Wettlauf gegen die Zeit: Suche nach U-Boot bei «Titanic»
In einem Wettlauf gegen die Zeit suchen Rettungskräfte in der Nähe des «Titanic»-Wracks im Atlantik nach fünf Vermissten in einem verschollenen U-Boot. An Bord ist unter anderem der milliardenschwere britische Abenteurer und Unternehmer Hamish Harding, wie sein Unternehmen Action Aviation in der Nacht zum Dienstag bestätigte. Auch der pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood und sein 19-jähriger Sohn Suleman gehören zu den Insassen, wie ihre Familie mitteilte.
Da der Sauerstoff in der knapp sieben Meter langen «Titan» nach Betreiberangaben für 96 Stunden reicht, «gehen wir davon aus, dass derzeit zwischen 70 und 96 Stunden verfügbar sind», sagte Kommandant John Mauger von der US-Küstenwache am Montagnachmittag (Ortszeit) in Boston. Das Boot wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst.
Das Wrack der «Titanic» liegt in 3800 Meter Tiefe
«Wir setzen alle verfügbaren Mittel ein, um sicherzustellen, dass wir das Schiff lokalisieren und die Menschen an Bord retten können», sagte Mauger weiter. Das Unternehmen Oceangate Expeditions bestätigte, dass Menschen an Bord seien. «Wir prüfen und mobilisieren alle Optionen, um die Besatzung sicher zurückzubringen», zitierte die britische BBC aus einer Mitteilung. Das Unternehmen bringt gelegentlich Privatleute für viel Geld zum Wrack der 1912 gesunkenen, weltberühmten «Titanic», die am Grund des Ozeans in 3800 Meter Tiefe liegt.
Abenteurer Harding hält mehrere Guinness-Weltrekorde, darunter den längsten Tauchgang im Marianengraben, dem tiefsten Ort der Erde, im März 2021. Im Juni 2022 flog der Brite ins All. Harding hatte am Sonntag in den sozialen Medien mitgeteilt, dass er an der «Titanic»-Expedition teilnimmt. Es handele sich voraussichtlich um die einzige solche Expedition in diesem Jahr.
Kommandant Mauger sagte, nun gehe es zunächst darum, das Tauchboot an der Wasseroberfläche oder in der Tiefe des Ozeans aufzuspüren. Dafür würden mehrere Flugzeuge und Schiffe sowie Bojen mit Sonar an Bord eingesetzt, die Geräusche in einer Meerestiefe von bis zu knapp 4000 Meter erfassen können. Erst wenn der genaue Ort des Bootes klar sei, könne eine mögliche Rettung angegangen werden. Bei der großangelegten Aktion arbeitet die US-Küstenwache mit kanadischen Einsatzkräften sowie privaten Booten und Handelsschiffen an der vermuteten Stelle rund 1500 Kilometer östlich der US-Metropole Boston zusammen.
Die Besatzung des kanadischen Begleitschiffs «Polar Prince» hatte etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs den Kontakt zur «Titan» verloren. Eine Fahrt vom Heimathafen St. John’s auf der kanadischen Insel Neufundland kostet 250.000 Dollar (229.000 Euro) pro Person. Dabei handelt es sich bei der «Titan» im engen Sinne um ein Tauchboot, nicht um ein U-Boot, weil es nicht aus eigener Kraft in Häfen ein- und ausfährt. Nach Unternehmensangaben ist die «Titan» 6,70 Meter lang.
Oceangate zufolge dauern die Touren des Unternehmens insgesamt acht Tage. Das Unternehmen bewirbt die Fahrten mit dem Kohlefaser-Tauchboot laut BBC als Chance, «aus dem Alltag herauszutreten und etwas wirklich Außergewöhnliches zu entdecken».
Die «Titanic» war 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Nordatlantik gesunken, mehr als 1500 der 2200 Menschen an Bord starben. Die Überreste des berühmten Luxusdampfers wurden 1985 in rund 3800 Metern Tiefe entdeckt. Filme wie der Blockbuster «Titanic» (1997) mit den Hollywood-Stars Kate Winslet und Leonardo DiCaprio heizten das Interesse an der Katastrophe weiter an. Erst vor kurzem hatten Wissenschaftler mit Hilfe hochauflösender 3D-Bilder die bisher genaueste Darstellung des Wracks geboten.
Der Reporter David Pogue vom US-Sender CBS, der die Fahrt im vergangenen Jahr mitgemacht hatte, sagte der BBC, das Gefährt habe auf ihn einen improvisierten Eindruck gemacht. «Man steuert dieses U-Boot mit einem Xbox-Gamecontroller», sagte Pogue. Ein Teil des Ballasts bestehe aus Baurohren. Falls das Boot eingeklemmt werde oder Leck schlage, «gibt es kein Backup, keine Rettungskapsel», sagte er. Der ehemalige U-Boot-Offizier Frank Owen sagte der BBC, die größte Herausforderung für die Eingeschlossenen sei es, ruhig zu bleiben und nicht zu viel Sauerstoff zu verbrauchen.
Der U-Boot-Experte Alistair Greig vom University College London nannte im BBC-Gespräch mehrere mögliche Szenarien des Vorfalls. Bei einem Strom- oder Kommunikationsausfall könne es sein, dass das Tauchboot zur Oberfläche getrieben würde. Deutlich schlechter wäre die Lage, sollte der Rumpf beschädigt worden sein und es ein Leck geben. «Dann ist die Prognose nicht gut», sagte Greig.
Schwierig wäre es auch, wenn das Tauchboot nicht mehr aus eigener Kraft vom Meeresboden aufsteigen könne. «Auch wenn das Tauchboot möglicherweise noch intakt ist, gibt es, wenn es tiefer als 200 Meter ist, nur sehr wenige Schiffe, die so tief vordringen können, und schon gar keine Taucher», sagte der Experte. «Die für die U-Boot-Rettung der Marine konzipierten Fahrzeuge können sicherlich nicht annähernd in die Tiefe der «Titanic» vordringen. Und selbst wenn sie es könnten, bezweifle ich sehr, dass sie an der Luke des Touristentauchboots fest machen könnten.»