Opernfestspiele Heidenheim

Beim Galakonzert „Spektakel“ ging die Sonne auf

Mit dem Galakonzert „Spektakel“ hatten die Opernfestspiele Heidenheim einen weiteren Knaller im Programm.

Beim Galakonzert „Spektakel“ ging die Sonne auf

Dvořák rocks. Das wurde an dieser Stelle kürzlich schon festgehalten. Jetzt hat er es wieder getan: Beim Galakonzert „Spektakel“ im Congress-Centrum im Rahmen der Opernfestspiele riss er das Publikum förmlich von den Stühlen. Die Cappella Aquileia unter der Leitung von Marcus Bosch setzte aber auch Dvořáks 8. Sinfonie G-Dur op. 88 wirklich spektakulär um. Und dabei steckt die Sinfonie voller Überraschungen: Schwungvoll und heiter im Auftakt, der noch zum Schwelgen einlädt, und plötzlich dieses Überschäumende, Sprudelnde, das nicht zur Ruhe kommen lässt, und zu allem Überfluss auch noch Streicherpartien, die für die Filmmusik zu „Psycho“ inspiriert haben könnten.

Die Schönheit und Eleganz dieser Sinfonie reißen auch dann nicht ab, wenn Dvořák mal wieder gewissermaßen für Explosionen sorgt, temporeich und stürmisch und ohne große Vorwarnung, um dann auch ein wenig Walzerseligkeit zu bieten. Und zwischen all den eruptiven Momenten besänftigt immer wieder das anmutige Flötenthema, das sich so einschmeichelnd im Ohr festsetzt. Das war eine Meisterleistung, und prompt nach dem furiosen Schlussakkord standen die Zuhörer auch schon, um ihrem Jubel freien Lauf zu lassen: Stürmisch wie die Sinfonie war der Beifall, und zudem durften Cappella Aquileia und Marcus Bosch begeisterte Rufe entgegennehmen für diese Darbietung, die jeden „Bravo“-Ruf mehr als verdient hat.

Das war das letzte Stück des Abends, und in die Pause war das Publikum noch mit dem Gedanken gegangen, wie das eben Gehörte noch getoppt werden solle. Erich Wolfgang Korngolds Violinkonzert D-Dur op. 35 war das, und es lag vor allem am Solisten, dass das Publikum sich schon am Höhepunkt des Abends glaubte. Stephen Waarts heißt das Ausnahmetalent, gerade mal 27 Jahre alt, Preisträger bereits im zarten Alter von 17 Jahren. Auch in Korngolds Kompositionen stecken einige Überraschungsmomente, und das im Zusammenspiel mit diesem unglaublichen Violinisten, auch das war es wert, „Spektakel“ genannt zu werden.

Sonate und Solist waren spektakulär

Der niederländisch-amerikanische Geiger verblüffte dabei ein ums andere Mal mit seinem Können: Enormes Tempo, höchste Töne, ätherisch-luftig in der Anmutung, und dann wieder pompös und raumfüllend, flirrend, flackernd – das war zum Dahinschmelzen. Und auch für Stephen Waarts gab es Ovationen im Stehen, Beifallsrufe, die freilich auch die Cappella Aquileia für ihren Beitrag verbuchen konnte. Stephen Waarts wird im Gedächtnis bleiben: Dieser junge Künstler, der da ganz und gar unprätentiös auf der Bühne stand, eine Riesenleistung ablieferte, eroberte das Publikum im Nu. Und ganz bescheiden wollte er auch schon wieder abgehen, aber das war natürlich undenkbar ob des Applauses. Und für die Zugabe hatte er ebenso Spektakuläres ausgewählt: Die Sonate Nr. 5 von Eugène Ysaÿe war es, „L’Aurore“ genannt, und da konnte man schon einen verheißungsvollen Sonnenaufgang vor dem geistigen Auge haben. Falls dafür überhaupt Zeit blieb, denn zu faszinierend war es, Waarts bei der Umsetzung dieses expressiven, aber auch weich und gefühlvollen Werks und seiner virtuosen Spieltechnik zuzusehen. Spektakulär also beides, Sonate und Solist, da ging wirklich die Sonne auf, und auch das gab jede Menge Beifall voller Bewunderung und Respekt.

Der Auftakt des Abends gehörte Verdi – und Verdi möge es verzeihen, dass er an diesem Abend jetzt mal nicht die Hauptrolle spielte. Sein Streichquartett e-Moll, das die Cappella Aquileia in der Fassung für Streichorchester präsentierte. Verdi hatte das Streichquartett, wie er selbst sagte, als „einfachen Zeitvertreib“  verfasst, und es ist ein durchaus eigenwilliger Zeitvertreib geworden. Ein Spektakel veranstaltet freilich auch er spätestens im unerhört schnellen Wirbel des Scherzo. Davor hat er ganz viele Stimmungen gesetzt, die packend und aufwühlend sind, wenngleich nicht im ersten Moment eingängig. Viel Beifall für die Umsetzung gab es auch hier, freilich ließ alles Kommende an diesem Abend den Verdi verblassen. Also: Verdi war gut, aber Waarts rocks. Dvořák sowieso. Und die Cappella Aquileia auch.

Zur Person: Stephen Waarts

Stephen Waarts wurde in Fremont, Kalifornien geboren. Im Jahr 2013 gewann er im Alter von nur 17 Jahren die Young Concert Artists International Auditions in New York. Er war auch Preisträger beim Internationalen Wettbewerb von Montreal 2013 und gewann den ersten Preis beim Menuhin-Wettbewerb 2014. Waarts ist Teil des Entwicklungsprogramms der Orpheum-Stiftung zur Förderung junger Solisten.