Südlich von Gussenstadt und Sontbergen

Darum sträubt sich die Gemeinde Gerstetten gegen Windkraftvorranggebiete im Alb-Donau-Kreis

Zum wiederholten Mal standen kürzlich die Vorranggebiete Rehhalde und Schalkstetten-Kinzenberg auf der Tagesordnung des Gerstetter Gemeinderats. Der benachbarte Regionalverband hatte die Bedenken aus Gerstetten zuletzt abgewogen.

Das Thema Windkraft will in der Gemeinde Gerstetten einfach nicht zur Ruhe kommen. Das liegt nicht nur an konkreten Anlagen, die in der Gemeinde errichtet werden sollen – zum Beispiel im Dettinger Teichhau – sondern auch an den Aktivitäten der benachbarten Regionalverbände, die genauso wie der Regionalverband Ostalb-Heidenheim Vorrangflächen ausweisen müssen.

Tangiert wird die Gerstetter Gemarkung zum Beispiel von drei möglichen Vorranggebieten des Regionalverbands Donau-Iller: Zwischen Schalkstetten und Gussenstadt liegt das geplante Gebiet Schalkstetten-Kinzenberg, zwischen Sontbergen und Zähringen das Gebiet Rehhalde und zwischen Heuchlingen und Ballendort das Gebiet Ballendorf-Rotensohl.

Zu diesen Plänen in ihrer Nachbarschaft wurde die Gemeinde bereits im Oktober 2024 angehört und hatte gegen Rehhalde und Schalkstetten-Kinzenberg Einwände vorgebracht. Wie von Bauamtsleiter Hannes Bewersdorff in der jüngsten Sitzung des Gerstetter Gemeinderats zu hören war, wurden diese Einwände jedoch abgewogen. „In unserer Stellungnahme zur Rehhalde haben wir kritisiert, dass dort in ein Landschaftsschutzgebiet eingegriffen wird“, so Bewersdorff, und darauf habe der Regionalverband Donau-Iller wesentlich zu pauschal geantwortet.

Vorranggebiet Rehhalde soll verkleinert werden

Denn in der Abwägung werde nur auf allgemeine planerische Herausforderungen eingegangen, nicht aber auf die spezifische Situation im Landschaftsschutzgebiet Hungerbrunnental. Auch Schwierigkeiten, die der Regionalverband Donau-Iller dabei habe, 1,8 Prozent seiner Fläche als Vorrangfläche auszuweisen, würden als Argument nicht ausreichen, um den spezifischen Belang auszuhebeln.

Der Vorschlag der Verwaltung sei deswegen, so Bewersdorff weiter, eine weitere Stellungnahme abzugeben, in der die Kritik nochmal bestärkt werde. Außerdem wolle man die Herausnahme des östlichen Flächendrittels aus dem Vorranggebiet Rehhalde fordern.

Franz Kraus (FWV) pflichtete Bewersdorff bei, dass eine Verkleinerung des Gebiets erstrebenswert wäre. „Wenn der Regionalverband auf die Reduzierung eingeht, dann haben wir schon viel erreicht.“ Denn politisch habe man keine Argumente gegen das Vorranggebiet, immerhin habe der Regionalverband Donau-Iller erst 0,43 Prozent seiner Fläche als Vorranggebiet ausgewiesen, gesetzlich vorgeschrieben seien bis 2027 aber 1,8 Prozent.

„Umzingelung“ Gussenstadts befürchtet

Kraus regte zudem an, dass sich die Verwaltung auch für die Verkleinerung des Gebiets Schalkstetten-Kinzenberg südlich von Gussenstadt aussprechen solle. Darin stimmten ihm auch Thomas Häcker (FWV) und Frank Schied (Grüne und Unabhängige) zu, die eine südliche „Umzingelung“ Gussenstadts befürchteten. Bürgermeister Matthias Heisler sagte dazu, dass die Verwaltung bereits überprüft habe, ob rechtlich gesehen eine Überlastung Gussenstadts mit Windkraftanlegen besteht; das sei noch nicht der Fall. Trotzdem sprach er sich dafür aus, die Bedenken in die Stellungnahme aufzunehmen. Bewersdorff fügte hinzu, dass der Regionalverband Donau-Iller bereits auf die vorherige Stellungnahme eingegangen sei und das Gebiet verkleinert habe, „allerdings aus Gussenstadter Sicht an der falschen Stelle“, nämlich im Westen.

Ballendorf-Rotensohl weniger problematisch

Gemeinderätin Dagmar Schröm (FWV) äußerte zusätzlich Bedenken gegen das Vorranggebiet Ballendorf-Rotensohl, das in direkter Nähe zum Hungerbrunnental liege, welches für die Naherholung, und von Besuchern aus der Umgebung, sehr geschätzt werde. Sie bat deshalb darum, auch diese Kritik in die Stellungnahme aufzunehmen, konnte jedoch keine Unterstützung für den Vorschlag gewinnen.

Bewersdorff gab zu bedenken, dass jenes Vorranggebiet nicht in einem Landschaftsschutzgebiet liege, sondern einfach auf der „grünen Wiese“. Auch sei das Gebiet seiner Meinung nach zu weit von der Gemeindegrenze entfernt, als dass Gerstetten wirkungsvoll Einwände vorbringen könnte. Heuchlingens Ortsvorsteherin Marianne Renner erklärte zudem, dass man dieses Thema bereits im Ortschaftsrat betrachtet habe und zu der Erkenntnis gekommen sei, dass die Windkraftanlagen aus dem Heuchlinger Teil des Hungerbrunnentals gar nicht zu sehen sein würden.

So beschloss der Gemeinderat schließlich einstimmig, Kritik an der Abwägung der ersten Stellungnahme zu üben sowie eine Verkleinerung des Vorranggebiets Rehhalde und einen planerischen Nachweis zur befürchteten Überlastungssituation in Gussenstadt zu fordern.

Was ist ein Vorranggebiet?

In Windkraft-Vorranggebieten sind Nutzungen des Raumes, die nicht mit der Windkraft vereinbar sind, ausgeschlossen. Es gibt allerdings keine Pflicht, jedes Vorranggebiet auch für Windkraft zu nutzen. Bei der Erstellung eines Vorranggebiets werden bereits einige Faktoren, wie zum Beispiel der Abstand zu Wohnbebauung, Verkehrswegen und Militäreinrichtungen geprüft; bei der Einreichung eines Bauantrages für einen Windpark werden diese und weitere Faktoren dann nochmal im Detail beleuchtet.

Für die Festlegung der Vorranggebiete sind die Regionalverbände zuständig. Mit dem 2023 in Kraft getretenen Windenergieflächenbedarfsgesetz wurden in Deutschland erstmalig verbindliche Flächenziele für den Ausbau der Windenergie an Land definiert: Bis zum 31. Dezember 2032 sollen insgesamt 2 Prozent der Fläche der Bundesrepublik für die Windenergienutzung gesichert werden.

Dafür soll jedes Bundesland einen festgelegten prozentualen Anteil seiner Landesfläche als Windenergiegebiete ausweisen. In Baden-Württemberg beträgt dieser Anteil 1,8 Prozent. Laut dem Baden-Württembergischen Klimaschutz- und Klimaanpassungsgesetz sollen die 12 Regionalverbände des Landes jeweils 1,8 Prozent ihrer Regionsfläche ausweisen und diese Vorranggebiete als Satzung beschließen lassen.