden.

Kaum Auskunft erhalten

Vor zehn Monaten, bei Einreichung des Antrags, habe das Bundesamt der Genossenschaft eine Bearbeitungszeit von drei Monaten in Aussicht gestellt, so Häcker. Diese Zahl habe er bereits damals für unrealistisch gehalten; er ging davon aus, dass die Bauarbeiten spätestens im Juni beginnen könnten. Als dieser Zeitpunkt verstrich, habe er bei der bereitgestellten Hotline angerufen, aber keine weiteren Informationen und kein Gespräch mit einem Sachbearbeiter erwirken können. Vor einem Monat sei dann die Auskunft gekommen, dass die Energiegenossenschaft in vier bis sechs Wochen mehr erfahren würde. Seitdem: Stille.

„Dieses Jahr wird es nichts mehr mit dem Baubeginn“, so lautet Häckers aktuelle Einschätzung. Eine Winterbaustelle würde man nicht wollen, auch müsse man alle Arbeiten ausschreiben und auf Angebote warten, selbst wenn es sich nur um Vermessungsarbeiten mit Kosten von wenigen hundert Euro handele.

Ohne Förderzusage schon mit dem Bau zu beginnen, ist indes keine Option. Denn dann wird diese nicht erteilt und es fließen keine Gelder. Vier Millionen Euro erwartet die Genossenschaft aus der Bundesförderung für effiziente Energienetze, ein Betrag, auf den sie nicht verzichten kann.

Auch Glasfaserausbau wird verzögert

So hofft man also in Gussenstadt weiter auf Neuigkeiten. Währenddessen erreichen Häcker immer mehr Nachfragen aus den Reihen der Einwohner des Ortes, die sich für einen Anschluss ans Nahwärmenetz entschieden haben. „Die Leute fragen mich, wie es aussieht“, sagt Häcker, er aber könne keine befriedigende Antwort geben. „Ich muss den Druck aushalten, aber es ist trotzdem frustrierend.“

Verschlimmert wird die Lage dadurch, dass sich Gussenstadter Haushalte nicht nur bei der Heizungsplanung darauf verlassen hatten, bald Nahwärme zu erhalten; auch Glasfaser soll im gleichen Zug im Ort verlegt werden. Somit verzögert sich jetzt auch das schnelle Internet. Die Firma Pfisterer, für die ein Glasfaseranschluss besonders wichtig ist, habe sich entgegen der ursprünglichen Pläne inzwischen einen eigenen von der Telekom legen lassen, erzählt Häcker. Auch manche Wasser- und Stromleitungen, für die in diesem Jahr Haushaltsmittel eingestellt sind, werden nun voraussichtlich erst nächstes Jahr ausgetauscht.

Als Problem und Ursache der Verzögerung sieht Häcker die Menge an Bürokratie, ganz allgemein in Deutschland und spezifisch bei diesem Antrag. „Beim BAFA sind sie offenbar komplett überlastet, entweder weil sie zu wenige Mitarbeiter haben oder weil die Anträge zu kompliziert sind.“ Beim ersten Nahwärmenetz sei das noch nicht so schlimm gewesen, man habe geplant, gebaut und dann einen Förderantrag eingereicht. Heute sei alles deutlich komplizierter. Häcker fühlt sich mit einem grundsätzlichen Misstrauen von staatlicher Seite konfrontiert, das man dann als Unternehmer im Genehmigungsprozess langsam abbauen müsse.

Ein Antrag nach dem anderen

Auf HZ-Anfrage äußert sich das BAFA zu den von Häcker erhoben Vorwürfen. Darin, dass es sich bei der beantragten Investitions- und Betriebskostenförderung um ein sehr komplexes Verfahren handelt, sind sich alle einig. „Der Antrag der Energiegenossenschaft wurde vor knapp sieben Monaten gestellt. Die Anträge werden nach der Reihenfolge ihres Eingangs bearbeitet. Er wird voraussichtlich im nächsten Monat in Bearbeitung genommen“, heißt es weiter in der Mitteilung des BAFA.

Projekte wie das der Energiegenossenschaft Gussenstadt würden einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten. Beim BAFA wisse man um die Dringlichkeit und die Herausforderungen, mit denen die Antragsteller konfrontiert seien, müsse aber auch die Gleichbehandlung aller Antragsteller sicherstellen.

Auch die Bauphase dauert ihre Zeit

Wenn man im Februar oder März 2026 mit den Bauarbeiten für das Nahwärmenetz beginnen könnte, so Thomas Häcker, der Vorsitzende der Energiegenossenschaft Gussenstadt, würde man erst 2027 mit den letzten Hausanschlüssen fertig werden. Die Heizzentrale würde man wohl ab Oktober nutzen können, vor dem Winter sollen auch noch eine Verbindung zum alten Wärmenetz und erste Anschlüsse hergestellt werden. Die letzten Straßen werde man aber erst im zweiten Baujahr erreichen.