Notfälle

«Titanic»-Reisender kritisiert Touristenfahrten scharf

Der Physiker hatte sich einst selbst auf den Weg zur «Titanic» gemacht - und geriet in Lebensgefahr. An der Touristenfahrt lässt Guillen kein gutes Haar. Ein deutscher Forscher ist da anderer Meinung.

«Titanic»-Reisender kritisiert Touristenfahrten scharf

Ein US-Wissenschaftler hat die Touristenfahrten zum Wrack der «Titanic» scharf kritisiert. Bei der «Titan», die mit fünf Insassen im Atlantik vermisst wird, handele es sich um ein «experimentelles Fahrzeug», sagte der Physiker Michael Guillen dem britischen Sender Sky News in einem am Mittwoch veröffentlichten Gespräch.

«Das ist keine Fahrt in Disneyland. Das ist Mutter Natur. Das Meer ist gnadenlos», sagte Guillen. «Alles wird für Touristen zugänglich gemacht, und ich fürchte, wenn es um Geld geht und man mit Nervenkitzelsuchenden da draußen Gewinn machen kann, die bereit sind, das Geld zu zahlen, ist das ein Rezept für eine Katastrophe.»

Das Unternehmen Oceangate Expeditions bietet die Fahrten zum Wrack der «Titanic» für 250.000 US-Dollar (229.000 Euro) pro Person an.

Guillen war im Jahr 2000 an Bord eines russischen Boots zu dem berühmten Wrack getaucht – und kam dabei nach eigener Aussage in Lebensgefahr. Am Heck sei das Tauchboot in eine schnelle Unterwasserströmung geraten, die es in die riesigen Propeller der «Titanic» gerammt habe, sagte der Wissenschaftler. «Unser U-Boot war im Vergleich zum Propeller wie eine riesige Mücke. Riesige Teile der “Titanic” fielen auf uns herab, und ich wusste, dass wir in Schwierigkeiten sind.»

Er habe bereits angefangen, sich mit seinem Tod auseinanderzusetzen, sagte Guillen. «Da war eine Stimme in meinem Kopf. Ich werde die Worte nie vergessen: “So also wird es für dich enden.” Ich dachte an meine Frau, die ich nie wieder sehen würde.» Doch schließlich ging alles gut. Der Pilot schaffte es, das Boot wieder frei zu bekommen.

Ex-Fregattenkapitän: Tauchboot ist «Eiserner Sarg»

Der langjährige U-Boot-Fahrer Jürgen Weber bezeichnete die Suche als äußerst schwierig bezeichnet. «Selbst, wenn es an der Oberfläche treibt, ragen von einer Gesamthöhe von 2,80 Metern höchstens 80 Zentimeter aus dem Wasser. Das ist je nach Seegang kaum zu entdecken», sagte der Fregattenkapitän a.D. der Deutschen Presse-Agentur.

«Und wenn ich davon ausgehe, dass das Tauchboot auf dem Grund liegt, dann muss man sich vorstellen, was da für Trümmer der “Titanic” liegen. Das sind mit Sicherheit Teile, die größer sind als das Tauchboot, und da fällt es schwer, die richtigen Kontakte anzupingen», sagte Weber. Er fürchte, dass die Chancen, die «Titan» rechtzeitig zu finden, nur sehr gering seien.

Es handele sich um ein riskantes Gefährt. «Das Tauchboot ist nicht klassifiziert, das heißt, es unterliegt keinem Schiffs-TÜV wie in Deutschland und ist nur von außen zu öffnen. Also ein eiserner Sarg», sagte der Geschäftsführer vom Verband Deutscher Ubootfahrer (VDU).

Grundsätzlich könne er die «Faszination Tiefe» für Laien schon verstehen. «Aber man sollte sich der Gefahren bewusst sein, die immer lauern», betonte Weber. Er wäre nicht mit der «Titan» mitgefahren.

«Ich steige nicht in ein Tauchboot, das ich von innen nicht öffnen kann. Ich halte das für einen ganz gravierenden Sicherheitsmangel. Selbst, wenn Sie oben treiben und gerne atmen möchten, bekommen Sie das Boot nicht auf. Das ist katastrophal in meinen Augen.»

Deutscher Forscher hält Boot für hochprofessionell

Der deutsche Forscher Alex Waibel bezeichnet dagegen seinen Tauchgang mit dem nun vermissten Tauchboot vor einem Jahr als hochprofessionelles Unterfangen. «Ich war beeindruckt, wie präzise und akribisch der Ablauf und die Vorbereitung der Betreiber war», sagte der Computerwissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) der Deutschen Presse-Agentur. Die Wetter- und Strömungsverhältnisse seien genau untersucht und alle Systeme des Bootes noch ein letztes Mal durchgecheckt worden, bevor das Boot dann in die Tiefe gesunken sei. «Das war vorbildlich.»

Er habe damals natürlich auch Angst gehabt, aber die Risiken vorher abgewogen. «Jede Expedition ist mit einem gewissen Risiko verbunden und jeder, der in das Tauchboot einsteigt, kennt die Risiken.» Auch störe ihn, wenn solche Expeditionen als Spaß für Superreiche abgetan würden. «Es waren und sind auch jetzt erfahrene Forscher an Bord, deren Erkenntnisse wertvoll für die Forschung sind», sagte der 67-Jährige. Auch er würde wieder mit einem Tauchboot tauchen, wenn es sich ergäbe.

Das katastrophalste Szenario sei, wenn es ein Leck in der Carbonhülle des Bootes gegeben haben sollte. Andererseits wäre es dann wegen des enormen Wasserdrucks für die fünf Insassen so schnell zu Ende gewesen, dass sie davon nichts mitbekommen hätten. Am furchtbarsten sei der Gedanke, dass das von innen nicht zu öffnende Boot an der Wasseroberfläche treibe, nicht gefunden werde und die Menschen wegen Sauerstoffmangels elend erstickten. «Das fand auch ich beängstigend damals, dass wir von selbst nicht herausgekommen wären, sondern nach dem Auftauchen auf die Crew angewiesen waren, uns herauszuholen.»